Fraunhofer-Tag der Blockchain-Technologie Zwischen Logistik und Bundesblockchain: Eine Kette voller Möglichkeiten
Viel wird über das Thema Blockchain und deren Potenziale gesprochen, doch wie steht es um die reale Entwicklung in Industrie und Politik, welche Erfolge sind zu vermelden, wo liegen noch Probleme? Eine Veranstaltung von Fraunhofer IUK und Partnern ging diesen Fragen nach.
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Als Tool beispielsweise für abgesicherte Anwendungen verteilter Systeme wird dieser speziellen Architektur der Distributed Ledger Technik vielfältiges Potenzial auch für die Industrie 4.0 zugesprochen. Trotzdem reicht der Einsatz im Praxisalltag bisher nur selten über Testprojekte hinaus. Im Kontext der Blockchain-Strategie der Bundesregierung lud der Fraunhofer Verbund IUK-Technologie in Kooperation mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) und der Gesellschaft für Informatik (GI) daher am 05.11. ins Berliner SpreePalais zum Tag der Blockchain-Technologie.
Hat sich die Blockchain verfangen?
Nach einem einführenden Tutorium, dass sich gezielt auch an Themenneulinge richtete und auf anschauliche Art die Funktionsweise der Blockchain erklärte, folgte die Fachkonferenz, die sich unter anderem damit befassen sollte, ob es Gründe für die gefühlte Stagnation bei der flächendeckenden Einführung gibt. Als Aufwärmübung zum Opening Talk hatte das Publikum daher via Echtzeit-Abstimmung die Möglichkeit, Einschätzungen zu den größten Potenzialen und Hürden der Blockchain abzugeben. Die Ideen waren vielfältig, doch als die drei dominierenden Einsatzgebiete kristallisierten sich deutlich Logistik, Supply Chain und Identitätsmanagement heraus. Auf weiteren Plätzen fanden sich die Bereiche Mobilität und Verwaltung. Bei möglichen Hürden, identifizierten über 40 % der Befragten fehlende Standardisierungs- beziehungsweise Rechtsrahmen als größtes Hemmnis bei Planung und Umsetzung von Blockchain basierten Anwendungen. Auf dem zweiten Platz landete die Aussage, dass der Nutzen für das jeweilige Business nicht erkennbar sei sowie die irrtümliche Gleichsetzung von Blockchain mit Krytowährungen, was zu Skepsis gegenüber der Technologie und mangelnder Akzeptanz führe. Probleme bei der Implementierung fanden sich auf Platz Drei der Schwierigkeiten, die Einschätzung, dass es sich dabei lediglich um einen Hype handle landete auf dem letzten Platz.
Es folgte der Opening Talk, in dem mit Andreas Meuer (Vorstand Finanzen und Digitalisierung der Fraunhofer-Gesellschaft), Dr. Helge Braun (Chef des Bundeskanzleramts und Bundesminister für besondere Aufgaben) und Prof. Dieter Kempf (Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V.) gleichermaßen Vertreter aus Forschung, Politik und Industrie vertreten waren. Ebenfalls zu den vorausgegangenen Themen befragt, betonte auch Dr. Braun die zentrale Herausforderung für die Politik, deren Aufgabe er unter anderem darin versteht, nicht nur entsprechende Forschung zu fördern, sondern auch einen geeigneten Rechtsrahmen zu schaffen, der mit der Entwicklungsgeschwindigkeit dieser und anderer digitaler Technologien Schritt halten kann. Auch Prof. Kempf teilte die Einschätzungen des Publikums und betonte das Potenzial für den Logistik-Sektor. Als Vertreter der Fraunhofer-Gesellschaft forderte Andreas Meuer zusätzlich einen Schulterschluss zwischen Forschung und Politik, um bei einer der „Schlüsseltechnologien der nächsten Digitalisierungswelle“ nicht vorzeitig abgehängt zu werden.
Praxisprojekte machen Mut
Die Keynote von Prof. Dr. Michael Henke (Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML) und Prof. Wolfgang Prinz, PhD (Bereichsleiter Kooperationssysteme am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT) ging daraufhin der Frage nach: „Are we ready to go now?“ und zielte damit ebenfalls auf die stockende Einführung von Blockchain-Lösungen ab. Um zu untermauern, dass es hier aber auch durchaus Grund für Optimismus gibt, stellte er ein Projekt vor, dass gegenwärtig in Köln läuft und bei dem es darum geht, die Vorteile elektrifizierter Transporter und Großraumvans zu erproben und auf einer Blockchain zu dokumentieren. Mit Bloxberg, der ersten Blockchain für wissenschaftliche Informationen, dem Blockchain Reallabor NRW und den vom Fraunhofer IML entwickelten Loadrunners, autonomen High-Speed-Fahrzeugen, die mit einer Geschwindigkeit von bis zu 30 m/s unterwegs sein können, fanden weitere Blockchain-Projekte made in Germany kurze Erwähnung.
Und auch beim anschließenden Blick in die Fraunhofer-Labore blieb es konkret. Hier warteten fünf praktische Anwendungsfälle auf die Besucherinnen und Besucher. Neben den Loadrunners, die auf dem Digitalgipfel in Dortmund Ende Oktober präsentiert wurden, zeigten die Fraunhofer-Forscher eine Blockchain-Lösung zum Identitätsmanagement, die Geflüchteten bei ihrer Identifizierung helfen könnte. Die Energiebranche könnte zukünftig auf Blockchain basierten Flexibilitätenhandel zurückgreifen, die sogenannte Trackchain bei der Warenverfolgung der Logistik wertvolle Dienste leisten und auch zur Zertifizierung, beispielsweise von Ausbildungsnachweisen, könnte die Technologie schon bald eingesetzt werden.
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Um bei den aktuellen Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie trotzdem auch die Weitsicht nicht zu vernachlässigen, sollte ein Blick über den Tellerrand für weitere Chancen und Potenziale sensibilisieren. Für den Blick nach vorne übernahmen Sarah Basic (Strategie Künstliche Intelligenz, Datenökonomie, Blockchain; Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Christian Rudelt (Senior Manager Digitalisierung und Innovation, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.), Prof. Wolfgang Prinz, PhD (Bereichsleiter Kooperationssysteme am Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT), Florian Glatz (Präsident Blockchain Bundesverband), Martin Siebke (Information Services Strategy, BASF), Christian Schultze-Wolters (Geschäftsbereichsleiter Blockchain Solutions DACH, IBM) die Bühne. Hier wurde sich die Rundes schnell einig, dass die Blockchain-Strategie der Bundesregierung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist, es gleichzeitig aber noch viele Punkte gibt, die es zu konkretisieren gilt. Dies gilt vor allem auch dann, wenn man wirklich über eine Art Bundesblockchain sprechen möchte, die beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung eingesetzt werden könnte. Auch wurde der Wunsch nach gezielter staatlicher Förderung und weiteren Reallaboren laut, um bereits in der Entwicklung von Lösungen mit möglichst hoher Praxisnähe arbeiten zu können.
Klar wird also, bei Thema Blockchain gibt es hier und da noch Konkretisierungsbedarf. Doch sollte Deutschland bei dieser Schlüsseltechnologie der Digitalisierung über allen theoretischen Überlegungen und Fragestellungen die Praxis nicht aus dem Blick verlieren, um im internationalen Vergleich mithalten zu können. Sowohl in den Laboren als auch im Praxisalltag mehren sich vielversprechende Projekte, die Mut machen können, das Thema anzugehen. Oder in den Worten von Prof. Prinz: „Die Frage ist noch viel zu oft ‚Warum Blockchain?‘ – Ja, warum denn nicht?“
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