Piezoelektronische Systeme Wissenschaftler drucken Mini-Lautsprecher mit neuem Verfahren

Redakteur: Katharina Juschkat

Wissenschaftler haben Miniaturlautsprecher additiv hergestellt, die gerade einmal wenige Millimeter groß sind. Der Clou dabei: Ein neues additives Herstellungsverfahren, mit dem Piezo-MEMS schnell und günstig im industriellen Maßstab hergestellt werden können.

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Der Mini-Lautsprecher des Fraunhofer ILT zeigt, dass sich Mikroaktorik per Tintenstrahldrucker und Laser sekundenschnell und preiswert herstellen lässt.
Der Mini-Lautsprecher des Fraunhofer ILT zeigt, dass sich Mikroaktorik per Tintenstrahldrucker und Laser sekundenschnell und preiswert herstellen lässt.
(Bild: Fraunhofer ILT)

Einen Mini-Lautsprecher, der gerade einmal die Größe eines 1-Cent-Stücks aufweist, haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT entwickelt. Mithilfe eines additiven Fertigungsverfahrens können die Miniaturlautsprecher als Teil von piezoelektrischen, mikroelektromechanischen Systemen – sogenannten Piezo-MEMS – hergestellt werden. Dabei kombinieren die Forscher Tintenstrahldruck und Lasertechnik, um verhältnismäßig schnell und günstig Dünnschicht-MEMS im industriellen Maßstab herzustellen.

Was Piezo-MEMS können

Piezo-MEMS sind wahre technische Alleskönner, denn die hauchdünnen piezoelektrischen Schichten erfüllen wahlweise aktorische oder sensorische Funktionen: Entweder dehnen sie sich beim Anlegen eines elektrischen Feldes aus oder sie wandeln mechanische Bewegung in elektrische Spannung um.
Entsprechend gefragt sind sie in der Kommunikations- oder Medizintechnik zum Beispiel als Sensor oder Aktor in Pumpen, Ventilen oder Lautsprechern – jeweils im Miniaturformat. Die Dünnschichten bestehen in der Regel aus Blei-Zirkonat-Titanat (PZT), der derzeit leistungsfähigsten piezoelektrischen Funktionskeramik. Es kommen bevorzugt piezoelektrische, wenige μm dünne Schichten zum Einsatz, welche sich beispielsweise durch Ätzen oder direktes Drucken sehr genau strukturieren lassen.

Mini-Lautsprecher für Smartphones oder Hörgeräte

Ein mögliche Anwendung für die Minilautsprecher wäre beispielsweise in Hörgeräten oder Smartphones – überall da, wo wenig Platz zur Verfügung steht. Im Vordergrund des Forschungsprojektes stand aber zunächst, das neue Verfahren zur Herstellung zu entwickeln, die Lautsprecher selbst sind noch keine fertige Anwendung. Mit dem neuen Verfahren können auch andere piezoelektrische Bauteile hergestellt werden, z.B. Mikropumpen.

Ein entsprechendes Demo-Bauteil haben Wissenschaftler des Fraunhofer ILT gemeinsam mit der RWTH Aachen und dem Fraunhofer-Institut für Siliziumtechnologie ISIT entwickelt als Teil des kürzlich abgeschlossenen Verbundprojektes „Generative Herstellung effizienter Piezo-MEMS für die Mikroaktorik“ – oder kurz „Generator“.

Wie die neu entwickelte Methode funktioniert

Das Problem bisheriger Herstellungsverfahren, die vakuum- und maskenbasiert waren: Sie sind vor allem für Kleinserien sehr zeit- und kostenintensiv. Die im Projekt neu entwickelte Methode aus digitalem Tintenstrahldruck und Laserkristallisation kann Schichten innerhalb weniger Sekunden bearbeiten.

Nach dem Auftragen von PZT-Spezialtinte auf 8“-Silizium-Wafern folgt die Kristallisation mittels Laserstrahlung bei lokalen Temperaturen von über 700°C. Für Qualität sorgt ein temperaturgeregelter Prozess, der die Temperaturschwankungen auf 5°C begrenzt.

Ein Mikrolautsprecher aus bis zu 30 Schichten

Auf den Wafer lassen sich mittels Inkjet-Druck technische Strukturen und beliebige Geometrien auftragen, die Funktionalisierung erfolgt via Laserstrahlung. Danach werden die einzelnen Lautsprecherelemente vereinzelt und in eine elektronische Umgebung eingebunden.
Auf den Wafer lassen sich mittels Inkjet-Druck technische Strukturen und beliebige Geometrien auftragen, die Funktionalisierung erfolgt via Laserstrahlung. Danach werden die einzelnen Lautsprecherelemente vereinzelt und in eine elektronische Umgebung eingebunden.
(Bild: Fraunhofer ILT)

Aus mehreren 20- bis 30-nm-dünnen PZT-Schichten wird ein mehrlagiger Aktuator mit einer Gesamtschichtdicke von 2 bis 3 µm aufgebaut. Abwechselnd bauen sich übereinander insgesamt bis zu 30 Schichten aus Funktionskeramik- und Elektroden zu einem Mikrolautsprecher auf. Dank dieser Konstruktion soll der Aktuator eine bessere Performance und höhere Wiedergabequalität als übliche Aktuatoren aufweisen.

Dabei greifen PZT-Schichten und Elektroden-Schichten wie zwei sehr feine Kämme ineinander. Durch die schnelle Laserbearbeitung der Schichten sinkt die sonst minutenlange Bearbeitungszeit je Schicht auf wenige Sekunden. Als Elektrodenmaterial verwenden die Wissenschaftler statt des gängigen und sehr teuren Platins die elektrisch leitende Keramik Lanthan-Nickel-Oxid (LNO). Durch den Verzicht auf metallische Komponenten kann die Haltbarkeit dieser rein keramischen Multi-Material-Stacks deutlich gesteigert und die Materialkosten gleichzeitig gesenkt werden.

Legt man nun eine Wechselspannung an diesen Multi-Material-Stack an, verformen sich die PZT-Schichten in Bruchteilen von Sekunden und regen dadurch den ganzen Stack zur Schwingung an. Da das ganze System nur wenige µm dick ist und dadurch eine sehr geringe Masse hat, lassen sich so akustische Signale vor allem im Hochton-Bereich ausgezeichnet übertragen.

Legt man eine Wechselspannung an den Multi-Material-Stack an, verformen sich die PZT-Schichten in Bruchteilen von Sekunden und regen dadurch den ganzen Stack zur Schwingung an. Da das ganze System nur wenige µm dick ist, lassen sich so akustische Signale vor allem im Hochton-Bereich übertragen.
Legt man eine Wechselspannung an den Multi-Material-Stack an, verformen sich die PZT-Schichten in Bruchteilen von Sekunden und regen dadurch den ganzen Stack zur Schwingung an. Da das ganze System nur wenige µm dick ist, lassen sich so akustische Signale vor allem im Hochton-Bereich übertragen.
(Bild: Fraunhofer ILT)

Kleine Stückzahlen möglich

Vorteil der neuen Fertigungsmethode: Mit den digital steuerbaren Druck- und Laserverfahren ist eine augenblickliche Änderung der Schichten ohne Mehrkosten für Masken oder Werkzeuge möglich. Vor allem für die Produktion kleinerer Stückzahlen wichtig.

Konventionelle Anlagen zum Herstellen von Dünnschicht-Elektronik kosten mehrere Millionen Euro und lohnen sich daher nur für die Großserienproduktion. Bei kleineren Losgrößen wird das additive Hybridverfahren interessant, vor allem wenn das Bauteil wie der Mikrolautsprecher aus mehreren Schichten besteht. Das Verfahren eignet sich daher besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). ILT-Wissenschaftler Samuel Fink erklärt: „Der Anwender benötigt dazu entsprechende Druck- und Lasersystemtechnik sowie speziell angepasste PZT- und LNO-Tinten. Sogar sehr kleine Job-Shops könnten sich daher in Zukunft eine Kleinserienproduktion für Mikroaktorik aufbauen.“

Neue Materialien denkbar

Bisher wurde das Verfahren für die Beschichtung von Siliziumsubstraten verwendet. Diese müssen nach dem Aufbau des Multi-Stack-Systems bisher noch relativ aufwändig nachbearbeitet werden, um einsatzfähige Bauteile zu erzeugen. Durch die Eigenschaften des laserbasierten Herstellungsverfahrens sind aber auch andere Substrate wie z.B. Dünnstglas denkbar, welche die Fertigung noch erheblich vereinfachen und vielfältige Anwendungsmöglichkeiten erschließen würden.

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