Roundtable Wie treibt Künstliche Intelligenz den Unternehmenserfolg an?
Künstliche Intelligenz (KI) ist für deutsche Unternehmen längst keine Zukunftsvision mehr. Aber wie kann KI konkret auf Customer Journey, Organisation und Erfolg eines Unternehmens einzahlen? Darüber haben unsere Experten beim Roundtable am 5. Oktober gesprochen.
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Künstliche Intelligenz – die Revolution im CRM? Mittlerweile können Kundenprofile durch intelligente Software automatisiert erstellt und so gezielte Maßnahmen für Marketing und Vertrieb ausgesteuert werden. Aber nur, wenn das System auch die relevanten Daten findet. Damit erreicht CRM die nächste Effizienzstufe. Was heißt dies nun für den Erfolg eines Unternehmens? Werden Marketing und Vertrieb in Zukunft völlig überflüssig und von Künstlicher Intelligenz abgelöst? Was kann Künstliche Intelligenz leisten und was nicht? Darüber haben Marcus Ruebsam, Senior Vice President Strategy & Solutions bei SAP Hybris, Dr. Robert Laube, Chief Technology & Innovation Officer von Avanade Deutschland, und Floris Henning, Campaign Director bei INTEGR8 Media, am 5. Oktober in Düsseldorf bei unserem Roundtable, in Kooperation mit der absatzwirtschaft, diskutiert. Moderiert wurde der Roundtable von Frank Puscher, freiberuflicher Journalist, Berater und Trainer in den Themengebieten E-Commerce und Online-Marketing.
Frank Puscher: Auf der diesjährigen dmexco war Künstliche Intelligenz das absolute Trendthema. Sehen Sie das eher als einen typischen Overhype oder ist KI jetzt schon auf dem Weg ein unverzichtbarer Leistungsbestandteil von Software zu werden?
Marcus Ruebsam: Erst einmal ist es für solche Themen typisch, dass sie durch die Decke gehen. Das ist wie mit den sozialen Medien. Auch hier gab es zuerst einen Overhype. Mittlerweile sind Facebook, Twitter und Co. fester Bestandteil des Kommunikationsmixes geworden. Der Unterschied ist allerdings, dass KI nicht nur ein Kanal ist, sondern eine automatisierte, intelligente Unterstützung von Systemen. Durch die ganzen Kanäle, die es mittlerweile gibt, ist eine gewisse Komplexität entstanden, bei der es sehr schwer ist, zu durchschauen, wo der Kunde gerade steht. Genau deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, dass das Thema gehypt wird. Denn egal von welchem Softwarehersteller wir sprechen, KI macht unsere Systeme zum ersten Mal intelligent. Bisher hat der Mensch die CRM-Systeme gefüttert; diese Daten reichen mittlerweile aber nicht mehr aus. Durch KI gehen die Systeme viel weiter – hin bis zum Verstehen von Signalen aus den Märkten, aus der Supply Chain oder dem Service. So bekommen sie ein viel breiteres Bild von unserem Kunden als vorher.
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Wir reden seit drei oder vier Jahren über Big Data. Auch da haben wir gedacht, wir können die Daten nutzen, um viel breiter zu kommunizieren. Es hat sich aber gezeigt, dass die Datennutzung dadurch noch komplexer und schwerer handlebar geworden ist. Ist KI die Chance, die Komplexität zu reduzieren?
Floris Henning: Es ist richtig, dass die Komplexität steigt; es gibt viel mehr Signale und Datenpunkte als verwertet werden können. Aber KI ist eine Technologie, die über Buzzwords hinausgeht. KI ist der Schlüssel dazu, dass die Daten verwertbar werden. Durch KI können wir dynamisch mit den Daten umgehen und sie so immer effektiver einsetzen. So, wie wir das schon seit fünf Jahren versprechen. Wie wir KI als Werkzeug einsetzen, ist vor allem eine Frage des Produktdesigns. Es gibt schon sehr viele Prozesse, die KI-gesteuert sind. Aber im Endeffekt ist KI eine Blackbox. Ich werfe oben meine Daten hinein und bekomme unten Ergebnisse heraus. Hier müssen wir auf jeden Fall prüfen: Wie soll KI eingesetzt werden? Soll KI ein Assistent sein, der mich unterstützt,oder soll das System Entscheidungen für mich treffen?
Dr. Robert Laube: Gerade wenn Künstliche Intelligenz im Zusammenhang mit Automatisierung gesehen wird, folgt im nächsten Schritt die Angst um Arbeitsplätze. Die Aufgabe ist es, eine Lösung zu finden, den Menschen davon zu überzeugen, dass KI nicht gleich den Verlust von Arbeitsplätzen bedeutet. Vielmehr ist es eine Verlagerung, durch die Unternehmen einen großen Mehrwert schaffen können.
Wenn wir an vielen Stellen darüber sprechen, dass wir durch KI unsere Effizienz optimieren, dann muss sich das auch in den Kosten niederschlagen. Und Kostenreduktion würde an dieser Stelle dann im Personalbereich passieren – oder?
Dr. Robert Laube: Wenn wir direkt von Kostenreduktion sprechen, dann heißt das im ersten Schritt, dass ein neues System eingeführt wird. Dieses nimmt in der Regel erst einmal Arbeit ab. Was Sie damit aber erreichen, ist, dass der Mensch höherwertige Arbeiten übernehmen kann; also zusätzlich mit dem System arbeitet. Das Ziel muss sein, mehr Ertrag zu generieren, um so eine Kosteneffizienz zu erreichen.
Der Spagat in der Kostenreduktion ist in der Praxis bereits sichtbar. Aber gibt es auch Wachstumspotenzial im Sinne von mehr Qualität durch Künstliche Intelligenz?
Dr. Robert Laube: Das ist eine Frage der Definition. Natürlich müssen Sie den Erfolg messen. Der Spruch „You get what you measure“ gilt auch beim Einsatz Künstlicher Intelligenz. Jedes Unternehmen sollte also für sich eine Messlatte definieren, um die Investition in KI auch zu verargumentieren.
Floris Henning: Die Frage ist: Wie wird diese Messlatte definiert? In Sachen KI kann viel gewonnen aber auch viel falsch gemacht werden. Gerade der Punkt Effizienz ist gleich Kosteneinsparung, ist eine gefährliche Messlatte. Wenn Kosten isoliert betrachtet werden, sind sie nicht immer der wichtigste Aspekt. Deshalb müssen die Unternehmen genau prüfen, wie sie ihre Messlatte definieren und wo sie dabei ansetzen. In der Praxis ist die Effizienzsteigerung im Mediaeinkauf zu großen Teilen nicht mehr nur eine Vision. Vor allem über die großen Plattformen wie Facebook und Google läuft schon sehr viel KI-gesteuert beziehungsweise KI-gestützt. Google und Co. können an einigen Stellen bereits automatisiert auf gegebene Ziele hinoptimieren und das ohne viel Zutun eines Menschen zu erfordern. Dabei optimieren sie anhand einer Anzahl von Datenpunkten beziehungsweise Signalen, die die Kapazitäten eines Menschen überschreiten würden.
Es entwickelt sich also in Strategie und Umsetzung vieles weg von der Agentur, hin in Richtung Google und Facebook?
Floris Henning: Noch sind das alles isolierte Systeme, die zusammengeführt werden müssen. Gerade, wenn Ziele über verschiedene Kanäle und Endgeräte hinweg erreicht werden sollen. Wir können also nicht einfach nur sagen, dass wir in Google oder Facebook Geld stecken und dass am Ende das gewünschte Ergebnis herauskommt. Perspektivisch denke ich aber schon, dass sich Aufgabenbereiche verändern werden. Die allgemeine Perspektive von KI ist es, Aufgaben in hoher Frequenz wiederholt und automatisiert durchzuführen. Hier können dann auch Kosten eingespart werden.
Marcus Ruebsam: Um noch einmal auf das Thema Mediaplanung zu kommen: Wie viel war für mich als Marketer wirklich transparent? Google und Facebook haben durch ihre Messbarkeit viel vorgelegt. Jetzt gibt mir nicht mehr die Agentur die Messbarkeit vor, sondern ich kann als Marke mit Software meine Messbarkeit selbst durchführen. Und das ist der nächste Schritt: Ich brauche KI, um die Online- und Offline-Welt wieder zusammenzubringen. Das heißt, ich führe eine Gesamtmessbarkeit ein. Das geht sogar so weit, dass ich direkt messbar machen kann, welchen Einfluss einzelne Aktionen auf meinen Umsatz haben. Natürlich wird das Auswirkungen auf die Agentur-Welt haben. Viele Mediaagenturen stellen sich bereits heute anders auf, um diese Messbarkeit zu erbringen. Die Disziplinen werden sich durch KI ändern.
Intransparenz in Prozessen entsteht oft durch schlechte Datenqualität und das Thema Standardisierung. Wenn wir KI als „bessere Software“ verstehen, dann sehe ich keinen Ansatz, bei dem wir mehr Transparenz erreichen. Woher soll also die Transparenz im Unternehmen kommen?
Marcus Ruebsam: Ich gehe davon aus, dass KI zu einer Neupositionierung der Standardisierung führen wird. Da darf man sich nichts vormachen: Google und Facebook sind so dominant. Durch ihre Messbarkeit und ihre Details, die sie freigeben, werden sie eine gewisse Transparenz schaffen, an die sich alle Systeme anpassen müssen. Es wird also langfristig zu einer Standardisierung kommen. Erst einmal sind wir aber noch in der Phase, in der KI für einfachere Prozesse vorgesehen ist. Wenn es dann um Dinge wie Preisoptimierung online oder über den POS geht, wird das Thema sehr komplex. Da sind wir noch ein paar Monate von entfernt. Mittlerweile ist es aber nicht mehr so, dass ich etwas in eine Dunkelkammer gebe und dann mein Ergebnis herauskommt. Das Marketing muss in der Lage sein, ein konstantes Monitoring der Ergebnisse von KI durchzuführen. Ich denke also, die Disziplin des Marketings wird sich verändern. Was nicht funktionieren wird, ist, dass man irgendwo KI dazugibt und dann alles läuft. Unserer Erfahrung nach dauert es etwa sechs Monate, um einen Algorithmus im KI einzuführen, diesen zu trainieren und immer wieder zu prüfen. Es ist also ein andauernder Prozess. Auch für uns Softwarehersteller ändert sich etwas: Wir müssen immer wieder prüfen, ob unsere entwickelte Software auch die gewünschten Ergebnisse liefert. Denn jetzt ist es wirklich Software-as-a-Service.
Herr Laube, wie nimmt man das von Seiten Ihrer Kunden auf? Wollen Ihre Kunden einen genauen Einblick in die Software oder geben sie Ihnen lediglich ihre KPIs vor und möchten nur ein gutes Ergebnis ohne Hintergrundwissen?
Dr. Robert Laube: Für unsere Kunden ist es wichtig, sich überhaupt damit zu beschäftigen. Selbstverständlich werden sie nicht jeden einzelnen Entscheidungsschritt einer KI-Lösung nachvollziehen können. Aber sie zeichnen dafür verantwortlich, wie die grundsätzliche Herangehensweise der Lösung ist. Es ist wichtig zu verstehen, wie einzelne Schritte bewertet werden und wie die Algorithmen grundsätzlich funktionieren. Die Kunden müssen verstehen, auf welcher Datenbasis sie ihre Systeme trainieren und auf welcher Basis später die Entscheidungen von der KI getroffen werden. In eine solche Software muss viel Aufwand investiert werden. Wie Herr Ruebsam schon gesagt hat: Die Leute im Marketing müssen sich viel mehr damit beschäftigen, wie KI grundsätzlich funktioniert. Wir haben plötzlich viel mehr Daten von unterschiedlichen Kanälen, die betrachtet werden können und zum Markenbild beitragen. Das ist eine unglaubliche Veränderung für Marketer.
Um in der Lage zu sein, Ihren Kunden all das verständlich zu machen, müsste sich Ihr Unternehmen dann zu einem Beratungs- oder Schulungsunternehmen weiterentwickeln?
Dr. Robert Laube: Als Dienstleister muss man sich schon verändern. Ein Beratungsunternehmen werden wir ganz sicher, wenn es darum geht zu verdeutlichen, wie die Technologien genutzt werden. Unsere Beratung entwickelt sich dahin gehend, dass der Kunde kommt und eine Unterstützung seiner Strategie haben will. Wie kann ich KI im Vertrieb nutzen? Wie kann ich KI nutzen, um meinen Absatz zu erhöhen? Welche Chancen habe ich mit KI für eine größere Kundenbindung? Um diese Fragen zu beantworten, nutzen wir unsere Erfahrungen aus den vorherigen Projekten und entwickeln mit dem Kunden gemeinsam die richtige Strategie. Das können wir dem Kunden natürlich nicht einfach beibringen – das passiert in gemeinsamer Abstimmung.
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