Roboterautonomie Wie KI und Blockchain zusammenwachsen
Wäre eine Kombinationen der beiden Schlüsselthemen sinnvoll? Anwendungsgebiete ergeben sich insbesondere in der autonomen Organisation des Internet der Dinge. Sind wir damit auf dem Weg zu einer weiteren industriellen Revolution?
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Künstliche Intelligenz und Blockchain sind derzeit womöglich die am intensivsten diskutierten Themen im Bereich der digitalen Transformation. Beiden wird immer wieder erhebliches Potenzial zugeschrieben, die Spielregeln auf den Märkten aufzubrechen und zu disruptieren. Unweigerlich stellt sich dann die Frage, jenseits allen Buzz-Word-Bingos, ob sich hierbei dann nicht Szenarien ergeben, die einen kombinierten Einsatz nahelegen. Diese finden sich vor allem im Bereich des (Industrial) Internet of Things sowie der dezentralen Koordinierung autonomer intelligenter Systeme.
Dezentrale Marktplätze: Blockhain und KI
Erste ‘tatsächliche‘ Ansätze KI und Blockchain zusammenführen, gab es im Bereich des Datenaustausches. Zumindest in der Theorie oder der frühen Praxisphase existieren bereits einige ‘dezentrale Marktplätze‘ über die Daten, beispielsweise zu KI-Trainingszwecken, gehandelt werden können. Dabei handelt es sich grundsätzlich um ein spannendes Anwendungsgebiet der Distributed-Ledger-Technologie, wäre damit doch in Zukunft eine ‘echte‘ Datenidentität und eine dezentrale Verfügungsmacht Einzelner über ihre Daten denkbar – etwa könnten wir dann individuell die Bedingungen in Form eines Smart Contracts hinterlegen, wer zu welchem Preis und zu welchem Zweck auf unsere persönlichen Daten zugreifen darf.
Von der Blockchain 1.0 zum Directed Acyclic Graph
Eine erweiterte Perspektive ergibt sich durch die Weiterentwicklungen der Blockchain-Technologie. Während man von der Bitcoin-Blockchain manchmal als ‚Blockchain 1.0‘ und von Ethereum, aufgrund des zugrundeliegenden, jedwede Art von Smart Contracts ermöglichenden ‚General Purpose‘-Ansatzes, von ‚Blockchain 2.0‘ spricht, hat sich mit der DAG-Technologie (Directed Acyclic Graph) eine neue Entwicklungsstufe ergeben, gewissermaßen die ‚Blockchain 3.0‘. Weniger formal streng als die vorangegangenen Ansätze, ermöglichen die ‚Gerichteten Azyklischen Graphen‘, eine Blockchain-ähnliche Struktur, in der weiterhin die Transaktionen transparent, chronologisch und unveränderbar in einem Netzwerk gespeichert werden. Statt eines komplexen Mining-Verfahrens kann die Validierung der Transaktionen aber durch andere Maßnahmen incentiviert werden, etwa indem Teilnehmer nur dann Transaktionen selbst durchführen können, wenn sie zuvor selbst mehrere Transaktionen anderer Teilnehmer überprüft und freigegeben haben. Gleichzeitig eliminiert man damit typische Probleme der Distributed-Ledger-Technologie, wie etwa den hohen Verbrauch an Energie- und Zeitressourcen beim Mining sowie potenziell auch die Vermeidung des ‚51-%-Problems‘, wonach, sobald ein einzelner Akteur mehr als die Hälfte der Mining-Macht im System erreicht hat, er dieses dominieren kann und damit die Dezentralität letztlich ‚aushebelt‘.
Blockchain im Internet der Dinge
Derartige Ansätze, wie sie beispielsweise in unterschiedlicher Ausprägung von IOTA, IOTChain, Byteball oder DAGCOIN vertreten werden, zielen vor allem auf das Internet der Dinge, wo Transaktionen zwischen einzelnen Maschinen und Geräten dezentral abgebildet werden sollen. Für diese Vorgänge ist weder Zeit noch die notwendige Energie für ein aufwändiges Mining- und Validierungsverfahren vorhanden. Zudem sind die Anforderungen an die Manipulationssicherheit hier weit weniger kritisch als das bei einem digitalen Geldsystem wie Bitcoin der Fall ist. Damit kann es grundsätzlich gelingen, einige der Kinderkrankheiten der vorangegangenen Blockchain-Protokolle zu kurieren.
Smart Contracts und Micropayment in der Sharing-Industrie
Auch wenn gleichwohl diese Ansätze derzeit ebenfalls noch mit einigen Problemen zu kämpfen haben, wäre sie perspektivisch jedoch durchaus geeignet, die Distributed-Ledger-Verfahren auf eine neue Ebene zu heben. Denkbar wäre eine Art ‚Micropayment‘ für die Sharing-Industrie, indem man die ‚Dinge‘ eigenständig miteinander kommunizieren und Verträge erfüllen lässt. Im Wege eines Smart Contracts könnte dann zum Beispiel das eigene Smartphone einen Hotspot erstellen, der es anderen Geräten automatisiert ermöglicht, diesen für WLAN-Zugriff zu nutzen. Dafür fiele dann eine Gebühr an, die dem Smartphone gutgeschrieben und dem zugreifenden Gerät belastet würde. Dies könnte dann dezentral und autonom auf Gerätebene erfolgen, ohne dass deren Besitzer hierzu eingreifen müssten.
Eine autonome ‚Maschinenwirtschaft‘?
Das Szenario lässt sich auch auf die industrielle Produktion übertragen. Wenn Maschinen eigenständig miteinander kommunizieren und in der Lage sind, dabei unabhängig vom menschlichen Eingriff Transaktionen untereinander auszuführen, führte dies zu erheblichem Veränderungspotenzial. Eine Maschine, welche zunächst für die angelieferten Rohstoffe autonom belastet wird und im Anschluss daran dann das erstellte Produkt zur Weiterverarbeitung übergibt und dafür wiederum ein Entgelt erhält – alles entsprechend transparent vermerkt auf einem Distributed Ledger – ermöglichte nicht nur eine Revolution in Buchführung und Controlling mit eigenen maschinenspezifischen Kosten- und Leistungsträgern sowie eigenen Profitcentern je Einheit. In letzter Konsequenz ergäbe sich daraus sogar eine autonome ‚Maschinenwirtschaft‘, in der intelligente Industriesysteme untereinander Prozesse und Güterströme eigenständig organisieren und abwickeln.
KI könnte Blockchain zur intelligenten Arbeitsteilung nutzen
Die Systematik ließe sich auch insbesondere auf die Organisation und die Zusammenarbeit zwischen einzelnen intelligenten Systemen beziehen. Im Moment wird oft davon ausgegangen, dass wir eine ‚generelle Künstliche Intelligenz‘, die dem Menschen auch in seiner Vielfältigkeit gleichkommt, nur schwer erzeugen können. Die meisten Künstlichen Intelligenzen sind auf sehr spezifische Probleme trainiert und daher auch entsprechend in ihrer Leistungsfähigkeit darauf beschränkt. Der Rückgriff auf Blockchain als Element Prozessorganisation könnte dann jedoch die Grundlagen für eine arbeitsteilige Ökonomie der Künstlichen Intelligenzen liefern. Stellt eine KI ihren spezifischen Arbeitsschritt fertig, so wäre es dann möglich, die Übergabe der jeweiligen Teilleistung zur Weiterarbeitung in einem Distributed Ledger zu vermerken und über einen Smart Contract an die nächste zuständige Einheit zu übergeben. Indem die entsprechenden Arbeitsprozesse lückenlos abgebildet und übergeben würden, ließe sich auf diese Weise eine intelligente Arbeitsteilung zwischen autonomen Dienstleistungen und Maschinen/Geräten organisieren.
Dezentrale Version von Uber, mit selbstfahrenden Autos, geleitet von KI?
Im Zusammenhang mit Smart Contracts wir oft die Frage diskutiert, ob sich aus diesen rigorosen ‚Wenn-dann‘-Verknüpfungen auch ganze Organisationen sogenannte DAOs (Decentralized Autonomus Organizations) errichten lassen. Diesen würden dann verbindliche Regeln verordnet, was bei Eintritt bestimmter Ereignisse zwingend zu tun ist. Diese Regeln müssen jedoch bislang von Menschen vorgegeben werden. Kombiniert man dies nun mit den Entscheidungsverfahren Künstlicher Intelligenz, zum Beispiel über Mustererkennung oder auch über ‚Reinforcement Learning‘, bei dem die KI entlang definierter Erfolgsmerkmale - zum Beispiel Gewinnmaximierung - trainiert wird und darauf aufbauend letztlich eigenständige Entscheidung trifft, könnten irgendwann tatsächlich komplett autonome Unternehmen entstehen, die unabhängig vom menschlichen Eingriff am allgemeinen Wirtschaftsgeschehen teilnehmen. An ersten entsprechenden Anwendungen wird bereits gearbeitet. Gibt es also vielleicht irgendwann eine dezentrale Version vom Taxi-Dienst Uber, der dann womöglich ausschließlich auf selbstfahrende Autos setzt, dessen Prozesse über Blockchain-Technologie organisiert werden und der auf Grundlage von Entscheidungen durch KI geführt wird?
Blockchain & KI als ‚Framework‘ der Maschinenautonomie
Natürlich ist vieles davon jetzt noch Science Fiction. Aber wenn man bedenkt, welche Energie derzeit in fragwürdige Projekte zur Abbildung der Supply-Chain auf der Blockchain oder in private Blockchains investiert wird, ist es vielleicht schon angebracht, darüber nachzudenken, wie das große Potenzial dieser Technologie wirklich sinnstiftend gehoben werden kann. Smart Contracts und Blockchain könnten das Fundament, das ‘Framework‘ einer Roboter-Autonomie bilden: KI sorgte dann für die Findung von Entscheidungen, die Distributed Ledger-Technologie für die Koordination der daraus resultierenden Handlungen.
Eigener Wirtschaftssektor autonomer Maschinen: die Industrie 5.0?
Intelligente maschinelle Systeme wären auf diese Weise in der Lage, ein Einkommen zu erzielen, sich ins ‚Krankenhaus‘ (Werkstatt) einzuweisen und Rechnungen mit dem verdienten Geld zu bezahlen. Aufgaben, für die eine KI oder Maschine nicht ausgelegt ist, können von dieser an andere ‘intelligente Organismen‘ im Blockchain-Netzwerk abgegeben werden – und zwar selbstständig, ohne dass sie ein Mensch dazu anhält. In letzter Konsequenz würde dies zu einem ‘arbeitsteiligen autonomen Maschinensystem‘ führen, einem neuen autonomen Wirtschaftssektor. Die Ideen, die man mit dem Begriff der Industrie 4.0 bislang verband – der digitalen Automatisierung – würden übertroffen und womöglich in eine neue, fünfte industrielle Revolution münden – der digitalen Autonomisierung.
Neue Aktualität für alte Ideen: Maschinensteuer & Co.
Die damit verbundenen Auswirkungen wären sehr weitreichend. Unabhängig von ihrer Bewertung gewännen viele in der Vergangenheit diskutierte – und oft verworfene – Konzepte und Ideenansätze eine neue Relevanz. Denn auf einmal würden Themen wie die ‘Besteuerung von Maschinen‘ und auch das ‘Bedingungslose Grundeinkommen‘ eine ganz andere Aktualität und womöglich auch Plausibilität besitzen.
Vortrag zum Thema von Prof. Dr. Andreas Wagener an der Hochschule Hof am 17.10.2018:
Der Artikel erschien zunächst als ausführlichere Version auf nerdwaerts.de.
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