Logistik 4.0 Wie Fabriksimulation die pünktliche Lieferung sichert

Von Wolfgang Lynen

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Die Planung einer Anlage zur Zwischenlagerung produzierter Güter kann zu einer anspruchsvollen Aufgabe werden, denn der anvisierte Durchsatz muss möglich sein. Für solche Materialfluss-Systeme nutzt Güdel eine 3D-Fabriksimulation, um auch Zykluszeiten und Auslastungen zu analysieren.

Zur Sortierung, Zwischenlagerung und Palettierung von Reifen für die Auto­mobilindustrie entwickelte Güdel eine Automatisierungslösung mithilfe einer 3D-Fabriksimulation.
Zur Sortierung, Zwischenlagerung und Palettierung von Reifen für die Auto­mobilindustrie entwickelte Güdel eine Automatisierungslösung mithilfe einer 3D-Fabriksimulation.
(Bild: Visual Components)

Stellen Sie sich vor, Sie müssten als Hersteller jeden Tag 12.000 Reifen an einen Automobilhersteller liefern, und zwar just in time und just in sequence – also genau in der Reihenfolge, wie die Autos auf dem Band montiert werden und wie es die Kunden bestellt haben. Und das bei zahlreichen unterschiedlichen Reifentypen. Dann bräuchten Sie ein gut organisiertes Zwischenlager und eine ausgeklügelte Logistik. Als Hersteller muss man das nicht selbst übernehmen; dafür gibt es Spezialfirmen, die solche anspruchsvollen Aufgaben beherrschen.

Einer von ihnen ist die Güdel Group, mit Hauptsitz in Langenthal in der Schweiz. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Automations-, Linear- und Antriebstechnik. Seit seiner Gründung im Jahr 1954 ist es im Besitz der Eigentümerfamilie. An weltweit über 30 Standorten arbeiten inzwischen rund 1200 Mitarbeitende für Güdel. Die Produktpalette reicht von Linearführungen, Zahnstangen, Ritzeln und Getrieben über Linearachsen bis hin zu Portalrobotern.

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Güdel bietet neben solchen Automatisierungskomponenten auch Komplettanlagen, zum Beispiel für die Herstellung von Bauelementen für Fertighäuser, für die Palettierung von Lebensmitteln und für die Lagerung, Sortierung und Kommissionierung von Produkten aller Art. Ein Beispiel für eine solche Anlage ist eine von Güdel geplante Automatisierungslösung für die Sortierung, Lagerung und Palettierung von Reifen nach der Fertigung bis zum Versand.

Reifensortierung durch Zwischenlagerung im Puffer

Zurück zum Beispiel: Sobald die Reifen produziert sind, gelangen sie in zufälliger Reihenfolge über die Infeed-Fördertechnik zunächst zu einem Barcodescanner, der den Barcode des Reifens ausliest und an den Materialflussrechner sendet. Dieser entscheidet, zu welchem Puffer der Reifen gehen soll. Dann entnimmt die für den Puffer zuständige Portalbrücke den Reifen und ein Greifer, der sich an Linearachsen und Portalen über den Lagerbereich bewegt, legt ihn auf einen bestehenden Stapel desselben Typs oder bildet einen neuen Stapel. Aus Stabilitätsgründen ist die Stapelhöhe auf maximal 1,6 m Höhe begrenzt. Innerhalb des Puffers, in dem bis zu 8000 Reifen Platz finden, wird ein Reifentyp so lange zwischengelagert, bis genügend Reifen vorhanden sind, um eine komplette Palette für den Abtransport zu füllen. Sobald ein kompletter Reifensatz fertiggestellt ist, wird der Stapel von einem Greifer erfasst und zu einer Palettiereinheit transportiert.

Um den geforderten hohen Durchsatz von 12.000 Reifen pro Tag zu erreichen, sind mehrere Greifer an mehreren Portalbrücken im Einsatz. Diese Greifer bewegen sich dabei mit Geschwindigkeiten bis zu 3,5 m/s in der Y-Achse und Beschleunigungen bis zu 5 m/s² in der Z-Achse.

Obwohl in solchen Anlagen viele Standardkomponenten von Güdel zum Einsatz kommen, handelt es sich doch jeweils um eine kundenspezifische Aufgabe, denn die Größe der Halle, die Abmessungen und Gewichte der zu palettierenden Güter und die Anforderungen an den Durchsatz sind jedes Mal unterschiedlich. Die Komplexität und die hohen Anforderungen an Zuverlässigkeit und Durchsatz machen es erforderlich, eine leistungsfähige Lösung für die Fabrikplanung und Simulation zu verwenden. Güdel hat mit der Lösung von Visual Components ein ideales System gefunden. Mit der Software zur 3D-Fabriksimulation des finnischen Herstellers kann Güdel seine Produktionslösungen entwerfen, simulieren und validieren.

Virtuelle Anlagenplanung auf Basis des 2D-Layouts

Ausgangspunkt bei der Planung einer solchen Anlage ist üblicherweise ein 2D-Layout, das mit dem Kunden abgestimmt wurde. Ausgehend von diesem Entwurf werden Fabrikkomponenten zu einer Anlage zusammengestellt. Dabei kann man einerseits auf die von Visual Components mitgelieferte Bibliothek zugreifen; andererseits hat Güdel aber auch zahlreiche Komponenten (Güdel Smart Components wie Linearachsen, Portale und Roboter) selbst erstellt und in eine benutzerdefinierte Bibliothek eingestellt.

Da in solchen Projekten die Verfahrwege der Brücken sehr dynamisch sind, wird die Simulationslogik mit Python abgebildet. Dafür hat Güdel eine eigene Python-Bibliothek entwickelt, die auf den Geschäftsbereich „Sorting and Palletizing“ zugeschnitten ist. Dank all dieser Bibliotheken können die Planungszeiten für solche Anlagen auf einen Bruchteil reduziert werden.

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Performanceprobleme in der Anlage frühzeitig entdecken

Jonathan Camenzind von der Abteilung „Software Technologies“ der Güdel AG kümmert sich zusammen mit seinen Kollegen um die Software von Komplettanlagen, also die Programmierung von Materialflussrechner und Lagerverwaltungssystem. Dazu wurde der Teil der Anlage, der in den Zuständigkeitsbereich von Güdel fällt, komplett mit Visual Components abgebildet. So konnte die Anlage vollständig virtuell gemäß der Spezifikation gebaut werden, man konnte Statistiken sammeln und mögliche Performanceprobleme in der Anlage frühzeitig entdecken und beseitigen.

„Einen großen Teil meiner Arbeitszeit widme ich der Erstellung von 3D-Simulationen mit Visual Components“, sagt Camenzind. „Mithilfe von Visual Components haben wir für dieses Projekt eine detaillierte Simulation erstellt. Dadurch konnten wir unter anderem Zykluszeiten, Portalauslastungen und Pufferauslastungen in diversen Szenarien genau analysieren.“

Die Simulation weiß, ob die Anlage die Anforderungen erfüllt

Wie kann Güdel sicherstellen, dass die Anlage die vom Kunden geforderte Leistung erbringt? Genau darin sieht Camenzind einen der wesentlichen Vorteile der Fabriksimulation mit Visual Components: „Dank der Auswertungen von Zykluszeiten und Auslastungen der Portalbrücken konnten wir sicherstellen, dass die Anlage den Anforderungen des Kunden in Bezug auf den Durchsatz gerecht wird. Durch die Simulation wurde außerdem ersichtlich, dass die Anzahl der Pufferplätze ausreichend ist.“

Der Aufwand, den Güdel für die Simulation betreiben muss, ist überschaubar. „Dank der Bibliotheken von Visual Components und der Ergänzungen durch Güdel betragen die Entwicklungszeiten für solche Projekte nur noch einen Bruchteil der bisher dafür benötigten Zeit“, so Camenzind. „Mithilfe der Smart Components in der Software von Visual Components kann ich beispielsweise ganz einfach die Lager, Brücken, Infeeds und Outfeeds visuell untereinander verbinden. Für die erste Version der kompletten Anlage inklusive der Programmierung von Materialflussrechner und Ähnlichem habe ich nur rund 100 Stunden aufgewendet. Für weitere Szenarien kamen in den folgenden Wochen dann noch rund 80 Stunden dazu.“

Auch der Kunde war von der Lösung angetan, so Camenzind. Es erhöht das Vertrauen des Kunden auf den Anlagenbauer, wenn er eine ausgefeilte Simulation der geplanten Anlage sehen kann. Und das trägt sicher auch dazu bei, Aufträge zu gewinnen und die Grundlage für weitere Erfolge in der Zukunft zu legen.

Der Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal MM Maschinenmarkt erschienen.

* Wolfgang Lynen ist freier Autor. Weitere Informationen: Chris Douglass, Geschäftsführer bei der Visual Components GmbH in 80687 München.

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