Evolution der Mensch-Maschine-Interaktion Wenn Erwartungen von Privat- und Geschäftsleben verschmelzen
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Wir bewegen uns immer weiter in eine nahtlose, digitale Parallelwelt. Die Verzahnung von Mensch und Maschine, im Privatleben und der Industrie, nimmt dabei rasant zu. Den neuen Anforderungen und Veränderungen können sich Unternehmen nicht verschließen.

Wir lassen uns in den verschiedensten Lebensbereichen digital unterstützen. Siri oder Alexa schalten uns auf Zuruf das Licht aus, spielen die gewünschte Musik oder übermitteln unserem Navigationsgerät im Auto das Fahrtziel, noch bevor wir überhaupt eingestiegen sind. In der Industrie lassen wir uns remote mit der AR-Brille durch Maschinenräume leiten. Konferenzräume und Großraumbüros werden virtuell eingerichtet.
Immenser Einfluss auf die Evolution der Mensch-Maschine-Interaktion kommt zudem von rechtlicher Seite: die Umsetzung der EU-weiten Richtlinien zur Barrierefreiheit. Nach der Richtlinie 2019/882/EU müssen bis zum 28. Juni 2025 Produkte und Dienstleistungen barrierefrei nutzbar sein. Vor diesem Hintergrund sind alte Interaktionsmuster nicht mehr ausreichend, um diese digital und inklusiv für Endnutzer, Geschäftskunden und Mitarbeitende zu übertragen.
Erneuerung von Altsystemen
Die Erneuerung von bestehenden Systemen beginnt oft mit dem Gedanken, dass die darunter liegende Technologie modern und zukunftsfähig gebaut werden soll. Hier lauert die erste Gefahr: Häufig werden die Anforderungen des alten Produktes als Grundlage für das neue übernommen. Das alte Produkt, das nicht selten vor Jahrzehnten entwickelt wurde, wird lediglich mit neuen Bausteinen nachgebaut. Heute haben sich jedoch die Erwartungen, aber auch die Aufgaben und Ziele der Kunden und Nutzer verändert, für die das neue System gebaut werden soll.
Wo früher eine Texteingabe per Tastatur oder Mausklick ausgereicht hat, interagieren Nutzer und Geschäftskunden heute auch im privaten Umfeld mit automatisierten digitalen Assistenten wie Voice Control mit Alexa oder Siri, um zum Beispiel Einkäufe zu tätigen. Auch Virtual und Augmented Reality integrieren sich immer mehr in den Alltag.
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Machine Learning
Wie weit greift Künstliche Intelligenz in den Ingenieursalltag ein?
Diese neuen Arten der Interaktionen im privaten Leben beeinflussen die Erwartungen an das berufliche Umfeld, in dem ebenfalls die einfache, intuitive Handhabung erwartet wird. Die Nutzungsfreundlichkeit des privaten Onlinebanking setzen viele dann auch von der Buchhaltungssoftware voraus. Wer Kleidung ganz einfach im Onlineshop bestellen kann, kann nicht nachvollziehen, warum diese Einfachheit nicht beim nächsten Autokauf und bei den hoch spezialisierten Ersatzteilen im industriellen Umfeld funktionieren sollte. Was bedeutet das für die Entwicklung von digitalen Produkten und Services?
Quo vadis, Software Product Development?
Die Geschwindigkeit und auch die Art der Veränderungen erfordern eine neue Herangehensweise, die so in der traditionellen Softwareentwicklung bisher nicht alltäglich war. Das beeinflusst vor allem die Designprozesse, da diese schnell auf Veränderung reagieren können müssen. Zum anderen betrifft es das Kreieren der immer komplexeren Nutzungsinteraktionen, da immer mehr Interaktionsdimensionen eingebunden werden müssen.
Dafür müssen sich Software- und Produktentwickler selbst weiterentwickeln und sich ein neues Skillset erarbeiten, um für die folgenden Herangehensweisen gerüstet zu sein:
Das Kundenerlebnis bestimmt die Produktentwicklung
Amazon, Netflix und Tesla ist gemein, dass sie nicht nur disruptiv, sondern auch sehr stark kundenorientiert sind. Sie gestalten die Technologien so um, dass sie ihren Kunden bessere Produkte und Services mit einem entsprechend höheren Mehrwert bereitstellen können. Dafür muss die Produkt- und Servicestrategie Kunden- und Nutzer-zentriert entwickelt werden.
Ausrichtung der Produktvision auf den Mehrwert für Kunden
Die Wertwahrnehmung von Kunden ist unbeständig und kurzlebig. Die Herausforderung besteht darin, dass die digitalen Services es schaffen müssen, die Wertwahrnehmung positiv zu verändern oder sogar zu beeinflussen. Umso wichtiger ist es, zügig in den Design-Build-Measure-Learn-Zyklus einzusteigen und eine End-to-End-Lösung anzubieten, die einen klaren Fokus behält, aber erweitert werden kann. Discovery und Delivery müssen wie in der Dual-Track-Agile-Methode kontinuierlich parallel laufen, sodass Teams und Organisationen mit Unsicherheit und Wandel zurechtkommen und sicherstellen, dass sie die Kompetenz erhalten, iterativ, analytisch, kreativ, innovativ sowie lösungs- und umsetzungsfokussiert zu arbeiten.
Digitale Komplexität erfordert einen neuen Führungsstil
Der Erfolg hängt von mutiger Führung, transformativem und disruptiven Denken und einer Null-Toleranz-Politik gegenüber internen Silos ab, die der Agilität und Geschwindigkeit im Wege stehen. Business as usual hilft hier nicht weiter. Es braucht neue Ansätze, die der zunehmenden Volatilität – wirtschaftlich, gesellschaftlich, politisch wie technologisch - gewachsen sind. Hinzu kommt, dass Führungskräfte im Sinne von Servant Leaderships dem Team Freiräume und Entwicklungsmöglichkeiten geben müssen, damit diese ihre Kreativität und Stärken nutzen können, damit sie neue Lösungsansätze entwickeln können. Statt top-down Entscheidungen zu treffen, sollten Teams in der Lage sein, flexibler und eigenständiger zu entscheiden.
Cross-funktionale Zusammenarbeit: Design as a Team
Eine ausgewogene Teamzusammensetzung ist für eine effektive Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Paare aus Designern und Entwicklern sind in der Regel die treibende Kraft eines auf diese Weise zusammengesetzten Teams. Was könnten wir lernen, wenn sich Qualitätsanalysten und Designer zusammentun würden? Oder Produktmanager und Entwickler? Interdisziplinarität schafft Perspektiven, die weit über das bisher Denkbare hinausgehen.
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Smart Home
Zahl von IoT-Geräten pro Haushalt wächst
Potenzial der Mensch-Maschine-Interaktion
In der rasanten Entwicklung und der immer tiefgreifenderen Verschmelzung im Zusammenspiel von Mensch und Maschine steckt weitreichendes Potenzial: Sie kann Prozesse vorantreiben, indem sie Technologie mit menschlichen Fähigkeiten und Einfallsreichtum intelligent vereint. Dafür sind Produkte erforderlich, die einen einzigartigen Mehrwert liefern, der die Erwartungen übererfüllt. Eine einfache Optimierung des Kundenerlebnisses reicht für eine nachhaltige Differenzierung nicht aus. Zudem lassen sich solche Erlebnisse von Mitbewerbern leicht nachbilden. Die Kunst liegt darin, die Kernkompetenzen des Unternehmens mit neuen Technologien so zu kombinieren, dass völlig neue Produkte und Services entstehen.
Wandel wird ein beständiger Begleiter bleiben. Auch wenn ein gewisses Maß an Anbieterbindung nicht zu vermeiden ist, weder bei der Hardware noch bei den zugrunde liegenden Daten: Eine Plattform, die heute noch die beste Wahl ist, ist in naher Zukunft vielleicht schon nicht mehr die optimale Lösung, denn sowohl das Ökosystem als auch die Bedürfnisse der Nutzer verändern sich. Hier verbergen sich enorme Risiken für Unternehmen: Wenn die Veränderung der Bedürfnisse ignoriert wird und sich die Produkte und Services nicht anpassen, lehnen Nutzer diese schnell ab und verweigern sich. Unternehmen kommen nicht umhin, einen kollaborativen und iterativen Prozess mit kontinuierlicher Weiterentwicklung zu implementieren, um am Puls der Kunden zu bleiben und mit dem begehrenswertesten Produkt oder der besten Nutzungserfahrung zu punkten. Ziel ist nicht die perfekte Endversion eines Produktes, sondern eine dynamische Produktversion.
* Sabrina Mach ist Head of Customer Experience, Product and Design bei Thoughtworks Deutschland.
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