Expertenbeitrag

Dipl.-Ing. Steffen Himstedt

Dipl.-Ing. Steffen Himstedt

Geschäftsführer

Smart Factory Was zeichnet eine Smarte Fabrik aus?

Autor / Redakteur: Steffen Himstedt / Clara Hartmann

Innovationen und intelligent ineinandergreifende Prozesse von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Service entstehen nicht per Zufall. Ein Mix aus fünf Zutaten ist nötig, um ein einzigartiges Erlebnis beim Kunden hinterlassen zu können.

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Welche Zutaten werden für den Aufbau einer Smart Factory benötigt?
Welche Zutaten werden für den Aufbau einer Smart Factory benötigt?
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Die digitale Transformation und die Technologien der Digitalisierung bringen enorm viele neue Möglichkeiten und Chancen mit sich. Zum einen können sie für eine kontinuierliche und sogar sprunghafte Verbesserung von Methoden und Prozessen eingesetzt werden, zum anderen sorgen sie aber auch für eine bessere Qualität, weniger Ausfallzeiten und optimierten Service. Sie bieten Möglichkeiten für neue Produkte und smarte Funktionen.

Aber welche Zutaten sind der Schlüssel zu einer smarten Fabrik? Im Grunde gehen alle Erfolgsmodelle auf fünf wenige Zutaten zurück, die da wären:

1. Die IoT Platform

2. Der Digitaler Zwilling

3. Die Skalierbare Business Plattform

4. Die AI Plattform

5. Mixed Reality

1. Die IoT Plattform

Die Plattform für das Internet der Dinge ist eine sehr entscheidende Zutat. Im Kern unterscheiden sich die digitalisierten Angebote dadurch, dass die Produkte, Anlagen und Services miteinander vernetzt sind und so interagieren. Die Maschinen stimmen sich untereinander ab, welche gerade Kapazitäten für den nächsten Auftrag hat, Störungen werden durch Zustandsüberwachung prädiktiv erkannt, bevor es zum Ausfall kommt. Smarte Produkte bieten mehr Funktionalität und vor allem einen größeren Komfort bei der Nutzung. All dies wird möglich durch die Vernetzung über eine Plattform, die die Daten sammelt, aggregiert und für ein menschliches Verständnis visuell aufbereitet. Die notwendigen Standards für die offene Kommunikation mit der Plattform sind heute bereits vorhanden und verbreitet. Als Beispiele können hier OPC-UA und MQTT genannt werden.

2. Der Digitale Zwilling

Das Herzstück der digitalen Transformation: Ein Digitaler Zwilling ist die virtuelle Live-Abbildung eines physischen Objekts. Er zeigt die physischen Eigenschaften und den Geschäftskontext des realen Objekts, beispielsweise einer Anlage, vom ersten Plan über den Entwurf, die Konstruktion und Produktion bis hin zum Ende des Lebenszyklus. Dafür muss zunächst ein Modell des realen Objektes erstellt werden. Da die Modelle bereits in der Planung beim Hersteller entstehen, werden sie idealerweise über eine Plattform ausgetauscht, damit keine Dubletten oder Silos entstehen. Wird dieses Modell nun mit den Performance-Daten aus der IoT Plattform verknüpft, wird der Digitale Zwilling zum Leben erweckt und die reale Welt kann abgebildet werden. Der Digitale Zwilling muss den Grundregeln Verfügbarkeit, Beherrschbarkeit, Vernetzung und Vertrauen entsprechen, um anerkannt und akzeptiert zu werden.

Er wächst mit der Lebensdauer und gewinnt immer mehr an Wert. Wir nennen es das Add- und Re-Use Prinzip. Das bedeutet die vorhandenen Informationen. die beispielsweise aus der Konstruktion stammen, werden verwendet und ergänzen so die digitale Lebenslaufakte in der Produktion mit den verwendeten Chargen und Testergebnissen. Im Service gilt das gleiche Prinzip: Nutze das Vorhandene und ergänze es mit as-maintained-Daten.

3. Die Skalierbare Business Plattform

Damit aus neuen Technologien auch erfolgreiche Geschäftsmodelle werden, bedarf es der Integration in Ende-zu-Ende-Geschäftsmodelle. Wer hier neue Silos und komplexe Schnittstellen vorsieht, wird dem Tempo und dem Wettbewerb nicht standhalten können. Es gilt die Transparenz von der Entwicklung über Einkauf und Produktion bis zum Kundenservice sicherzustellen. Eine smarte Produktion muss wissen, welche Waren bestellt und auf Lager sind, die Entwicklung sollte sich dafür interessieren, wie die aktuelle Produktvariante beim Kunden im Einsatz ist. Die IoT-Plattform gibt Auskunft darüber, der Service-Anbieter sollte schon mit dem Ersatzteil vor dem Werkstor stehen, bevor die Maschine ausfällt.

Wenn das Endprodukt nicht mehr verkauft, sondern nur noch dessen Leistung abgerechnet wird, muss der Hersteller in Echtzeit wissen, wie viel Leistung beim Kunden abgerufen wurde. Darüber hinaus ist dafür zu sorgen, dass das Produkt beim Kunden auch einsatzbereit ist. Ohne eine durchgängige Business Plattform wäre dies wohl kaum realisierbar.

4. Künstliche Intelligenz

Nur mit der Hilfe von KI gelingt es, die vorhandenen Datenmengen zu analysieren, die über die IoT Plattform zum Digitalen Zwilling anfallen, sowie ein individuelles Kundenerlebnis auf Datenbasis des Nutzerverhaltens anzubieten. Darauf basierende Algorithmen helfen, die Qualität eines Produktes zu beurteilen oder den Gesundheitszustand der Maschine zu erkennen und dem Instandhalter kontextbasiert die richtigen Wartungsanweisungen anzuzeigen. KI verändert auch die Nutzung von smarten Produkten, aus den Parametern wie Umgebung, Nutzer und Uhrzeit können die wahrscheinlich jetzt gewünschten Anwendungen priorisiert angeboten werden. Wenn die Maschine wegen einer Störung still steht, will der Werker wohl die Maschinenstörung beheben und nicht den nächsten Auftrag auf die Maschine laden. Wesentliche Inhaltsstoffe wie Maschinelles Lernen sind wichtiger Bestandteil von KI und Deep Learning.

Eine weitere nennenswerte Anwendung der KI ist die intelligente robotergesteuerte Prozessautomatisierung (Robotic Process Automation, RPA). Hierbei handelt sich nicht um bekannte Fertigungsroboter, sondern um Softwareroboter, bzw. BOTs, die automatisiert die notwendigen Schritte eines Prozesses umsetzen. Beispielsweise könnte ein mit einer entsprechenden Kamera aufgenommenes Typenschild einer Anlage durch Bilderkennung dafür sorgen, diese Anlage als Digitalen Zwilling anzulegen. Sprach- und Chat BOTs könnten als Assistenten auch gewisse Prozessschritte übernehmen – das Stichwort ist hier: #Hyperautomation.

Interessant ist auch, KI heißt solange KI, bis daraus eine Anwendung entstanden ist, dann findet sich die KI in der Bilderkennung, Predictive Analytics, Sprachsteuerung usw. als Kernbestandteil im Hintergrund wieder.

5. Mixed Reality

Die letzte Zutat wirkt ein wenig wie das Sahnehäubchen oben drauf, die erweiterte Realität oder Multiexperience durch den Einsatz von unterschiedlichen Technologien wie Augmented Reality, Mixed Reality, Virtual Reality. Als Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine fördern sie quasi ihre virtuelle Verschmelzung und unterstützen die Interaktion auf ganz natürliche Weise durch Bewegung, Blicke, Gesten und Sprache, so wie die Menschen seit Jahrmillionen miteinander kommunizieren.

Üben, üben, üben

Bekanntlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, in welcher Reihenfolge und in welchem Verhältnis man diese Komponenten nun idealerweise miteinander vermengt kann man erlernen. Viel wichtiger ist aber noch das Vielfache ausprobieren und testen durch Prototypen oder Minimum Viable Products (MVPs), also neue Ideen und Innovationen zunächst einmal nur in der Basisfunktionalität realisieren, mit Kunden testen und dann weiterentwickeln.

Bei allen Bemühungen und der Liebe zu den feinsten Zutaten sollte man aber nie die Kundenbrille ablegen und sich immer fragen: Wie mache ich mein Produkt oder meine Leistung für den Nutzer attraktiver? Wie begeistere ich den Kunden sofort und nachhaltig?

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