Kreislaufwirtschaft Von Abfall zu Wert: Wie Manufacturing-X die Fertigungsindustrie revolutioniert
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Der Wandel von linearen zu kreislauforientierten Wirtschaftsmodellen ist unvermeidlich und Datenökosysteme sind hierbei der Schlüssel. Durch Vernetzung und Transparenz entlang der Wertschöpfungskette können Firmen die Kreislaufwirtschaft effizienter gestalten und beschleunigen.

Ist Ihnen der Earth Overshoot Day ein Begriff? So nennt sich der Tag, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat. Das heißt, alle Rohstoffe, die die Erde innerhalb eines Jahres regenerieren kann. 2023 fällt er auf den 27. Juli. In Deutschland war dieser bereits am 4. Mai. Leider rückt dieser Warntag im Kalender jedes Jahr ein wenig nach vorn. Denn seit 1970 hat sich der globale Rohstoffverbrauch mehr als verdreifacht. Wenn wir nicht gegensteuern, wird sich der Verbrauch bis 2060 verdoppeln, prognostiziert die OECD. Die Folge: Der erhöhte Ressourcenverbrauch beschleunigt den Klimawandel weiter. Denn gut die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen verursachen wir, weil wir Rohstoffe gewinnen und linear verarbeiten. Das geht auch anders: Laut McKinsey kann beispielsweise das Recycling von Stahl den aktuellen Kohlendioxidausstoß um bis zu 60 Prozent senken. Da die Industrie in Deutschland für gut ein Fünftel der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, muss sie dringend Stoffkreisläufe schließen und Materialien sowie Rohstoffe wiederverwerten.
Kreislaufwirtschaft stärkt Resilienz
Ob Aluminium, Stahl, Kupfer, dazu Lithium, Kobalt, Nickel oder Seltene Erden: Die Liste der für die Industrieproduktion notwendigen Rohstoffe ist lang und die Metalle oder chemischen Elemente sind viel zu kostbar, um sie nur einmal zu verwenden. Auf diese Herausforderung hat die Politik bereits reagiert: Die EU will mit ihrem Aktionsplan das zirkuläre Wirtschaften stärken, auch für das Bundeswirtschaftsministerium (kurz: BMWK) zählt die Kreislaufwirtschaft neben Diversifizierung und Nachhaltigkeitsstandards zu den wesentlichen Bestandteilen einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung. Stand bislang der Umweltgedanke im Vordergrund, weil Abbau und Weiterverarbeitung natürlicher Ressourcen die natürlichen Vorkommen erschöpfen, gibt es nun ein zusätzliches Momentum. Mit dem Ukraine-Krieg und den Spannungen mit China hat die zirkuläre Wirtschaft eine neue Dringlichkeit gewonnen. Es geht darum, die Widerstandskraft der Supply Chains zu stärken.
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Studie
Vielen Unternehmen fehlt eine Nachhaltigkeitsstrategie für ihre IT
Wegwerfwirtschaft können wir uns nicht leisten
Das zirkuläre Prinzip ist nicht neu: Bereits in den 1980er-Jahren sprach Walter R. Stahel von den Wettbewerbsvorteilen einer Kreislaufwirtschaft. William McDonough und Michael Braungart forderten 2002 mit „Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things“ beim Herstellungsprozess unserer Produkte radikal umzudenken. Davon kann bislang keine Rede sein: Der Circularity Gap Report, der weltweit den Grad der Kreislaufwirtschaft misst, geht davon aus, dass mehr als 90 Prozent der jährlich 100 Milliarden Tonnen verarbeiteten Rohstoffe anschließend im Müll landen. Dass sich der Anteil der tatsächlichen Kreislaufwirtschaft in Deutschland dann doch auf rund zwölf Prozent der insgesamt genutzten Rohstoffe hochschraubt, verdanken wir vor allem Pfandflaschen und Altpapier.
Ressourcenschonend produzieren: So geht’s
Wenn Unternehmen eine zirkuläre Produktionsweise erreichen möchten, dann müssen sie das regenerative Prinzip in allen Phasen der Wertschöpfung berücksichtigen: von der Konzeption der Produkte und Services über die Herstellung bis hin zum Verbraucher. Das volle Potenzial der Kreislaufwirtschaft lässt sich nur heben, wenn wir jedes Teil der Wertschöpfung im Unternehmen zirkulär denken. Das heißt aber auch, dass den Unternehmen über alle Stufen der Wertschöpfung klar sein muss, wer welche Ressourcen in welchen Prozessen eingesetzt hat. Damit wird Digitalisierung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zur Notwendigkeit. Denn nur sie schafft die nötige Transparenz: Wenn zum Beispiel die Bestandteile eines Autos wieder in den Kreislauf eingespeist werden sollen, müssen Unternehmen nachhalten, wie sie produziert wurde. Wir brauchen die exakten Materialmengen, müssen wissen, wie sie genutzt und gewartet wurde.
Warum diese Nachverfolgbarkeit entscheidend ist, lässt sich auch gut am Beispiel der Leichtbauprodukte zeigen. Sie basieren auf komplexen Verbundwerkstoffen. Es ist sehr kompliziert, sie sortenrein in die ursprünglichen Grundstoffe zu zerlegen. Ohne solide Datenbasis sogar unmöglich. Bei solchen Composites sollten wir bereits in der Produktentwicklung an ein recyclingfähiges Design denken – und dazu müssen alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten ihre Informationen preisgeben. Derzeit kämpfen Unternehmen noch mit großen Schwierigkeiten, wenn sie Materialien aus verschiedenen Wertstoffströmen in einer gleichbleibend hohen Qualität für den Kreislauf bereitstellen wollen.
Manufacturing-X: Zirkuläre Wirtschaft braucht sichere Datenräume
Solange es Unternehmen an validen Daten fehlt, werden sie das Potenzial der Kreislaufwirtschaft nicht ausschöpfen können. Hier muss die Industrieinitiative Manufacturing-X, die sich auf dem Digitalgipfel im Dezember erstmals präsentierte, ansetzen. Ähnlich wie Catena-X dies für die Automobilbranche vormacht, kann dieses Datenökosystem verschiedenen Industrien dazu verhelfen, einen sicheren, selbstbestimmten und schnellen Austausch von Daten zwischen branchenspezifischen Wertschöpfungsnetzwerken zu ermöglichen. Weil solche Datenökosysteme den teilnehmenden Unternehmen Datensouveränität garantieren, lässt sich der Ist-Zustand, in dem sich die Produktinformationen auf viele Stakeholder verteilen, leichter überwinden als bislang. Manufacturing-X wird bald Fahrt aufnehmen. Unternehmen jeder Größe können jetzt überlegen, wie sie sich ins Netzwerk einbringen, Daten bereitstellen und Daten nutzen.
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Design und Nachhaltigkeit
Mit dem digitalen Zwilling und nachhaltigem Produktdesign ein besseres Geschäft aufbauen
Netzwerken und umdenken
Derzeit teilen Maschinenbauer oder Fabrikausrüster ihre Daten noch zu selten: Datenaltruismus liegt Unternehmen verständlicherweise fern. Mitunter fehlt es an Willen und der richtigen Technologie, um Datensouveränität weiter gewährleisten zu können und ein Preisschild an die geteilten Daten hängen zu können. Viele Stakeholder verweigern sich der Transparenz aus Angst, sensible Geschäftsgeheimnisse zu verraten. Daher muss, wer die Zirkularitätsraten signifikant erhöhen will, den Unternehmen nicht nur sichere Datenräume und Netzwerke zum Teilen von Daten anbieten und an gemeinsamen Standards arbeiten. Sondern auch das Umdenken in den Unternehmen fördern: Datenökosysteme werden das zentrale Element für nachhaltige Geschäftsstrategien.
Von Vorbildern lernen
Manufacturing-X will ein Datenökosystem aufbauen, das so unterschiedliche Branchen wie Chemie, Elektrotechnik, Maschinenbau und Textil verbindet. Selbst die Automobilindustrie kann sich anschließen. Orientieren kann sich die Initiative an Catena-X. T-Systems und der Data Intelligence Hub der Deutschen Telekom waren hier von Anfang an mit von der Partie. Wir wissen daher, dass Catena-X für Manufacturing-X auch in Sachen Kreislaufwirtschaft ein Vorbild sein kann: So wurde bei Catena-X für die Automobilindustrie eine Infrastruktur für digitale Zwillinge aufgebaut. Der Vorteil: Darüber tauschen Unternehmen ihre Informationen über den Zustand von Bauteilen mit Lieferanten und Kunden aus und können auf dieser Basis Teile und Komponenten ordnungsgemäß wiederverwerten. Wenn wie bei Catena-X der sichere Austausch gewährt ist und die Unternehmen souverän entscheiden können, mit wem sie ihre Daten teilen, ist das ein Modell, das sich auch für die Fertigungsbranche und damit für Manufacturing-X eignet. Positiver Nebeneffekt: Mit Manufacturing-X lässt sich die Digitalisierung von kleineren und mittleren Unternehmen noch weiter vorantreiben.
Lässt sich zirkuläre Wirtschaft skalieren?
Wenn wir mittelfristig aus der linearen Wirtschaft aussteigen wollen, uns auf Werterhalt konzentrieren und den Materialeinsatz in der Produktion reduzieren wollen, sind dezentrale Datennetzwerke eine Notwendigkeit. Wir können gemeinsam andere Designs und Prozesse konzipieren, mehr Produkte entwickeln, die sich reparieren oder regenerieren lassen. Zur weiteren Skalierung der Circular Economy in Deutschland brauchen wir sektorenübergreifende Kollaborationen: Denn nur gemeinsam kommen Unternehmen zu überzeugenderen Innovationen. In Wertschöpfungsnetzwerken fällt es leichter, sich neue Geschäftsmodelle zu erschließen und sich resilienter, weil nachhaltiger, zu positionieren.
* Adel Al-Saleh ist Vorstandsmitglied der Deutsche Telekom und CEO von T-Systems.
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