Ethernet/IP-Kommunikation Victoria’s Secret Superyacht mit I/O-Modulen modernisiert

Autor / Redakteur: Maarten Rambach* / Sariana Kunze

Im Zuge einer kompletten Überarbeitung der 20 Jahre alten Superyacht Limitless hat der niederländische Schiffsausrüster Akerboom Yacht Equipment die gesamte Automatisierungstechnik auf den neuesten Stand gebracht. Zwei Steuerungen und ein Ethernet/IP-Netz ersetzen die Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung der Yachtanlagen. Viele Schaltschränke sind jetzt überflüssig.

Anbieter zum Thema

Auf der Superyacht Limitless haben IP69K-Block-I/O-Module TBEN von Turck klar Schiff gemacht.
Auf der Superyacht Limitless haben IP69K-Block-I/O-Module TBEN von Turck klar Schiff gemacht.
(Bild: Turck)

Die Limitless gilt als Superyacht und belegt mit ihren rund 97 m Länge Platz 38 der Weltrangliste der längsten Superyachten. Das Schiff wurde 1997 bei der Lürssen-Werft in Bremen gebaut. Sie war die erste Yacht, die von einer Kombination aus Diesel- und dieselelektrischem Antrieb angetrieben wird. Die installierte Elektronik und Automatisierungstechnik war damals auf dem modernsten Stand, doch mit den Jahren ist viel am Markt passiert und Defekte machten eine Modernisierung notwendig. Zumal die elektrischen Einrichtungen der Yacht eher 24 Jahre alt sind, da sie kurz nach Baubeginn der Yacht installiert wurden. Vom Baubeginn bis zur Fertigstellung eines Schiffs dieser Größenordnung vergehen ungefähr vier Jahre.

Bildergalerie
Bildergalerie mit 8 Bildern

Das Schiff verfügt über zwei Boarding-Leitern, zwei kleine Plattformen, die aufs Wasser gesenkt werden können und zwei großen Plattformen. Eine davon öffnet sich, um ein kleines Boot, den sogenannten Tender, zu Wasser zu lassen. Die andere am Heck kann als Schwimmplattform auf die Wasseroberfläche gesenkt werden. Zum Ausfahren der Schwimmplattform öffnet sich das Heck des Schiffs und die Plattform klappt sich aus. Außerdem verfügt das Schiff noch über eine Gangway am Heck, die sich ebenfalls aus dem Rumpf des Schiffes ausfahren lässt. Über sie kann man heckseitig auf die Yacht gelangen. Zusätzlich verfügt die Yacht über zwei Kräne: Einen am Bug, um das MOB-Boot (Man Over Board) zu Wasser zu lassen und einen, der den Tender ins Wasser heben kann. Nicht zu vergessen der Swimmingpool, der sich durch absenken eines Teils des Teakholzbodens auf dem Hauptdeck öffnet. Außerdem kommen noch die zahlreichen automatisch betriebenen und gesicherten Türen der Yacht hinzu. All diese Einrichtungen sind hydraulisch betrieben. Eine moderne Steuerungstechnik war beim Bau der Limitless noch nicht installiert worden. Mit Relaiskonstruktionen und einfachen Punkt-zu-Punkt-Verbindungen wurden die Einrichtungen gesteuert.

Industriesteuerungen ersetzen Insellösungen auf See

In den letzten Jahren häuften sich Defekte an den beweglichen Einrichtungen der Yacht. Und auch die funktionierenden beweglichen Elemente entsprachen nicht mehr dem Stand der Technik. Eine zentrale Steuerung war nicht möglich. Alles musste über Druckknöpfe vor Ort bedient werden. Zur technischen Überholung der gesamten Yacht wandte sich der Kapitän an die Firma Akerboom Yacht Equipment im niederländischen Leiden. Das Unternehmen hat sich im Bereich der elektrotechnischen Ausstattung von Schiffen einen Namen gemacht und ist Teil der Feadship-Gruppe, zu der auch die Werft De Vries zählt. Auf dem Schiff hatte bislang jeder Kran und jede automatische Plattform einen eigenen Schaltkasten, in dem die Signale der Geräte und Antriebe direkt verdrahtet waren. Diese zahlreichen Insellösungen ersetzte Akerboom durch I/O-Module mit Ethernet/IP-Kommunikation und zwei moderne Steuerungen. Ed Groen in `t Woud von Akerboom hat das Projekt von der technischen Seite geleitet und maßgeblich umgesetzt: „Uns war schnell klar, dass wir für die automatisierten Systeme eine moderne Industriesteuerung benötigen. Wir haben uns für zwei Allen-Bradley-Steuerungen mit Ethernet/IP-Kommunikation entschieden.“ Beide Steuerungen sind vernetzt und können vom zentralen Kontrollraum erreicht werden. Theoretisch hätte auch eine Steuerung ausgereicht, aber bei knapp 100 m Schiffslänge wäre der Verdrahtungsaufwand zu hoch gewesen.

„Auf der Suche nach der richtigen I/O-Lösung bin ich auf Turck gestoßen. Ich suchte nach robusten I/O-Blocks, die meine Signale direkt aus dem Feld über Ethernet/IP zur Steuerung bringen“, sagt Groen in `t Woud. „Der Hersteller der Steuerung konnte nur eine Lösung anbieten, die keine Leistungsversorgung der angeschlossenen Sensorik und Aktorik integriert hat. Das hätte aufwändige Konfektionierung von Spezialsteckern zur Einspeisung separater Spannung erfordert, die wir uns sparen wollten. Außerdem haben die Bauform und die hohe Schutzart der TBEN-L von Turck gut gepasst. Wir lieben Kunststoff, weil er nicht rosten kann“. Neben dem Verdrahtungsaufwand sparten die IP69K-I/O-Block-Module auch jede Menge Platz ein. Viele Schaltschränke auf dem Schiff sind heute überflüssig, weil die I/O-Blocks direkt neben den Hydraulikventilen montiert sind. „In einem Raum, in dem früher Schaltschränke standen, sind heute Taucheranzüge untergebracht“, nennt Groen in `t Woud einen angenehmen Nebeneffekt der modernen Steuerungs- und Kommunikationstechnik.

Rostfreie I/O-Module dank Kunststoff

Auf dem Schiff fallen viele digitale Eingangs-Signale an. Diese liefern z.B. Endschalter, die die Position der Schließbolzen in den Türen erfassen. Analoge Signale werden von Neigungswinkel-Sensoren ausgegeben. Die B1N360-Inclinometer von Turck erfassen die Neigung der Plattformen, wenn sie aufs Wasser gelassen werden. Dabei ist es wichtig, die Neigung nicht absolut, sondern in Relation zum Schiff zu erfassen. Da das Schiff ja permanent leicht pendelt, haben Ed Groen in `t Woud und sein Team jeweils zwei Neigungswinkelsensoren verbaut: Einen im Schaltschrank, den anderen direkt an der Plattform selbst. Der Sensor auf dem Schiff liefert den Referenzwert. Aus der Subtraktion der beiden Neigungen errechnet die Steuerung die realen Winkel der Plattform in Relation zum Schiff. Die Analogsignale der Neigungssensoren werden von I/O-Station TBEN-S2-4AI zur Steuerung gebracht. Die TBEN-S sind mit ihren 32 mm Breite noch kompakter als die TBEN-L, erfüllen aber ebenfalls IP69K. Eine TBEN-S befindet sich im hinteren Bereich und eine im vorderen Bereich der Yacht. Beide bringen jeweils die Signale von zwei Plattformen zur Steuerung.

Wirklich effektiv wurde diese Lösung, durch den Einsatz der digitalen Block-I/O-Module TBEN-L1-16DOP. Damit konnten alle Ausgangssignale über eine Ethernet-Leitung von der Steuerung zu den digitalen Ventilen gebracht werden. „Durch die I/O-Blockmodule von Turck haben wir viel Verdrahtungsarbeit eingespart. Außerdem konnten unserer Mechaniker die M12-Stecker einfach selbst verdrahten – ohne elektrotechnisches Fachwissen und einen detaillierten Verdrahtungsplan.“ Die TBEN-I/O-Module sind als Multiprotokoll-Geräte an Steuerungen mit den Protokollen Profinet, Ethernet/IP und Modbus TCP gleichermaßen einsetzbar. Die Runderneuerung der Yacht kann sich sehen lassen. Da die Limitless auch optisch erneuert wurde und auch die übrige Bordelektronik sowie die Klimaanlage auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurden, macht das Schiff fast den Eindruck eines Neubaus. Alle Einrichtungen kann die Crew heute sowohl über HMIs vor Ort, Fernbedienungen oder über den zentralen Steuerungsraum bedienen. Auch der Eigentümer der Yacht, der amerikanischer Milliardär Leslie Wexner, Vorsitzender und CEO des Unternehmens Limited Brands, das unter anderem die Modemarke Victoria’s Secret vertreibt, zeigte sich hochzufrieden mit der Modernisierung.

Hydraulikzylinder mit Ethernet/IP-Schnittstelle dynamisch steuern

Auf einem anderen Schiff, das mit Turck-Automatisierungstechnik überholt wird, kann Akerboom sogar auf weitere analoge Signale verzichten. Die hydraulischen Antriebe werden dort nicht über klassische Proportional- oder Servoventile geregelt. Groen in `t Woud hat eine alternative Lösung zur dynamischen Steuerung der Hydraulikantriebe entwickelt. Die Antriebe der Plattformen und Krane müssen dynamisch gesteuert werden, um Bewegungen schneller ausführen zu können. Die Kraft der Hydraulikzylinder muss also über Öldruck geregelt werden. Statt dies mit einer konstanten Pumpleistung und dynamischen Ventilen zu regeln, werden heute digitale Ventile eingesetzt, die nur die Richtung des Ölflusses festlegen. Die Kraft der Zylinder regelt Groen in `t Woud über eine variable Pumpleistung. Der Frequenzumrichter, der die Hydraulikpumpe antreibt, besitzt eine Ethernet/IP-Schnittstelle und kann darüber dynamisch gesteuert werden. In der Steuerung ist für jedes Bewegungsschema ein Funktionsbaustein oder Add-on hinterlegt, das vorgibt, wie lange die Pumpe mit welcher Frequenz betrieben werden soll. So lassen sich mit einem Knopfdruck sehr dynamische Bewegungsabläufe fahren, um beispielsweise die Leitern und Gangways des Schiffes schnell, ruckelfrei und zudem energiesparend ein- und auszufahren. Digitalventile haben keinen Energieverlust durch Abwärme, wie er bei Proportionalventilen entsteht.

Dieser Beitrag ist bei unserem Partnerportal elektrotechnik erschienen.

* Maarten Rambach, Business Development Manager für Automation System, Turck B.V. Niederlande

(ID:44642378)