Automobilzulieferer Unternehmenskultur bremst Digitalisierung

Redakteur: Christian Otto |

Eine aktuelle Studie von Berylls Strategy Advisors und The Culture Institute zeigt, dass kleine und mittelständische Automobilzulieferer bei der digitalen Transformation den Anschluss verlieren könnten. Die dort gelebte traditionelle Kultur bremst die benötigte Agilität.

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Gerade das agile Arbeiten in Teams und die dabei nötigen höheren Freiheitsgrade werden durch die traditionellen Kulturen bei den mittelständischen Zulieferern ausgebremst.
Gerade das agile Arbeiten in Teams und die dabei nötigen höheren Freiheitsgrade werden durch die traditionellen Kulturen bei den mittelständischen Zulieferern ausgebremst.
(Bild: Bosch)

Der Begriff der Digitalen Transformation ist in aller Munde. Auch in der Automobilindustrie leiten die Unternehmen hierfür einen strukturellen Wandel ein. Treiber dafür sind die Vernetzung, automatisierte oder künftig sogar autonome Fahrzeuge, Shared Mobility, Big Data und die alternativen Antriebe.

Diese können aber eine sehr unterschiedliche Relevanz und Dringlichkeit für die Zulieferer haben. Deshalb müssen sie sich gründlich mit den Themen auseinandersetzen, um Chancen und Risiken möglichst früh zu identifizieren. „Immer häufiger stellt sich für unsere Kunden die Frage, inwieweit es die bestehende Unternehmenskultur zulässt, die Komplexität der Digitalisierung zu meistern“, erklärt Peter Eltze, Experte für Transformation und Kulturmanagement bei der Managementberatung Berylls Strategy Advisors.

Mittelständische Automobilzulieferer im Fokus

Vor diesem Hintergrund haben Berylls und The Culture Institute in einer Studie die kulturellen Voraussetzungen für diese Auseinandersetzung bei rund 30 mittelständischen Automobilzulieferern aus dem deutschsprachigen Raum untersucht. Die befragten Top-Manager kommen aus Unternehmen, die zwischen 1000 und 10.000 Mitarbeiter beschäftigen.

Dabei wurde deutlich, dass die Relevanz und Dringlichkeit der Digitalisierung von den befragten Managern erkannt wird. Trotzdem besitzt kaum ein Unternehmen einen Masterplan zur Digitalisierung. Vielmehr stellt sich mehrheitlich die Frage, ob man als System- und Komponentenlieferant weiter existieren kann, oder ob man in neue Geschäftsmodelle eintreten muss. Laut der Studie gelingt es vielen nicht, Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz von Big Data ergeben, zu identifizieren und zu nutzen. Als Ziel haben die Mittelständler deshalb noch überwiegend die Prozess- und Kostenoptimierung im Fokus.

Dass ihnen die Digitalisierung wiederum einen direkten Kundenzugang bieten kann, wird kaum gesehen. Als Folge fehlt das Verständnis für Chancen, die neue Produkt-/Serviceangebote oder digitale Geschäftsmodelle mit sich bringen – Potenziale für neue Erlösquellen werden quasi ignoriert. Die genannten Gründe für den fehlenden Masterplan sind vielfältig: Neben einer unpassenden Management- und Organisationsstruktur, ungenügenden finanziellen Ressourcen und einem Mangel an verfügbaren Kompetenzen für die digitale Welt wird die existierende Unternehmenskultur am häufigsten angegeben.

Relevanz der Digitalisierung ist den Verantwortlichen bekannt

Dabei wissen laut den Studienverantwortlichen nahezu alle Befragten um den signifikanten Einfluss der Unternehmenskultur auf den Erfolg ihrer Firma und setzen sich damit intensiv auseinander. Das Management diskutiert und reflektiert seine Wahrnehmungen zur Kultur, beschreibt Werte, Normen und Grundüberzeugungen der Führung und Zusammenarbeit und bildet in vielen Fällen seine Mitarbeiter im Umgang mit diesen aus.

Trotzdem führt dieses Engagement nicht zu einer ganzheitlichen Auseinandersetzung mit der Digitalisierung. Die Befragten gaben hierfür verschiedene Gründe an. Zum Beispiel: Das derzeitige Geschäftsmodell ist erfolgreich, damit sinkt die Veränderungsbereitschaft. Oder, dass die bisherige Kultur immer eine sorgfältige Planung vor jeder Veränderung erfordert. Auch leben Eigentümer oder Führungskräfte zu oft die traditionellen Eigenschaften vor und scheuen beispielsweise Investitionen in neue Themen – und wissen nicht genug über die eigene digitale Kompetenz, Haltungen und Einstellungen.

Berylls und The Culture Institute empfehlen, dass notwendige Kulturmuster der digitalen Transformation identifiziert werden müssen, um die richtigen Maßnahmen für die Organisationsentwicklung zu definieren. Den Unternehmenskulturen der befragten Firmen fehlt es demnach häufig an Mut für neue Wege, Offenheit für innovative Ideen und einer Streitkultur. Die Studie belegt, dass Mut vielfach als Leichtsinn, und Entschlossenheit als Starrsinn abgetan werden. Es sind aber beides Kultureigenschaften, ohne die ein grundlegender Wandel nicht zu bewältigen ist.

Das sind die Handlungsempfehlungen der Studienleiter an die Zulieferer.
Das sind die Handlungsempfehlungen der Studienleiter an die Zulieferer.
(Bild: Berylls)

Handlungsempfehlungen für den Kulturwandel

Für den Wandel empfehlen die beiden Managementberatungen einen pragmatischen Weg und heben die Bedeutung eines systemischen und systematischen Managements hervor. Führungskräfte bestimmen die Entwicklung der Kultur im Unternehmen maßgeblich. „Es geht jedoch keinesfalls darum, Führung neu zu erfinden. Sie muss an den jeweiligen Bedarf der Organisationsentwicklung angepasst werden. Agilität, beispielsweise, ist nicht nur eine Methode, sondern eine Haltung. Die Kunst ist es, existierende Konzepte bedarfsgerecht und sinnvoll im Unternehmen anzuwenden“, so Eltze.

Außerdem gilt es, die kulturelle Perspektive zu berücksichtigen, wenn die Digitalstrategie erarbeitet wird. Die digitale Transformation erfordert laut der Experten neben strategischen und strukturellen, vor allem auch kulturelle Initiativen. Hilfreich ist, eindeutige Verantwortlichkeiten zu schaffen – und eine klare Zuordnung auf Top-Managementebene, um unternehmensweite und zentral gesteuerte Maßnahmen der digitalen Transformation erfolgreich umzusetzen.

Zulieferunternehmen müssen Masterplan erstellen

Vor allem aber mahnen die Studienautoren die Entscheider an, die Entwicklung eines ganzheitlichen Masterplans zur digitalen Transformation ganz oben auf die Agenda zu stellen. Potenziale und Gefahren der Digitalisierung müssen betrachtet werden, um für das Unternehmen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wissenslücken, beispielsweise beim Thema Big Data, müssen durch die Integration von externen Wissensträgern geschlossen werden.

Dafür fordern Berylls und The Culture Institute aber ein neues digitales Mindset der Organisation. Denn bestehende Kulturen stehen diesen Entwicklungen meist im Weg. Eine Säule dafür ist die Schaffung eines entsprechenden Ausbildungsangebots. Bei wichtigen Personalentscheidungen, zum Beispiel Rekrutierungen und Beförderungen, sollten jene Werte Berücksichtigung finden, die das Unternehmen in der digitalen Transformation dringend benötigt.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal Automobilindustrie erschienen.

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