Expertenbeitrag

 Andreas Müller

Andreas Müller

Senior Vice President EMEA, Aras Corporation

Digitale Transformation Systems Engineering als Fundament für den Digital Twin

Von Andreas Müller

Anbieter zum Thema

Um auch große, komplexe Projekte beherrschbar zu machen, benötigen Unternehmen zunehmend eine ganzheitliche Denkweise und ein Verständnis dafür, wie Güter und Dienstleistungen im Kontext größerer Systeme interagieren. Systems Engineering bildet damit den idealen Rahmen für die Erstellung eines digitalen Zwillings.

Autobauer Tesla macht vor, wie ein Produkt als Kernsystem für die Entwicklung agieren kann.
Autobauer Tesla macht vor, wie ein Produkt als Kernsystem für die Entwicklung agieren kann.
(Bild: Gemeinfrei // Pexels)

Beim Systems Engineering wird der gesamte Produktlebenszyklus erfasst: Von der Konzeptions- und Entwicklungsphase über die Nutzung bis hin zur Wiederverwertung und/oder Entsorgung. Das bedingt auch, dass Bedürfnisse von Kunden und Kundinnen sowie notwendige Funktionalitäten schon früh im Entwicklungsprozess definiert und im Laufe des Lebenszyklus‘ angepasst werden. Dabei finden technische, wirtschaftliche, rechtliche und soziale Anforderungen aller Stakeholder Beachtung.

Diese ganzheitliche Sichtweise führt zum Beispiel dazu, dass die monothematische Betrachtung einzelner Funktionen ein deutlich erweitertes Verständnis erfordert: Wie interagiert das Produkt mit anderen Services oder Produkten innerhalb größerer Systeme? Das gilt insbesondere für smarte, vernetzte Produkte und Dienstleistungen, die mit dem Internet der Dinge (IoT) verbunden sind und Künstliche Intelligenz (KI) nutzen. Sie werden mit dem Fachbegriff "System-of-Interest" bezeichnet, da sie als eigentliches Produkt das Kernsystem für die Entwicklung bilden.

Lösungen entwickeln statt Produkte

Wie so etwas gut funktioniert, macht der Autobauer Tesla vor, der ein Gesamtsystem aus Auto, Akku, Ladenetzwerk und Bordsoftware anbietet. Bei der sogenannten Vorkonditionierung werden beispielsweise die Lithium-Ionen-Akkus auf die optimale Ladetemperatur zwischen 20 und 40 Grad Celsius gebracht. Das Navigationssystem führt den Fahrer oder die Fahrerin auf Langstrecken von Ladepunkt zu Ladepunkt. Gleichzeitig kühlt oder erwärmt die Bordsoftware den Akku rechtzeitig auf die richtige Temperatur, bevor der Ladepunkt erreicht ist. Hinzu kommt der hohe Komfort des Supercharger-Netzes von Tesla. Es ist so ausgelegt, dass Fahrende ihre Autos anschließen, indem sie nur das Kabel anstecken. Alles weitere geschieht automatisch, inklusive der Abrechnung des verbrauchten Stroms.

Aus dem Systemdenken für eine moderne E-Mobilität heraus hat der Autobauer also ein sehr komfortables Kundenerlebnis geschaffen. Ergänzend bietet das hochkomplexe Produkt neben dem eigentlichen Nutzen (Transport von A nach B) noch eine reibungslose Interaktion mit Partnersystemen.

Daten-Silos aufbrechen und Systeme verstehen

Aus dem Verständnis heraus, dass ein Produkt eingebunden ist in ein Gefüge, werden beim Systems Engineering Produktkomponenten als Teilsysteme gemeinsam mit dem übergeordneten System entwickelt. Produkte stehen also nicht allein, sondern in Bezug zu anderen Produkten, Services oder Stakeholdern. Selbst gesetzliche Regelungen gehören zum übergeordneten System. Beispielsweise müssen autonom fahrende Autos die Straßenverkehrsordnung beachten.

Systems Engineering bildet damit auch den idealen Rahmen für einen digitalen Zwilling (Digital Twin). Voraussetzung dafür: Die intelligente Verknüpfung verschiedenster Datenpunkte über die Gesamtlebensdauer inklusive Entwicklung, Herstellung, Gebrauch und Recycling. Somit kann der digitale Zwilling das Produkt in all seinen Facetten widerspiegeln und als Kompletterfassung innerhalb des Systems dienen. Auf jeder einzelnen Stufe – von der Designphase bis zum laufenden Betrieb – werden also Daten gesammelt. Diese werden dann in den Digital Twin eingepflegt, um Analyse- und Prognosezwecken zu dienen. Beide Konzepte stehen damit in einer Abhängigkeit:

Der digitale Zwilling bietet dynamische Ansichten und Prognosemöglichkeiten für ein Teilsystem in einem ganzheitlichen Ökosystem aus Produkt, Prozess und Dienstleistung. Systems Engineering modelliert dieses Ökosystem über den gesamten Lebenszyklus und verdeutlicht Abhängigkeiten. Das führt zu einem Aufbrechen einzelner Daten-Silos, die vorher unabhängig voneinander befüllt und genutzt wurden.

PLM-System spinnt den digitalen Faden

Daten über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg zu verknüpfen, bildet auch die Grundlage für den sogenannten Digital Thread. Dieser ist eine mit einem digitalen roten Faden verkettete Datensammlung, die bei der Ideensammlung für ein Produkt beginnt und erst mit dem vollständigen Ablauf der Produktlebenszeit endet – beispielsweise durch Aufbereitung, Recycling oder Entsorgung.

Damit eine einheitliche, transparente und leicht durchsuchbare Datensammlung entsteht, sollte es auch eine einheitliche Softwarebasis für den Digital Thread geben. Im Rahmen der Digitalisierung in der Industrie bietet sich hier der Einsatz moderner PLM-Systeme (Product Lifecycle Management) an. Sie gehen weit über das Management von Stücklisten hinaus und erfassen den gesamten Digital Thread eines Produkts. „Cradle to Cradle“ – ein wichtiger Aspekt angesichts der wachsenden Bedeutung des Faktors Nachhaltigkeit.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Integrierte Entwicklung und Produktion

PLM-Systeme sollten schon während der Entwicklungsphase das Modell des Produkts beherbergen. Sie können als Grundlage für eine Simulation dienen, die das Verhalten des Produkts in einer virtuellen Umgebung nachstellt. Dabei geht es nicht nur um technische Daten, beispielsweise Darstellungen aus CAD-Modellen. Wichtig ist auch, dass betriebswirtschaftliche Kenngrößen integriert werden. So sind die Investitions- und Betriebskosten transparent. Da es im ersten Schritt nur ein digitales Modell gibt, können Entwickler und Entwicklerinnen die Konfiguration beliebig ändern, um die Betriebskosten zu senken.

Das PLM bietet als zentrale Datenschnittstelle die passenden Tools für die Entwicklung des Digital Twins. Er kann über das eingesetzte PLM-System mit dem „Original“ verknüpft werden. Die Daten stammen dabei aus integrierten Sensoren und Steuersystemen. So zeigt der Digital Twin in Echtzeit den aktuellen Status des mit ihm verknüpften Objekts und kann es bei Bedarf steuern.

Angesichts immer komplexerer Produkte und einer zunehmend engeren Verzahnung mit den zugehörigen Dienstleistungen sind integrierte Entwicklungs- und Produktionsprozesse unerlässlich. Die Vision des Unternehmens für Produkt, Prozess und Service im digitalen Zwilling wird dynamisch geplant und über den gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet.

(ID:48623585)