Expertenbeitrag

 Mauro Adorno

Mauro Adorno

Managing Director für Europa, ToolsGroup GmbH

Beispiele aus der Praxis Supply-Chain-Planung und S&OP Prozesse während der Corona-Krise meistern

Von Mauro Adorno |

Anbieter zum Thema

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie legen Lieferketten weltweit lahm und zwingen Unternehmen fast täglich zu Neubewertungen ihrer Planungen. Wie drei verschiedene Unternehmen mit dieser Herausforderung umgehen – und sie bewältigen.

Die Corona-Krise beeinträchtigt globale Lieferketten extrem – und damit auch die verschiedenen Planungsprozesse.
Die Corona-Krise beeinträchtigt globale Lieferketten extrem – und damit auch die verschiedenen Planungsprozesse.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Unternehmen auf der ganzen Welt müssen ihre Supply-Chain-Planung und ihre S&OP Prozesse (Sales and Operations Planning) als Reaktion auf die durch die Corona-Krise ausgelösten Nachfrageschwankungen drastisch anpassen. Wegen der Beschränkungen des globalen Personen- und Warenverkehrs sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen wie der steigenden Arbeitslosigkeit und reduzierten Verbraucherausgaben müssen Nachfrageprognosen, Sicherheitsbestände und Verkaufsaktionen dynamisch neu definiert werden. Drei Beispiele aus der Praxis zeigen, wie Unternehmen die aktuellen Herausforderungen angehen.

Das Unplanbare planen – wie Unternehmen dieses Paradox angehen

Während unserer jährlichen TG/20-Kundenkonferenz, die dieses Jahr in virtueller Form stattfand, diskutierten unserer Kunden, mit welchen Supply Chain Herausforderungen sie angesichts der Corona-Krise konfrontiert werden und wie sie diese angehen.

Zu den Podiumsteilnehmern gehörte auch Mark Chandler, Senior Vice President bei American Tire Distributors (ATD), einem US-Distributor für Reifen. Die meisten Reifen, die bei nordamerikanischen Reifenhändlern gekauft werden, stammen nach seinen Aussagen aus dem weltweiten ATD-Liefernetzwerk. Mark Chandler berichtete, wie das Unternehmen die Folgen des Coronavirus erstmals im Januar auf der Lieferseite wahrnahm, als Lieferungen aus den Fabriken in China unterbrochen wurden. Anfang März kam es dann zu Unterbrechungen von Lieferungen aus Vietnam und Sri Lanka, und jetzt, da sich das Virus in Europa und den Vereinigten Staaten ausbreitet, ist die Nachfrage im Einzelhandel gestört. Einzelhändler sind entweder gezwungen, ihre Geschäfte zu schließen, die Öffnungszeiten zu beschränken oder sie stehen einer schwer vorhersehbaren Nachfrage gegenüber.

Laut Mark Chandler finden die bei ATD normalerweise monatlich abgehaltenen S&OP-Meetings jetzt beinahe täglich statt. Das S&OP-Team arbeitet an mehreren Planungsszenarien, deren Informationen sich täglich ändern. Ein Großteil der Folgenabschätzung fand, so Chandler, in den jeweiligen letzten acht Tagen statt und hing stark von den Entwicklungen vor Ort ab. Er merkte an, dass die Prognosen, die heute getroffen werden, sich stark von den vor zwei Wochen gestellten Vorhersagen unterscheiden. In einer solchen Situation ist es laut Mark Chandlers besonders wichtig, dass sich alle funktionalen Teams auf die gleichen Szenarien konzentrieren. Die Zusammenarbeit am S&OP-Prozess erstreckt sich bei ATD auch auf Einzelhändler, Lieferanten und Transportunternehmen. Laut Mark Chandler hilft die Flexibilität der S&OP Lösung ATD dabei, eine Reihe von Planungsszenarien zu erstellen, die das S&OP-Team bei jedem Treffen neu bewertet. Der Schwerpunkt liegt zurzeit besonders auf der Frage, wie sich der Einzelhandel nach der Corona-Krise entwickeln wird. Die Ergebnisse fließen als Nachfrageorientierung auf SKU/Lager/Kunden-Ebene in das Supply-Chain-Planungssystem mit ein.

Ein zweiter Diskussionsteilnehmer war Rafael Labbe, Supply Chain Manager bei Suministros Alimentos, einem Vertriebsunternehmen von McDonalds Mesoamerica, das die in Mittelamerika ansässigen Filialen der Hamburgerkette vertritt. Labbe sprach über die anhaltenden Auswirkungen des Virus auf die Restaurants in der Region. Da 135 Restaurants in vier Ländern mit mehr als 5.000 SKUs im Versorgungsnetz unterstützt werden müssen, sind monatlich mehr als 748.000 Bestandsentscheidungen zu treffen. Die Planung erfolgt über einen verkaufsorientierten (POS-gesteuerten) Nachfrageerfassungsprozess. Ein Großteil der Franchise-Lieferungen stammt aus den USA, die mit ihren eigenen vom Coronavirus verursachten Herausforderungen zu kämpfen haben.

Im Hinblick auf die Corona-Krise nannte Rafael Labbe den Rückgang des Volumens durch die Ausgangssperren sowie die Prognoseunsicherheit hinsichtlich der Aufhebung der Ausgangssperren als die beiden größten Herausforderungen. Eine weitere Schwierigkeit sind die Transitzeiten, die durch zusätzliche Grenzkontrollen und/ oder Reisebeschränkungen innerhalb bestimmter Länder erschwert werden. Laut Labbe helfen Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit der vor zwei Jahren eingeführten Supply-Chain-Planungs-Lösung bei der laufenden Bestandsaufnahme und der Prognosebewertung für die McDonalds-Filialen.

Währenddessen verbuchen andere Unternehmen einem starken Anstieg der Nachfrage. Zum Beispiel konnte Ulabox, der erste reine Online-Supermarkt in Spanien, dank seiner Supply-Chain-Planungssoftware effizient auf die durch die Corona-Krise entstandene Nachfragespitze reagieren. Um der außergewöhnlichen Nachfrage gerecht zu werden, nutzt das Unternehmen die Override-Funktion der Lösung und konnte dadurch das angestrebte Serviceniveau in seinen A-Klasse-Produkten halten, diese Ausnahmesituation meistern und selbst unter extrem ungünstigen Bedingungen ein hohes Serviceniveau erreichen.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Blick in die Zukunft

Die Corona-Krise wirkt sich auf jedes Unternehmen und jede Region unterschiedlich aus, und das wird sich wohl auch in naher Zukunft nicht ändern. Unternehmen müssen auch weiterhin auf alles vorbereiten und in der Lage sein, sich dynamisch anzupassen – was auch immer kommen mag.

Doch wer in der Lage ist, verschiedene Verhaltensszenarien vorherzusagen, sich durch die Antizipation realer Unsicherheit vor Überraschungen abzusichern und durch die Optimierung von Supply Chain Prozessen trotz anhaltender Einschränkungen effizienter zu arbeiten, der wird auch die Corona-Krise meistern und für die Zeit danach für neue Geschäftsmöglichkeiten gut aufgestellt sein.

(ID:46620041)