Industrie 4.0 Spritzguss: Mit Sensoren ins Reich der „Smart Factory“

Autor / Redakteur: Ulrich W. Schamari / Peter Königsreuther

Der Kunststoffspritzguss kommt nicht mehr ohne Sensoren aus – weder bezüglich der Spritzgießmaschinen noch im Hinblick auf die Werkzeugtechnik. Mit der Digitalisierung und Vernetzung schickt sich die Sensortechnik nun an, die nächste Stufe als maßgeblicher Enabler für Industrie 4.0 zu erklimmen.

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Sensoren fungieren sowohl im Werkzeug als auch in den maschinellen Verarbeitungssystemen in der Kunststofftechnik als künstliche Sinne. Sie sind ein Schlüssel für die erfolgreiche Zukunft vernetzter, sich selbst regulierender, "intelligenter" Prozesse, die im Sinne der Industrie 4.0 agieren, um Fehler schon bei der Bauteilentstehung zu vermeiden.
Sensoren fungieren sowohl im Werkzeug als auch in den maschinellen Verarbeitungssystemen in der Kunststofftechnik als künstliche Sinne. Sie sind ein Schlüssel für die erfolgreiche Zukunft vernetzter, sich selbst regulierender, "intelligenter" Prozesse, die im Sinne der Industrie 4.0 agieren, um Fehler schon bei der Bauteilentstehung zu vermeiden.
(Bild: Priamus)

Das Thema Industrie 4.0 ist längst auch für die Hersteller und Anwender von Spritzgießmaschinen relevant geworden. Mittels Vernetzung und Digitalisierung von Prozessüberwachung und -regelung lässt sich die Transparenz der Spritzgießproduktion verbessern und der Produktionsablauf kann wirtschaftlich optimiert werden. Als Basis für eine solche vernetzte Spritzgießfertigung bedarf es einer intelligenten Werkzeugsensorik, wie sie beispielsweise von der schweizerischen Kistler-Gruppe angeboten wird.

Robert Vaculik, Leiter des Strategischen Geschäftsfelds Plastics, sieht das so: „Speziell die Überwachung des Werkzeuginnendrucks hat sich bewährt, weil dieser die höchste Korrelation zur Bauteilqualität besitzt.“ Sensoren im Werkzeug bieten die Möglichkeit, den Prozess zu überwachen, transparenter zu gestalten und damit effizienter zu steuern.

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Mit Sensoren wird gesamter Spritzgießprozess überwachbar

Das Zusammenführen der durch die Sensoren gewonnenen Daten in einem virtuellen Produktionsumfeld ermöglicht es nicht nur, den einzelnen Spritzgießzyklus, sondern darüber hinaus den gesamten Prozessablauf zu überwachen und zu optimieren. Die Überwachung des Werkzeuginnendrucks erfolgt mithilfe automatisch oder manuell definierter Bewertungselemente, wobei geprüft wird, ob die von den Sensoren gelieferten Kurven die Bewertungselemente wie vordefiniert durchlaufen. Anhand des Ergebnisses – „In Ordnung“ oder „Nicht in Ordnung“ – ist eine Sortierung in Gut- und Schlechtteile möglich. Auch steht dem Anwender eine modellbasierte Vorhersage expliziter Qualitätsmerkmale zur Verfügung. Darauf ist man bei Kistler besonders stolz: „Auf Basis der integrierten Online-Qualitätsprognose sind verlässliche Aussagen über jedes gefertigte Bauteil im Voraus möglich.“

Richtiger Einsatzort für Sensoren muss wohlüberlegt sein

Nicht nur der Werkzeuginnendruck kann durch den Sensoreinsatz in Spritzgießwerkzeugen gemessen werden. Sensoren ermöglichen auch die Erfassung der Temperaturen und Durchflüsse im Vor- und Rücklauf von Temperiergeräten. Dazu bemerkt Martin Schramm von Bürkert Fluid Control Systems: „Je besser der Temperierprozess, umso höher die Qualität der Erzeugnisse.“ Und was den Einsatz von Spritzgießwerkzeugen im Rahmen von Industrie 4.0 betreffe, spielten die Sensoren eine wichtige Rolle: Durch Integration von I/O-Links etwa könnten die Regelsysteme – bestehend aus Sensoren, Reglern und Ventilen – optimal vernetzt werden. Auf eine Besonderheit des Sensoreinsatzes, von dem speziell der Mehrkavitäten-Werkzeugbau profitiert, verweist Egon Huefner von Bürkert: „Bei Mehrkavitäten-Werkzeugen lässt sich über Durchflusssensoren in Kombination mit kompakten Regelventilen die für jede Kavität erforderliche Kühlmenge exakt und reproduzierbar einstellen.“

Sensoren steigern die Produktqualität

Die Bedeutung der Sensoren für die Qualität des Endprodukts unterstreicht Ulrich Bretthauer von RJG Germany: „Sobald der Kunststoff die Düse der Spritzgussmaschine verlässt, sind wir als Verarbeiter blind und den physikalischen Gesetzen in der Kavität sowie den Viskositätsschwankungen des zu verarbeitenden Materials ausgesetzt.“ Doch könne insbesondere die Werkzeuginnendruck-Technologie erfolgreich eingesetzt werden, um Spritzgießprozesse zu stabilisieren und dabei letztendlich Kosten zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern. Es sei allerdings nicht damit getan, einen Sensor irgendwo ins Werkzeug einzubauen und sich schöne Kurven anzuschauen.

Auf die Sensor-Position kommt es an

Von ausschlaggebender Bedeutung dafür, ob diese Technik einen Nutzen bringt oder nur Kosten verursacht, ist vielmehr die richtige Positionierung des Sensors in der Kavität – und zwar abhängig von der Funktion, die der Sensor erfüllen soll. Gleiches gilt für eine entsprechende Einrichtung des Spritzgießprozesses und das Verständnis respektive die Auswertung der aufgezeichneten Druckkurven. Bretthauer mahnt: „Bei jedem neuen Projekt ist zunächst die Frage zu klären, welche Aufgabe die Sensorik erfüllen soll, denn davon ist die Positionierung des Sensors abhängig.“

Grundsätzlich würden Werkzeuginnendruck-Sensoren zur Prozessregelung, das heißt Nachdruckumschaltung, Öffnen und Schließen von Verschlussdüsen, sowie zur Prozessüberwachung verwendet. Obwohl gerne einfache Standardempfehlungen zur Positionierung von Sensoren (zum Beispiel „Zur Prozessregelung immer angussnah“) gegeben würden, sei es oft genug nötig und sinnvoll, auch die individuellen Strömungs- und Druckverhältnisse anhand von Simulationen zu berücksichtigen, um die optimale Sensorposition zu ermitteln.

„Black Box“ Werkzeug wird zum prozesstransparenten Betriebsmittel

Die Messung von Druck und Temperatur über Sensoren im Werkzeug kann auch in Kombination erfolgen. Dr. Thomas Walther, Leiter Anwendungstechnik beim Spritzgießmaschinenbauer Arburg, bringt es auf den Punkt: „Die Sensorik dient im Grunde genommen dazu, die Zustände in der Kavität sichtbar zu machen.“ Das bedeute, dass Sensoren den Verarbeitern grundlegendes Wissen darüber vermittelten, was in der „Black Box“ Werkzeug vor sich geht. Mit der Werkzeugsensorik erhielten die Maschinenbediener direkte Informationen, etwa zum Siegelpunkt im Werkzeug.

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