Expertenbeitrag

PMP Ingo Meironke

PMP Ingo Meironke

Innovation Manager bei Campana & Schott

Vertrauen ist gut – Kontrolle besser So kann die Industrie Abstandsregeln sicher einhalten

Von Ingo Meironke

Anbieter zum Thema

Nach dem Lockdown in der Corona-Pandemie verstärkt die Industrie ihre Fertigungsstraßen und Arbeitsabläufe wieder. Doch dies muss nun unter strengen Hygiene- und Abstandsregeln erfolgen. Eine Möglichkeit, die Einhaltung zu kontrollieren und zu steuern, ist beispielsweise Sensorik für den Arbeitsplatz.

Social Distancing kann auch intelligenter funktionieren.
Social Distancing kann auch intelligenter funktionieren.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Viele Fertigungsunternehmen in Deutschland gehen zurück zur Arbeit. Doch die Prozesse und Schichteinteilungen sind teilweise stark anzupassen, um die neuen Abstands- und Hygienevorschriften einzuhalten.

Gewohnte Verhaltensweisen lassen sich aber nur schwer von heute auf morgen ändern. Hier haben Geschäftsführer und Schichtleiter eine große Verantwortung, die Belegschaft bei der Einhaltung der neuen Regeln zu unterstützen. Dies gilt vor allem in drei Bereichen: den Gemeinschaftsräumen wie Kantine, Kaffeeküchen und Umkleideräume, den Produktionsstätten wie Fertigungsstraßen, Kontrollräumen und Prüfständen sowie den Büroplätzen.

Abstandsregeln in der Kantine prüfen

Am schwierigsten ist wohl die Kontrolle der Regelkonformität in großen Gemeinschaftsräumen wie der Kantine – gerade, da diese oftmals durch externe Anbieter betrieben wird. Wo früher 400 Leute eng an den Tischen saßen, dürfen sich aktuell vielleicht nur 100 gleichzeitig aufhalten – mit jeweils 1,5 Meter Abstand. Hilfreich ist hier eine strenge Zeitplanung. Je nach Produktionsablauf können zu einer festgelegten Zeit entweder einzelne Teams essen gehen oder jeweils ein Teil der Mitglieder eines Teams, wenn die Straße weiterläuft. Aufgrund der geringeren Kapazität der Kantine ist in der Regel ihre Öffnungszeit zu verlängern, damit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausreichend Zeit für ihre Mittagspause erhalten.

Diese Maßnahmen alleine reichen aber nicht aus. Schließlich müssen die Abstandsregeln auch beim Essenholen, beim Gang zum Tisch und am Tisch selbst eingehalten werden. Um gewährleisten zu können, dass sich nur eine bestimmte Anzahl von Personen in einem Raum befindet, können Unternehmen digitale Lösungen einsetzen. Hier erfassen Sensoren den gesamten Raum und erkennen, wo Mitarbeitende zu eng zusammensitzen. Dies geschieht anonym, also ohne Gesichts- oder Personenerkennung. Stattdessen erhält ein Verantwortlicher die Nachricht, dass sich in einem Sektor zu viele Personen gleichzeitig aufhalten.

Das System löst aber nicht nur aktuelle Warnmeldungen aus. Über die Sensorik lassen sich Aufenthaltsverteilungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfolgen. Auf dieser Basis können Verantwortliche die Gänge in der Kantine etwa durch Absperrungen eingrenzen und so-mit die Verletzung der Richtlinien eindämmen.

Zugang zu Kaffeeküche und Umkleideraum steuern

Eine solche digitale Lösung funktioniert auch in kleineren Gemeinschaftsräumen. In diesem Fall ist meist kein aufwändiges System nötig, dass den Raum in verschiedene Sektoren ein-teilt. Hier reicht häufig ein einfacher Sensor, der nur die Anzahl der anwesenden Personen erfasst. Befinden sich in einem Pausen- oder Umkleideraum zum Beispiel mehr als drei Personen, wird Alarm ausgelöst. Dies kann ein Ton, ein gesprochener Hinweis oder eine Meldung an den Verantwortlichen sein.

Eine charmante Möglichkeit kann auch ein Ampelsystem an der Eingangstür sein: Ein grünes Licht bedeutet, dass der Raum frei ist. Gelb weist auf anwesende Personen hin, mit Platz für weitere. Rot bedeutet dagegen, der Raum ist voll. Die entsprechenden Einstellungen können Unternehmen anhand der jeweils gültigen Vorschriften selbst vornehmen. Mit der Zeit dürften unterschiedliche Gewohnheiten und Absprachen im Vorfeld dafür sorgen, dass sich die Nutzung der Räume entzerrt. Dies müssen jedoch die Schichtleiter durch flexible Gleit- und Pausenzeiten unterstützen.

Gleitzeit an der Fertigungsstraße einführen

Gerade in der Produktion ist eine solche Gleitzeit aber nicht immer möglich. Schließlich wer-den hier Schichten streng eingeteilt, um die Straße jederzeit am Laufen zu halten. Trotzdem sollten Führungskräfte alle Optionen für mehr Flexibilität prüfen. Müssen zum Beispiel alle Mitarbeitenden einer Schicht genau von 8 bis 16 Uhr anwesend sein? Oder können nicht kleine Teams jeweils von 7.00 bis 9.00 Uhr im Viertelstundentakt wechseln? Solche flexiblen Anfangs- und Feierabendzeiten würden den Andrang im Umkleideraum sowie bei der Anfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln deutlich reduzieren.

Dabei sollten die Verantwortlichen ihre Teammitglieder nicht einfach „von oben herab“ einteilen, sondern sie nach ihren Wünschen und Bedürfnissen fragen. Natürlich lässt sich nicht alles erfüllen. Aber vielleicht möchte ein Team ohnehin bereits um 7.00 Uhr anfangen, um früher Feierabend zu haben, und ein anderes erst um 9.00 Uhr. Hier können digitale Kalender für eine flexiblere Planung und Anpassung sorgen als eine chaotische Zettelwirtschaft. Auch in der Fertigungsstraße lassen sich Sensoren einbauen, um die Abstandsregeln zu kontrollieren. Dies gewährleistet, dass sich in einem bestimmten Sektor dann auch wirklich nur eine Person aufhält. Zudem lässt sich – wie in der Kantine – über Sektoren der Aufenthalt abbilden und analysieren, um die Einhaltung der Abstandsregeln zu gewährleisten. Die Einbindungen von Präsenzmeldern oder bestehenden IP-Sensoren liegt dabei kostenseitig im Überschaubaren und ist einfach zu installieren.

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

Effiziente Prüfungen im Minimalbetrieb

Die Sensorik hilft im Allgemeinen nicht nur dabei, die aktuellen Hygiene- und Abstandsbedingungen einzuhalten. Auch bestehende Prozesse können von der Sensorik profitieren. Ist beispielsweise ein unbeaufsichtigter Raum regelmäßig auf Sicht- und Geruchsentwicklung zu prüfen, lässt sich dies auch durch einen Sensor erfassen – und die Belegschaft somit entlasten. Auf diese Weise unterstützt die Technologie die Minimal-Besetzungen im Alltagsbetrieb.

Büroplätze effizient und sicher nutzen

Besitzt ein Industrie-Unternehmen nur wenige Einzelbüros, muss es nicht viel umstellen. Bei Großraumbüros sowie bei flexiblen und gemeinsam genutzten Computer-Arbeitsplätzen sieht es aber anders aus. Hier ist nicht nur zu gewährleisten, dass die Mitarbeitenden genügend Abstand haben, sondern auch eine Desinfektion der Tastaturen sowie gegebenenfalls Monitore, Stühle und Tische nach der Sitzung eines Nutzers erfolgt.

Für Großraumbüros bietet beispielsweise die Software CS Smartworkspace zahlreiche Funktionen zur effizienten und sicheren Nutzung. So zeigt die Lösung aktuell freie Arbeitsplätze an und stellt gesperrte Plätze entsprechend dar – sei es auf dem Handy, in Microsoft Teams oder an Bildschirmen im Eingangsbereich. Zusätzlich bildet es Plätze, die noch nicht gereinigt und desinfiziert wurden, als belegt ab. Bereits vor dem Weg in die Arbeit können Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter per Bot die Reservierung eines Platzes anfragen. So erfahren sie, ob eine Anreise ins Büro zu dieser Zeit sinnvoll ist.

Aber auch Arbeitnehmer in Einzelbüros und gemeinsam genutzten Arbeitsplätzen profitieren von der Lösung. So können sie zum Beispiel über einen Chatbot abfragen, wie stark belegt die Kantine oder Kaffeeküche gerade ist. Über einen Kalender lassen sich Plätze zu bestimmten Uhrzeiten in der Kantine oder die Nutzung der Kaffeeküche reservieren. Gleichzeitig können Verantwortliche nachvollziehen, wer an einem gemeinsam genutzten Arbeitsplatz war, um mögliche Infektionsketten zu verfolgen.

Aufwand je nach Szenario planen

Die Einrichtung einer solchen Lösung kann je nach Einsatzszenario recht schnell erfolgen. Einfache Sensoren für kleine Räume wie beispielsweise Büroräume lassen sich in wenigen Tagen installieren oder sind bereits als einfache Präsenzmelder vorhanden, etwa zum automatischen An- und Abschalten der Beleuchtung. Wie bestehenden Sensoren mit Hilfe eines Netzwerksanschlusses integriert werden können oder in welchen Umgebungen die Produktionsumgebung eine Installation generell zulässt, ist von Fall zu Fall zu entscheiden.

Etwas mehr Aufwand erfordern größere Installationen, etwa für Kantine und Fertigungsstraße. Hier sind sowohl die Ausleuchtung des gesamten Raums über mehrere Sensoren als auch die Einteilung der Sektoren zu planen. Zudem müssen die Verantwortlichen die Art der Reaktion klären. Findet etwa an der Produktionslinie mehrfach ein Verstoß gegen die Abstandsregeln statt: Wer soll dann in welcher Form benachrichtigt werden? Diese Planungen erfordern in der Regel mehrere Wochen. Sind dann bauliche Veränderungen für die Verkabelung nötig, dauert es entsprechend länger.

Fazit

Die neuen Abstands- und Gesundheitsregeln erfordern auch in der Industrie starke Anpassungen der Arbeitsabläufe und flexiblere Arbeitszeiten. In der ersten Phase ist davon vieles über Absprachen, Pläne und Vorschriften zu klären. Doch mittelfristig sollte eine möglichst transparente Kontrolle erfolgen, um nicht nur die Einhaltung gegenüber Gesundheits- und Arbeitsschutzbehörden nachzuweisen, sondern auch Bestehendes zu überdenken. So können Arbeitsabläufe und Besetzungen langfristig optimiert werden.

(ID:46683371)