Qualitätsmanagement So funktioniert Qualitätssicherung in der additiven Fertigung
Um hochwertige und fehlerfreie Bauteile herstellen zu können, muss AM strenge Qualitätsstandards erfüllen. Unser Überblick zeigt, welche Maßnahmen möglich sind und welche Einflussgrößen auf die Verfahren einwirken.
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Im Allgemeinen ist es vorteilhaft, jeden Prozessschritt in der additiven Fertigung mit entsprechenden Qualitätssicherungsmaßnahmen zu begleiten. Auf diese Weise werden Fehler und Abweichungen aufgedeckt und es können rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Im Zweifelsfall wird die Produktion abgebrochen, um Maschinenzeit und Material zu sparen. Unser Überblick zeigt, welche Überwachungsmaßnahmen möglich sind und welche Einflussgrößen in den drei Verfahren FDM, SLS und SLM auf die Qualität einwirken.
Es gibt zahlreiche Faktoren, die auf den Fertigungsprozess einwirken. Das im Bild dargestellte Ishikawa-Diagramm des SLM-Prozesses benennt acht übergeordnete Einflussgrößen:
- CAD-Daten
- Prozessvorbereitung
- Mensch
- Maschine
- Material
- Bauteilform
- Prozess und Nachbearbeitung
Die jeweils untergeordneten Wirk-Ursachen beeinflussen die Qualitätsmerkmale des Bauteils mehr oder weniger stark (Bild: Einflussgrößen auf den SLM-Prozess).
Kontrolle und Dokumentation
Ob und in welcher Form einer der Prozessparameter kontrolliert und dokumentiert werden muss, hängt stark vom additiven Verfahren und der jeweiligen Anwendung des Bauteils ab. Da additive Fertigungsprozesse automatisiert kontrolliert werden, können viele der Parameter problemlos protokolliert werden – vorausgesetzt, die Anlage verfügt über die entsprechenden Sensoren und die Steuerungssoftware lässt einen Zugriff auf die gewonnenen Daten zu.
Im Folgenden werden die wichtigsten Überwachungsmöglichkeiten zur Qualitätssicherung in den drei additiven Fertigungsverfahren Fused Deposition Modelling, Lasersintern und Laserschmelzen vorgestellt. Eine fehlerfreie Datenvorbereitung und korrekte Sollposition der einzelnen Stränge bzw. Schmelzspuren wird vorausgesetzt.
Qualitätsmanagement beim Fused Deposition Modelling
Beim Fused Deposition Modelling (FDM) wird das Bauteil aus einzelnen Kunststoffsträngen aufgebaut, indem ein Kunststoffdraht (Filament) durch eine beheizte Düse aufgeschmolzen, extrudiert und schichtweise abgelegt wird (Bild: Aufbau einer FDM-Anlage). Für eine gute Bauteilqualität müssen die Filamente ohne Unterbrechungen und mit konstanter Dicke ausgebracht werden. Die korrekte Höhe der Bauplatte und die richtigen Temperaturen von Schmelze und abgelegten Strängen sorgen für eine gute Verbindung zwischen den Schichten. Eine regelmäßige Reinigung der Düsen und die Genauigkeit der Düsenposition ermöglichen die fehlerfreie Ablage der Stränge entsprechend der Bahndefinitionen aus der Datenvorbereitung.
Qualität des Filaments
Beim FDM stellt die Qualität des Filaments eine wichtige Einflussgröße auf die Gesamtqualität des Bauteils dar. Schwankt die Strangdicke können Probleme beim Extrudieren durch die Düse auftreten: Ist das Filament zu dünn, können die Förderräder es nicht kräftig genug durch die Düse drücken. Ist das Filament zu dick, wird es nicht schnell genug aufgeschmolzen und die Düse verstopft. In beiden Fällen besteht zusätzlich die Gefahr, dass sich der Kunststoff in den Düsen zu sehr aufheizt und einbrennt. Schwankungen im Durchmesser können sowohl auf die Filamentherstellung, als auch auf die Beschaffenheit der verwendeten Materialien zurückgeführt werden. So nehmen hygroskopische Kunststoffe beispielsweise Feuchtigkeit aus der Luft auf, was zu einem Aufquellen des Filaments führt.
Die Qualität des Filaments kann zusätzlich durch Knicke im Strang oder durch Staub auf der Oberfläche beeinträchtigt werden. Einige Anlagenhersteller liefern ihr Material in geschlossenen Kassetten, in denen sich das Filament und ein Trocknungsmittel befinden, um solch werkstoffseitige Qualitätsminderungen zu vermeiden. Die FDM-Maschine erkennt die Kassetten über einen Chip und stellt so sicher, dass nur das korrekte Material des Herstellers verarbeitet wird. Für den Anwender hat dieses Anlagenkonzept den Nachteil, dass er sich dauerhaft an den Anlagenhersteller als Materiallieferant bindet.
Temperatur von Düse und Bauraum
Innerhalb des FDM-Prozesses ist die Temperatur von Düse und Bauraum eine wichtige Einflussgröße für die Festigkeit des Bauteils. Von der Düsentemperatur hängt die Viskosität der Schmelze ab und damit, wie gut sich die Schmelze mit den bereits abgelegten Strängen verbindet. Die abgelegten Stränge der vorangegangenen Schicht wiederum entsprechen ungefähr der Bauraumtemperatur. Ist der Bauraum zu kalt, schmilzt die neue Schmelze die vorhandenen Stränge nicht an und die Festigkeit des Bauteils ist deutlich reduziert. Ist die Bauraumtemperatur zu hoch, erstarrt der neu abgelegte Strang nicht schnell genug und die Genauigkeit des Bauteils nimmt ab.
Reinigung der Düsen
Im FDM-Prozess können sich an der Düse Schmelztropfen und Fäden bilden. Werden diese irgendwo am Bauteil abgestreift, hat dies erhebliche Qualitätsminderungen zur Folge. Einige Anlagen verfügen über Bürsten, an denen die Austrittsöffnungen der Düsen regelmäßig geputzt werden. Sind keine derartigen Reinigungseinrichtungen vorhanden, können anhaftende Partikel an einem mitgebauten „Opferteil“ abgestreift werden. Sind die Anforderungen an die Qualität des Bauteils gering, kann das Bauteil auch so im Bauraum ausgerichtet werden, dass sich die Düsen nur an Supportstrukturen abstreifen.
Qualitätsüberwachung beim Lasersintern
Beim (selektiven) Lasersintern (SLS) werden die Bauteile aus einem thermoplastischen Kunststoff in einem Pulverbett aufgebaut. In einem zyklischen Ablauf nimmt ein Beschichter aus einem vorgeheizten Pulverbehälter Kunststoffpulver auf und trägt dieses mit einer Klinge oder Walze als dünne Schicht auf das Baufeld auf. Infrarotstrahler erhitzen das Pulver bis kurz unterhalb der Schmelztemperatur. Ein Laserstrahl, der von zwei beweglichen Spiegeln in einem Laserscanner über das Baufeld gelenkt wird, schmilzt das Pulver gezielt auf (Bild: Aufbau einer Anlage zum Lasersintern). Beim SLS liegen die häufigsten Ursachen für eine schlechte Bauteilqualität im Zustand des Pulvers, den Belichtungsparametern und in der Temperaturführung während und nach dem Prozess. Diese drei Faktoren können dazu führen, dass das Bauteil eine schlechte Oberflächenqualität und Festigkeit aufweist oder sich verzieht.
Qualität des Pulvers
Die Überwachung der Materialqualität ist beim SLS-Prozess nicht ganz einfach. Da nur ein kleiner Teil des Pulverbetts aufgeschmolzen wird ist es möglich, das nicht verarbeitete Pulver wiederzuverwenden. Das nicht prozessierte Pulver ist allerdings durch die hohe Bauraumtemperatur gealtert, sodass es einer eingehenden Prüfung unterzogen werden muss.
Überprüfung von nicht prozessiertem Pulver:
- Durch Sieben der Pulvermasse lässt sich feststellen, ob die Pulverpartikelgröße ausreichend klein ist. Allerdings ist zu beachten, dass auch ein zu großer Feinanteil zu einer reduzierten Fließfähigkeit des Pulvers führen kann.
- Die Viskosität der Kunststoffschmelze lässt sich in Form eines MVR (Melt Volume Rate)-Werts oder eines MFI (Melt Flow Index)-Werts feststellen. Bei diesem Messverfahren nach ISO 1133 wird das Volumen bzw. die Masse der Kunststoffschmelze gemessen, die in 10 Minuten aus einem beheizten Zylinder durch eine Düse fließt. Die gemessenen Werte sollten anschließend mit den Herstellervorgaben verglichen werden.
Temperaturführung
Die Temperaturverteilung in der Maschine wird an verschiedenen Stellen durch Temperatursensoren überwacht. In der Pulverzuführung können Thermoelemente platziert sein. Im Pulverbett wird die Temperatur durch Strahlungsthermometer oder Thermokameras kontrolliert.
Kontrolle durch den Bediener
Der Bediener sollte während des Bauprozesses regelmäßig durch das Sichtfenster in die Baukammer schauen, um die Qualität des Pulverauftrags zu prüfen. Folgende Qualitätsabweichungen sind zu beachten:
- Löcher und Streifen im Pulverbett
- Farbunterschiede
- Verzug des Bauteils
Die Kontrolle sollte zu Beginn des Bauprozesses häufiger durchgeführt werden, da die Maschine einige Zeit braucht, bis sich stabile Temperaturverhältnisse einstellen. Im Verlauf des Bauprozesses können die Kontrollintervalle verlängert werden, bis die Fertigung quasi mannlos erfolgt.
Qualitätssicherung beim Laserschmelzen
Das (selektive) Laserschmelzen (SLM) folgt einem ähnlichen Ablauf wie das (selektive) Lasersintern. Allerdings sind die aufgetragenen Pulverschichten dünner und die Baumraumtemperatur ist im Verhältnis zur Schmelztemperatur niedriger. Ein Großteil der Energie zum Aufschmelzen der aktuellen Pulverschicht und zum Anschmelzen der darunterliegenden Schicht wird durch den Laser erbracht (Bild: Aufbau einer Anlage zum Laserschmelzen). Die beiden Prozessschritte Pulverauftrag und Laserschweißen haben den größten Einfluss auf die Bauteilqualität. Anders als beim SLS-Prozess muss das wiederverwendete Metallpulver nicht auf eine thermisch bedingte Alterung geprüft werden, da die maximal mögliche Bauraumtemperatur der meisten Anlagen deutlich unter denen einer Wärmebehandlung liegt. Ob und wie Metallpulver in den nächsten SLM-Maschinengenerationen mit Bauraumheizungen bis zu 500 °C altert, ist noch zu untersuchen.
Auftragen der Pulverschichten
Beim Auftragen einer neuen Pulverschicht gibt es zwei wichtige Faktoren, die die Bauteilqualität beeinflussen: Die Fließfähigkeit des Pulvers und der Zustand der Beschichtereinheit. Die Fließfähigkeit wird im Wesentlichen durch die Partikelform und Größe bestimmt. Der Zustand der Beschichterklinge ist vor jedem Baujob durch den Anlagenbediener zu prüfen. Ist die Klinge beschädigt, wird stellenweise zu viel Pulver aufgetragen, das aus dem Pulverbett herausragt. Der Überschuss wird im Prozess aufgeschmolzen und findet sich anschließend als Streifen auf dem Bauteil wieder. Ist die Beschädigung der Beschichterklinge so groß, dass der aufgeschmolzene Streifen noch aus der nachfolgenden Pulverschicht herausragt, verschleißt die Klinge an dieser Stelle weiter und der Streifen im Pulverbett wächst, bis die Klinge an dem überhöhten Streifen hängenbleibt und der Bauprozess abbricht.
Kontrolle durch den Bediener
Der Bediener sollte den Bauprozess überwachen und die Qualität des Pulverauftrags regelmäßig kontrollieren. Einige Anlagenhersteller bieten eine Überwachung des Pulverbetts mit optischen Kameras an. Mit den Kameras wird kontrolliert, ob das Pulverbett nach dem Aufzug einer neuen Schicht einheitlich grau ist. So können nicht nur Streifen im Pulverbett, sondern auch andere Fehler, wie fehlendes Pulver oder verzogene Bauteilbereiche, aufgedeckt werden.
Überwachung des Laserschweißprozesses
Es gibt viele verschiedene Parameter, die auf den Laserschweißprozess einwirken, jedoch mitunter schwer zu überwachen sind. So wird beispielsweise die Laserleistung in SLM-Anlagen direkt an der Strahlquelle gemessen. Die gewonnenen Werte helfen bei der Überwachung der Strahlquellenfunktion, sagen aber wenig über die Leistung aus, die im Pulverbett ankommt. Ein Teil der Leistung könnte auf dem Weg zum Schmelzpool durch verschmutzte optische Elemente oder aufsteigenden Schweißrauch absorbiert werden. Durch die hohe Scangeschwindigkeit und den kleinen Fokus des Laserstrahls ist dies jedoch schwer messbar.
Zielführender ist es, die Stabilität des SLM-Prozesses zu überwachen. Viele Anlagenhersteller bieten Systeme an, die den Schmelzpool beobachten. Dazu dienen Kameras oder Fotodioden, die im Strahlengang des Lasers angebracht werden. Bedingt durch die kleine Schmelzpoolgröße und die hohe Scangeschwindigkeit ist eine hohe Abtastrate der Kamera erforderlich. Das führt zu großen Datenmengen von mehreren hundert Megabyte pro Sekunde, die über die komplette Baujob-Dauer von mehreren Stunden anfallen. Eine langfristige Speicherung dieses Datenvolumens ist heute nicht möglich. Stattdessen werden die Kamerabilder in Echtzeit auf einzelne Kennwerte wie Schmelzpoolfläche und Leuchtintensität reduziert und für die jeweilige Position im Bauteil abgespeichert. Anhand dieser Daten können später Bereiche im Bauteil identifiziert werden, an denen es zu Abweichungen gekommen ist. Mit anderen zerstörungsfreien Prüfverfahren kann dann gezielt geprüft werden, ob die Abweichungen im Prozess auch zu Fehlstellen im Bauteil geführt haben.
Temperaturüberwachung
Bei Anlagen mit Bauraumheizung sollte die Temperatur im Bauraum überwacht und dokumentiert werden. Da sich die Baumraumtemperatur nur langsam ändert, ist eine Messung pro Pulverschicht ausreichend.
Sauerstoffkonzentration im Bauraum
Beim Laserschmelzen ist die Prozesskammer über dem Pulverbett mit einem Inertgas – üblicherweise Stickstoff oder Argon – geflutet, da das Metallpulver entzündlich ist. Der Restsauerstoffgehalt muss auch Sicherheitsgründen von den SLM-Maschinen überwacht und dokumentiert werden. Die Konzentration sollte deutlich unter 1 % liegen. Die Maschinen erkennen allerdings nicht, welches Inertgas sich im Bauraum befindet. Der Anlagenbediener hat daher sicherzustellen, dass das richtige Gas verwendet wird. Titan-Pulver darf beispielsweise nicht in einer Stickstoffatmosphäre verarbeitet werden, da beide Stoffe miteinander reagieren.
Fazit
Für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement in der additiven Fertigung ist es in allen drei Verfahren unerlässlich, die wichtigen Einflussgrößen auf die Qualität der Bauteile kontinuierlich zu überwachen und dabei so viele Prozessdaten wie möglich zu erfassen, um selbst geringe Schwankungen im Fertigungsprozess festzustellen. Nach Beendigung des Baujobs sollte das Bauteil zusätzlich einer Qualitätskontrolle durch gängige Prüfverfahren unterzogen werden. Dies können zerstörende Prüfungen an Fertigungsbegleitproben oder zerstörungsfreie Prüfungen am eigentlichen Produkt sein.
* Dr.-Ing. Christoph Klahn, Leiter der Gruppe Design for New Technologies bei der inspire AG, Prof. Dr.-Ing. Mirko Meboldt, Professor für Produktentwicklung und Konstruktion an der ETH Zürich und Leiter der von ihm gegründeten pd|z Product Development Group.
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