Quantenprozessor Quantencomputer für die Industrie: Wohin geht die Reise in Deutschland?

Ein Gastbeitrag von Christian Reinwald* |

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Viele Hoffnungen und Visionen sind mit Quantencomputing verbunden. Wo stehen wir aktuell mit der Technik und wo wollen wir damit noch hin?

Weit voneinander entfernt und doch verbunden: Christian Reinwald sieht in der Quantentechnologie viel Potenzial.
Weit voneinander entfernt und doch verbunden: Christian Reinwald sieht in der Quantentechnologie viel Potenzial.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

Mit kaum einer anderen Technologie sind derzeit so große Erwartungen verknüpft, wie mit Quantencomputern. Diese könnten mit ihrer enormen Rechenpower beispielsweise die Materialforschung revolutionieren oder Bauteile in verschiedenen Branchen optimieren. In Deutschland steht seit 2021 der erste Quantencomputer, der von IBM in den USA produziert wurde. Das ist ein erster wichtiger Schritt, um sich der Zukunftstechnologie zu nähern und das Know-how auf diesem Gebiet auszubauen.

Die deutsche Industrie könnte davon profitieren – doch wo stehen wir hierzulande überhaupt?

Was ist ein Quantencomputer?

Um die Vorteile eines Quantencomputers zu verstehen, ist es wichtig, zu wissen, wie dieser funktioniert. Die Abgrenzung zu einem herkömmlichen Computer kann dabei helfen: Während dieser nämlich klassische Bits verwendet, nutzt ein Quantencomputer die Gesetze der Quantenmechanik. Bits kennen nur den Zustand 1 oder 0. Ein Quantencomputer arbeitet stattdessen mit Quantenbits. Ein Qubit, die Kurzform für Quatenbits, ist die kleinste Rechen- und Informationseinheit, mit der ein Quantencomputer arbeitet. In dieser Form können im Gegensatz zu den Bits viel mehr Information gleichzeitig repräsentiert und verarbeitet werden. Dadurch ist es möglich, enorm große Datenmengen viel schneller zu verarbeiteten – das birgt großes Potenzial für die Industrie und kann zukünftig zu einer gesteigerten Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die die Technologie einsetzen wollen, führen.

Ein Praxisbeispiel aus der Automobilbranche zeigt, wie die neuartigen Rechner schon heute getestet werden. Automobilhersteller nutzen viele Bauteile von Zulieferern und sind auf eine einwandfreie Lieferung angewiesen. BMW testet seit 2021 den Quantencomputer der US-Firma Honeywell. In der aktuellen Testphase verfolgt BMW das Ziel, die Lieferkette in Echtzeit zu beobachten und die Fertigungsgeschwindigkeit zu optimieren. Dabei geht es speziell darum, herauszufinden, welche Komponenten der Münchner Automobilproduzent von welchem Zulieferer zu welchem Zeitpunkt kauft, um insgesamt niedrigere Kosten im laufenden Betrieb zu erzielen – der Computer muss die beste Option abwägen.

Bei all den Versuchen am Markt und auch in der Forschung, ist die größte Herausforderung aktuell noch, dass die Qubits sehr störungsanfällig sind: Auslöser wie Umgebungsgeräusche, Vibrationen und Temperaturschwankungen können innerhalb von 100 Mikrosekunden dazu führen, dass sie ihre Quanteneigenschaft verlieren. Bis ein Quantencomputer in ein herkömmliches Rechenzentrum einziehen kann, muss er dafür gerüstet und die Umgebung entsprechend präpariert sein – es ist deshalb ein wichtiger Aufgabenbestandteil der Forscherteams, Ansätze zur Fehlerkorrektur zu identifizieren.

Potenzial für Deutschland

Nichtsdestotrotz ist sich die Bundesrepublik der Wichtigkeit dieser Technologie bewusst und förderte noch unter Altkanzlerin Angela Merkel 2021 den Erwerb des ersten Quantencomputers für Deutschland. Mit der Forschungsplattform IBM Quantum System One entstand im baden-württembergischen Ehningen ein Gemeinschaftsprojekt der Fraunhofer Gesellschaft für anwendungsorientierte Forschung und IBM mit dem ersten von dem IT-Unternehmen entwickelten universellen Quantencomputer. Forscher und Forscherinnen aus Wirtschaft und Wissenschaft können dadurch die Technologie testen. Für 11.621 Euro Monatsmiete können auch Unternehmen den Quantencomputer mit seinen 27 Qubits testen. Und der Bund investiert weiterhin in die Technologie: Bis 2025 will er zusätzlich zwei Milliarden Euro dafür einsetzen.

Zusätzlich existiert ein Netzwerk aus Universitäten, Forschungsinstituten und Unternehmen – das sogenannte Munich Quantum Valley. Zentrales Ziel des europaweit einzigartigen Netzwerks ist es, in den kommenden fünf Jahren ein Zentrum für Quantencomputing und Quantentechnologie, kurz ZQQ, aufzubauen. Die Initiative zielt jedoch nicht nur darauf, die Forschung hierzulande zu fördern. Auch will sie an Expertinnen und Experten der Quantentechnologie ein klares Signal senden, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb hier eine entscheidende Richtung einschlägt.

Welches hohe Ansehen Quantentechnologie weltweit bereits als Forschungsgebiet genießt, verdeutlicht die diesjährige Nobelpreisauszeichnung der Quantenphysiker Alain Aspect, John Clauser und Anton Zeilinger. Die Arbeiten der Nobelpreisträger gelten dabei als Grundlage für ein neues Zeitalter in diesem Bereich.

Ein Quantum Ausblick

Im Rahmen einer europäischen Initiative werden sechs Quantencomputer in bestehende Supercomputer integriert, wodurch europaweit ein breites Netz entstehen soll. Einer der Rechner wird in Deutschland stehen. Zur Verfügung stehen sollen die neuen Quantencomputer voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2023. Diese Maschinen werden nur europäische Hard- und Software beinhalten und europäische Technologie nutzen, die im Rahmen von EU-finanzierten Quanteninitiativen, nationalen Forschungsprogrammen und privaten Investitionen entwickelt wurde.

Damit kommt Europa zwar wieder dem Ziel einen Schritt näher, bis 2030 zu den Vorreitern der Quantenfähigkeit zu gehören. Bis Quantencomputer allerdings in der Breite für die deutsche Industrie eingesetzt werden können, wird wohl noch mehr als ein Quantensprung von Nöten sein.

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* Christian Reinwald arbeitet als Head of Product Management & Marketing bei Reichelt Elektronik.

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