Luftakrobatik Neues Bedienkonzept für Smartwatches

Redakteur: Jürgen Schreier

Schweizer Chronometer à la Rolex & Co. sind gediegen. Aber trendy? Eher nicht. Digitalos schnallen sich lieber eine Smart Watch ans Handgelenk. Diese Uhren haben aber einen wesentlichen Nachteil: die umständliche Bedienung. Ein neues Steuerungskonzept soll Abhilfe schaffen.

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Die Smartwatch lässt sich sozusagen "aus der Luft" ansteuern.
Die Smartwatch lässt sich sozusagen "aus der Luft" ansteuern.
(Bild: Oliver Dietze)

Sie heißen „Apple Watch Series 2“, „LG Watch“, „Samsung GEAR S3“ oder „Moto 360 2nd Gen“. Smartwatches sind mehr als elektrische Armbanduhren. Man kann damit Anrufe annehmen, Nachrichten lesen, Apps aufrufen oder Fitnessdaten erfassen. So wird bei diesen intelligenten Begleitern das Messen der Zeit fast schon zur Nebensache.

Früher oder später wird man damit sogar Anlagen und Maschinen überwachen und steuern können oder die Beleuchtung oder Raumtemperatur in den eigenen vier Wänden, sind Experten überzeugt.

Die Eingabe setzt bisher Grenzen

Größer Nachteil der smarten "Uhren": Sie lassen sie sich bisher nur recht umständlich bedienen, weil ihre Eingabefläche sehr klein ist. Forscher des Max-Planck-Instituts für Informatik in Saarbrücken haben deshalb zusammen mit Forschern aus Finnland und Dänemark eine neuartige Eingabemethode entwickelt: Die Bewegungen von Daumen und Zeigefinger werden nicht neben der Uhr auf dem Handrücken wie auf einem Touchscreen erfasst, sondern auch im unmittelbaren Luftraum über dem Handrücken. So ließen sich nicht nur Smartwatch, Smartphone, moderne Fernsehgeräte und Endgeräte für erweiterte Realität komfortabel steuern, versprechen die Wissenschaftler, vielmehr seien auch völlig neue Interaktionsformen möglich.

„Jede neue Produkt-Generation stellt bessere Bildschirme, schnellere Prozessoren und präzisere Kameras vor, in punkto Eingabe bleibt es jedoch bei den Beschränkungen“, weiß Srinath Sridhar, der an der Universität des Saarlandes promoviert hat und am Max-Planck-Institut für Informatik forscht. Sridhar hat zusammen mit Prof. Christian Theobalt am Max-Planck-Institut für Informatik sowie Forschern in Dänemark und Finnland eine Eingabemethode entwickelt, die die Fingerspitzen von Daumen und Zeigefinger sowohl im dreidimensionalen Luftraum über dem Handrücken als auch ihre Position und ihren Druck auf dem Handrücken selber erfasst.

Tiefensensor auf Kinect-Basis "filmt" Fingerbewegungen

An Hardware setzt der Prototyp, den die Forscher auf den Namen WatchSense getauft haben, lediglich einen Tiefensensor voraus, der eine kleinere Version des Sensors ist, wie man ihn von der Spielesteuerung Kinect für die Xbox 360 kennt. Bei WatchSense sitzt der Tiefensensor am Unterarm des Anwenders, knapp 20 cm von der Uhr entfernt. Im Stil einer 3D-Kamera "filmt" er Bewegungen von Daumen und Zeigefinger - sowohl auf dem Handrücken als auch im Luftraum darüber.

Die von den Forschern entwickelte Software erkennt im 3D-Bild Position und Bewegung der Finger, sodass der Nutzer damit Anwendungen auf der Smartwatch oder dem Smartphone steuern kann. „Die aktuell erhältlichen Tiefensensoren passen zwar noch nicht in eine Smartwatch, aber der Trend geht ganz klar dahin, dass in naher Zukunft kleinere Tiefensensoren in die Smartwatches integriert werden“, erläutert Sridhar.

Unmögliche Interaktionsformen werden plötzlich möglich

„Smartphones können zwar mit einem oder mehreren Fingern auf dem Display bedient werden, sie nutzen aber nicht den Raum darüber. Kombiniert man beides, kann man bisher unmögliche Interaktionsformen erschaffen”, so der Saarbrücker Wissenschaftler. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er nachgewiesen, dass man mit WatchSense die Lautstärke in einem Musik-Programm schneller ändern und ein neues Lied auswählen kann als mit einer herkömmlichen App.

Die Forscher erprobten WatchSense außerdem für Tätigkeiten in der erweiterten und virtuellen Realität sowie eine Landkarten-Anwendung und steuerten schließlich damit einen großen, externen Bildschirm. Ihre Nutzerstudien zeigen, dass WatchSense im Vergleich zu herkömmlichen berührungsempfindlichen Displays benutzerfreundlicher ist.

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