Nachhaltigkeit Neue Plattform will Blockchain-Ökobilanz verbessern

Autor / Redakteur: Simone Giehl* / Sebastian Human

Vom Anlagenbau bis zu den Zulieferern der Automobilindustrie – Blockchain-Technologien gelten als eines der vielversprechendsten Trendthemen für eine Vielzahl von Branchen. Doch ob Blockchain sich tatsächlich vom Hype zum Heilsbringer mausert, hängt auch ganz entscheidend von einer Frage ab.

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Eine neue Open-Source-Plattform will das Bewusstsein für den Energieverbrauch von Public Blockchains wecken und gleichzeitig Möglichkeiten aufzeigen, wie man den Folgen für unser Klima entgegensteuern kann.
Eine neue Open-Source-Plattform will das Bewusstsein für den Energieverbrauch von Public Blockchains wecken und gleichzeitig Möglichkeiten aufzeigen, wie man den Folgen für unser Klima entgegensteuern kann.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Diese Frage lautet: Wie nachhaltig ist diese Technologie? Eine Open-Source-Plattform namens Carbonara will diesen Aspekt jetzt verstärkt ins Bewusstsein rücken – und so auch die technische Weiterentwicklung positiv beeinflussen.

Unternehmen verändern sich: Produktion, Produkte und Services werden immer vernetzter und immer intelligenter. Mit den Unternehmen verändern sich auch die Prozesse, die Geschäftsmodelle sowie die Art, wie Unternehmen mit Kunden und Partnern interagieren. Blockchain-Technologien bieten dabei interessante Möglichkeiten mit viel Potenzial, gerade auch für die Kommunikation von Maschinen oder „Things“ untereinander – bis hin zu Mikrotransaktionen auf Basis eigener Handlungsvollmachten.

Auf dieser Basis könnte beispielsweise eine Kaffeemaschine Verbrauchsgüter wie Kaffeekapseln und Reinigungsmittel eigenständig nachbestellen. Vorstellbar sind auch neue Bezahlmodelle für teure Maschinen in der industriellen Fertigung: Statt solche Maschinen zu kaufen könnte man beispielsweise ein Pay-per-Use Modell einführen. Die Hersteller bekämen so einen kontinuierlichen Cash Flow, während für kleinere Unternehmen die Hürden für die Anschaffung einer solchen Maschine gesenkt würden.

Vertrauen kostet Energie

Der größte Benefit von Blockchain-Technologien ist allerdings etwas, das ein unverzichtbares Schmiermittel jeglicher Interaktion ist: Vertrauen. Doch genau das bringt auch eine große Herausforderung mit sich: Wie in „analogen“ Interaktionen ist es auch beim Einsatz der Blockchain harte Arbeit, Vertrauen zu schaffen. Damit Daten in einer Blockchain fälschungssicher sind, müssen sie verifiziert werden. Das geschieht durch das Lösen von Algorithmen – und die brauchen enorm viel Rechenpower. Wäre es nicht so, dann wäre das Fälschen der Informationen zu leicht und damit das Vertrauen dahin. Doch die Rechenpower hat einen Preis: Einen hohen Energieverbrauch und damit einen hohen CO2-Ausstoß.

Bei der wohl bekanntesten Blockchain-basierten Kryptowährung Bitcoin geht das bereits so weit, dass der niederländische Ökonom und Blockchain-Experte Alex de Vries 2018 in einem Interview mit Spiegel Online den jährlichen Energieverbrauch des Systems mit 67 Terawattstunden bezifferte. Das entspräche in etwa dem Bedarf der gesamten Schweizer Volkswirtschaft. Bei diesen Zahlen wird schnell klar: Wenn Blockchain-Technologien erfolgreich und in großem Maßstab eingesetzt werden sollen, dann muss der Energieverbrauch und damit das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Fokus rücken.

Bewusstsein für den Energieverbrauch von Public Blockchains

Mit genau diesem Thema setzt sich seit dem 26. Juni das Projekt Carbonara auseinander. Die unkommerzielle Open-Source-Plattform wurde Anfang des Jahres vom Startup Unibright und dem Innovationsdienstleister Zühlke initiiert und erlaubt es, den Energieverbrauch beziehungsweise den CO2-Fußabdruck von Bitcoin-Wallets zu ermitteln und zu kompensieren. Mit der Aktion wollen die beiden Unternehmen vor allem das Bewusstsein für den Energieverbrauch von Public Blockchains wecken und gleichzeitig Möglichkeiten aufzeigen, wie man den Folgen für unser Klima entgegensteuern kann.

Stefan Grasmann, Managing Director Competence Center und Mitglied der Geschäftsleitung bei Zühlke erklärt dazu: „Blockchain-Technologien bieten enormes Potenzial, um aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme zu lösen. Aber wenn wir mit einer solchen Technologie aktuelle Probleme lösen, müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass wir damit nicht an anderer Stelle neue schaffen.“

Nachhaltigkeit als Entscheidungskriterium

Stefan Schmidt ist Co-Founder und CTO bei Unibright.
Stefan Schmidt ist Co-Founder und CTO bei Unibright.
(Bild: Unibright)

Stefan Schmidt, CTO und Co-Founder von Unibright ergänzt: „Aktuell ist das wichtigste Kriterium für die Auswahl einer Blockchain-Technologie die Skalierbarkeit und Usabilty der Lösung, die Geschwindigkeit der Transaktionen oder die dabei entstehenden Kosten. Doch in Zukunft werden andere Punkte an Bedeutung zunehmen, wie etwa eben auch Nachhaltigkeit.“ Für die Zukunft sieht der Blockchain-Experte dabei Zertifizierungen für Umweltfreundlichkeit als wahrscheinlich an.

In der ersten Version bietet die Software Nutzern die Möglichkeit, die Adresse einer Bitcoin-Wallet und einen Zeitraum einzugeben, um die Transaktionen dieser Wallet auszuwählen. Sie ermittelt daraus die CO2-Bilanz dieser Transaktionen. Anschließend kann der Nutzer die Menge an CO2 an eines der Partnerportale weiterleiten, die eine CO2-Kompensation anbieten. Die statistischen Analysen, auf denen die Berechnung basiert, sind in einem Green Paper, das parallel zur Vorstellung veröffentlicht wurde, detaillierter dargestellt.

Plattform soll weiterentwickelt werden

Stefan Grasmann leitet bei Zühlke das Competence Center und ist Mitglied der Geschäftsleitung.
Stefan Grasmann leitet bei Zühlke das Competence Center und ist Mitglied der Geschäftsleitung.
(Bild: Zühlke)

Momentan dient die Kryptowährung Bitcoin als erstes Beispiel. Doch dabei soll es nicht bleiben. Als Open-Source-Projekt ist es das erklärte Ziel der beteiligten Unternehmen, möglichst viele weitere Teilnehmer dazu zu bewegen, Carbonara als Plattform weiterzuentwickeln. Stefan Schmidt erklärt dazu: „Wir haben schon jetzt eine solide Datenbasis integriert – aber das heißt natürlich nicht, dass es nicht noch besser geht. Deshalb sind weitere Teilnehmer herzlich eingeladen, gemeinsam mit uns Carbonara weiterzuentwickeln, seien es Einzelpersonen, Forschungsgruppen, Blockchain-Projekte oder auch Anbieter von Lösungen zur CO2-Kompensation.“

Stefan Grasmann ergänzt: „Wir suchen natürlich auch Nutzer und Partner, die unsere Carbonara-Plattform nutzen und in ihre Lösungen oder Webseiten integrieren möchten. Gemeinsam wollen wir noch mehr aus dieser Plattform machen! So können wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Blockchain-Technologien die Welt auch wirklich ein Stück besser machen.“

* Simone Giehl ist Expertin für Blockchain und andere Distributed Ledger Technologien und arbeitet als Business Lead für das Thema Blockchain bei Zühlke.

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