VR-Technologien Mit Virtual Reality zur Unsterblichkeit
Wer bisher nach "Unsterblichkeit" strebte, musste sich nach dem Ableben bei -130 °C in flüssigem Stickstoff lagern lassen. Die Hoffnung: Irgendwann wieder aufgetaut, würde man dank des medizinischen Fortschritts einer Verjüngungskur unterzogen. Die moderne Alternative: der fotorealistische Klon in der virtuellen Welt.
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Einfrieren, Auftauen und Weiterleben? Seit 50 Jahren lassen sich Menschen nach ihrem Tod einfrieren in der Hoffnung, dass sie eines Tages dank des medizinischen Fortschritts wiederauferstehen und dann (für immer?) weiterleben könnten. Rein technisch betrachtet ist es kein großes Problem, einen Menschen in den "Winterschlaf" zu schicken.
Konkret wird dem Verstorbenen zunächst ein Frostschutzmittel appliziert; dann kühlt der Kryotechniker den Körper auf -130°C (oder niedriger) herunter und lagert diesen bei gleichen Umgebungsbedingungen in einen Stickstofftank ein. Recht wortkarg aber wird man in der Kryoszene, wenn es um das Auftauen und Reanimieren des Eingefrorenen geht. "Wie genau die Reanimation später ablaufen soll, haben wir Kryoniker in unseren Überlegungen bislang bewusst ausgelassen", erklärt der Kryonik-Experte Prof. Dr. med. Klaus Sames, in einem Interview mit dem Fachportal via medici. Der Berater des amerikanischen Cryonics Institute verweist auf die Tatsache, dass auf dem Weg zum zweiten und womöglich gar ewigen Leben noch eine ganze Menge technischer und medizinischer Hürden aus dem Weg zu räumen seien.
Weiterleben als fotorealistisches "Bild"
Doch ist die Kryonik keineswegs die einzige Technologie, wenn man "unsterblich" werden möchte. Eine Alternative stellt Virtual Reality dar - wenn auch "nur" eine virtuelle. Rein theoretisch wäre es möglich, den eigenen Körper mittels fotografischer Verfahren in die virtuelle Realität zu projizieren. Dort - also in der virtuellen Welt - würde man dann quasi unsterblich werden und Angehörige könnten den Verstorbenen problemlos besuchen .
Dieses Denkmodell des Soziologen Dr. Jonathan Harth von der Universität Witten/Herdecke (UW/H) klingt spannend, wirft aber zugleich allerlei (ethische) Fragen aufwirft, wie der promovierte Soziologe zugibt. Schließlich könnte die Möglichkeit der virtuellen Unsterblichkeit dazu führen, dass uns der reale Tod der Menschen irgendwann gleichgültig ist.
Typologie der VR-Nutzer erarbeitet
Dies ist nur eine der zahlreichen Überlegungen, die man am Institut für Soziologie der UW/H zu den gesellschaftlichen (und moralischen) Folgen von Virtual Reality aufwirft. "Wir müssen schauen, wo wir die Grenzen von VR ziehen. Denn diese werden, sobald die technischen Möglichkeiten ausgereift sind, nur noch in unseren Köpfen existieren. Mit solchen Fragen muss die Gesellschaft einen Umgang finden“, ist Harth überzeugt.
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3. Zukunftsforum Technik
Ein Tauchgang in virtuelle Welten
Das Thema VR dürfe nicht allein den Technikern überlassen bleiben, so der Sozialwissenschaftler. Deshalb untersucht Hart mit Hilfe der neuen Virtual Reality Ausrüstung der Universität mit seinen Studierenden, welche Auswirkungen die neuen digitalen Möglichkeiten auf Gesellschaft und Individuum haben könnten. „Wir haben uns der virtuellen Realität sozialwissenschaftlich genähert und genauer untersucht, was diese Möglichkeit für den Menschen bedeutet. Dabei ging es uns darum herauszufinden, was diese Präsenz, also das Gefühl, wirklich dort zu sein in der anderen Welt, mit den Menschen macht und wie unterschiedlich diese auf die andere Realität reagieren. Die Perspektive der Benutzer wird in der VR-Forschung bisher leider kaum beachtet.“
Was tun, wenn Menschen die VR-Welt nicht mehr verlassen wollen?
Anhand der Ergebnisse entstand auch eine Typologie der VR-Nutzer. „Es gibt große Unterschiede bei der Reaktion auf die digitalen Welten“, erläutert Harth. „Je nachdem, wie selbst- oder weltorientiert, wie kontroll- oder explorationsbezogen die Menschen sind, sind sie unterschiedlich stark in der Lage, in diese Welt einzutauchen.“ Für Harth "bietet das Thema bietet riesige Potenziale, aber auch einige Risiken. So werde es beispielsweise Milieus geben, in denen Menschen den Wunsch verspüren die künstliche Welt nicht mehr zu verlassen".
Trotzdem will der UW/H-Wissenschaftler die VR-Technologie nicht verteufeln. „Sie ist ein weiterer Schritt in Richtung Medien- und Computergesellschaft.“ Positives Potenzial sieht er beispielsweise in Schulungs- und Trainingsanwendungen, generell in Lernkontexten und beim Thema gemeinschaftliches Arbeiten. „Man kann sich auch fragen, ob VR nicht sogar so etwas wie eine Empathie-Maschine sein kann“, sagt er. „Durch die Möglichkeit, vollkommen neue Perspektiven einzunehmen und beispielsweise als Mann in einen Frauenkörper oder auch in die Rolle eines Kindes in einem Slum in Nigeria schlüpfen zu können, wird es vielleicht möglich sein, einen ganz anderen Grad an Beziehung und Verständnis für andere Menschen aufzubringen.“ Das Holodeck aus der SciFi-Serie Startrek lässt grüßen - wenngleich die dort dargestellten Umgebungen, Gegenstände und Personen nicht nur visuell und akustisch, sondern auch haptisch wahrgenommen werden können.
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50 Jahre Star Trek
Diese Star-Trek-Technologien existieren schon heute
Studenten konstruieren ihre eigene virtuelle Welt
Seit den UW/H-Forscher vor drei Jahren die „Virtual Reality Welle“ erwischt hat, ist er fest entschlossen, diese Entwicklungen weiter wissenschaftlich zu begleiten. Dank der neuen VR Hardware, die an der UW/H in Forschung und Lehre eingesetzt wird, ist dies nun viel umfänglicher möglich. So wird er in dem Seminar „Reflexion und Konstruktion virtueller Welten“ im kommenden Semester die neuen technischen Möglichkeiten dazu nutzen, um herauszufinden, wie eine eigene virtuelle Welt entworfen werden kann.
„Für die technischen Details werden wir uns vermutlich einen Kooperationspartner suchen“, kündigt Harth an. „Für uns wird es darum gehen, die technische und die Reflexionsperspektive zu verbinden. Wir werden zudem untersuchen, wie sich die soziale Situation verändert, wenn Personen nur virtuell, aber nicht körperlich präsent sind. Bei Volkswagen, und bald wohl auch in anderen Konzernen, wird VR schon zur kollaborativen Arbeit eingesetzt."
Wie arbeitet man eigentlich mit Avataren zusammen?
Weitere interessante Fragen sieht Soziologe Harth im Hinblick auf das gemeinschaftliches Arbeiten: Was ist, wenn es nur im virtuellen Raum stattfindet? Und wie ändert es sich, wenn man nicht mit anderen Menschen, sondern mit computergesteuerten Avataren zusammenarbeitet? Besonders zum Thema Mensch-Maschine-Interaktion möchte der VR-Experte weiterforschen: „Noch sind diese künstlichen Figuren recht stupide und etwas langweilig. Das wird sich aber sicherlich durch Entwicklungen im Bereich KI ändern und auch die VR-Technologie wird sich rasant weiterentwickeln. Wir möchten weiterhin wissenschaftlich erforschen, wie sich diese neuen Möglichkeiten auf unsere Kommunikation und Interaktion auswirken.“
VR-Markt im B2B-Bereich vor dem Durchbruch?
Vielleicht wird das auch dem Einsatz von VR im B2B-Bereich zum Durchbruch verhelfen. Momentan sind nach Erhebungen des Digitalverbandes Bitkom lediglich 2 % der deutschen Unternehmen auf diesem Gebiet aktiv. 11 % der befragten Unternehmen wollen immerhin den Einsatz von VR-Systemen in ihren Prozessen prüfen. Nach Angaben des Statistikdienstes Statista soll sich der B2B-Umsatz mit Virtual-, Augmented- und Mixed-Reality-Lösungen (inklusive Hardware) im Jahr 2020 auf rund 753 Millionen Euro belaufen - nach 343 Millionen Euro im laufenden Jahr. Laut einer IDC-Studie sollen sich die Verkaufszahlen von VR-Brillen bis 2021 von 2,1 Milliarden Dollar (2016) auf 18,6 Milliarden Dollar steigen. Parallel dazu wird die Zahl der VR-Nutzer weltweit auf 24,4 Millionen (2017: 9,7 Millionen) zunehmen (Statista).
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