Schleppende Digitalisierung Mehr Tempo notwendig: Die Leute wollen online zum Amt
Die Mehrheit der Deutschen stuft die eigene Stadt oder Gemeinde als digital rückständig ein. Das sagen die Zahlen der Bitkom. Zwei Drittel der Befragten will online zum Amt. Die neue Bundesregierung hat viele Aufgaben, damit Deutschland beim Thema Digitalisierung nicht weiter abgehängt wird.
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Stadt, Land, Frust: So hat es der Branchenverband Bitkom während seiner Präsentation im Rahmen der Smart Country in Berlin auf den Punkt gebracht. Mehr Digitalisierung wagen. Das wünschen sich die Deutschen. Befragt hat der Branchenverband Bitkom 1.006 Personen. Interessant allein war bereits die Frage nach dem Digitalisierungsgrad der Städte und Gemeinden: Denn trotz einer Pandemie stieg die Einschätzung „völlig rückständig“. Diese stieg von 26 Prozent im Jahr 2019 auf 31 Prozent 2021.
Verwaltungen vollständig digitalisieren. Das ist der Wunsch der Deutschen. Vier von fünf Bürgern möchten gern online zum Amt. Denn Digitalisierung erleichtert das Leben. Nicht aus den Augen lassen sollte man allerdings die Bedenken. Denn immerhin 21 Prozent möchte das nicht. Sie befürchten zum gläsernen Menschen zu werden oder haben Angst vor Datenmissbrauch.
Mehr Digitalisierung in Städten und Gemeinden wagen
Für mehr Digitalisierung in Städten und Gemeinden empfiehlt der Bitkom eine Kompetenzerweiterung auf der Bundesebene. Der Bund solle bei der Digitalisierung mehr Zuständigkeiten erhalten, um bundesweite Standards schaffen zu können. „Die Menschen im Land drängen auf mehr digitale Angebote in Städten und Gemeinden. Diesem Bedürfnis müssen die Rathäuser umfassender gerecht werden“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder.
„Der Bund muss mehr Verantwortung bei der Digitalisierung übernehmen und handlungsfähiger werden,er muss Standards setzen und unterstützen dürfen. Kommunen brauchen Geld, Know-how und einen engen Austausch mit Bürgerschaft und Wirtschaft.“
Ein großer Schritt bei der Digitalisierung von Bund, Ländern und Kommunen wäre aus Sicht der Bevölkerung getan, würde man die überlasteten Verwaltungen durchgängig digitalisieren. Die große Mehrheit der Deutschen wünscht sich eine digitale Verwaltung. Für 88 Prozent der Befragten könnte es sogar noch einfacher gehen: Sie finden, dass die Beantragung, Verlängerung und Zusendung von Dokumenten automatisch ablaufen sollte.
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Studie
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Digitaler Ausweis wäre ein Anfang
Drei Viertel würden den elektronischen Personalausweis beim Online-Amt nutzen. Immer noch 75 Prozent sprechen sich für ein einheitliches Servicekonto aus, über das man sich identifizieren, authentifizieren und Zugang zu allen digitalen Verwaltungsleistungen haben kann. Hier sind Länder wie Dänemark oder die baltischen Republiken schon viel weiter.
Denn die eigenen Stammdaten würden immerhin 58 Prozent einmalig bei einer Behörde hinterlegen und erlauben, dass diese zwischen Behörden ausgetauscht und wiederverwendet werden dürfen. Dazu Rohleder: „Eine digitale, innovative Verwaltung ist ein internationaler Standortfaktor. Es ist schwer vorstellbar, dass die innovativsten und zukunftsträchtigsten Geschäftsmodelle der nächsten Jahre in Staaten entstehen, die bei der Verwaltungsdigitalisierung den Anschluss verloren haben.“
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Die fristgerechte Umsetzung der OZG ist gescheitert
Bis Ende 2022 sollen gemäß Onlinezugangsgesetz alle 575 Verwaltungsleistungen digital verfügbar sein. 314 werden gegenwärtig aktiv bearbeitet, davon befinden sich 115 in der Planungs- und 199 in der Umsetzungsphase. 73 Einzelleistungen sind für Bürger bundesweit verfügbar. Die fristgerechte digitale Umsetzung aller Leistungen sehen knapp zwei Drittel der Deutschen nicht gelingen, lediglich 33 Prozent glaubt an den Erfolg des Vorhabens.
„Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes ist einer der wichtigsten Schritte hin zum digitalen Staat“, sagt Rohleder. „Auch wenn das Umsetzungsdatum Ende 2022 wackelt: Wir müssen jetzt schon weiterdenken. Neben dem OZG braucht es ein Verwaltungszukunftsgesetz. Das Potenzial einer digitalen Verwaltung wird sich erst dann voll entfalten, wenn auch die verwaltungsinternen Verfahren und Prozesse durchgängig digitalisiert werden.“
Dazu gehöre auch, mehr Transparenz für die Abläufe in der Verwaltung zu schaffen: Etwa online mitverfolgen zu können, wie der Bearbeitungsstand eines Antrags ist. Diese Möglichkeit wünschen sich 87 Prozent der Befragten. Nur etwas mehr als ein Drittel stimmt der Aussage zu, in Behörden schnell und kompetent Auskunft zu erhalten.
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Digitalisierung in Städten
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Könnte ein Digitalministerium helfen?
Bernhard Rohleder von der Bitkom hatte mit Blick auf die neue Regierung am 22. Oktober im ZDF gesagt, dass Deutschland „jemanden am Kabinettstisch braucht, dessen DNA Digitales ist.“ Hier geht es um den Ausbau der Breitbandinfrastruktur und das wichtige Thema digitales Verwaltung. Denn jeder Bürger muss auf das Amt. Und das kostet Zeit. Ein Behördengang kostet im Schnitt drei Stunden.
Auch Eco, Verband der Internetwirtschaft, positioniert sich auf die Seite der Bitkom und möchte über einen eigenen Digitalminister wichtige Fragen wie Datenschutz, digitale Verwaltung und digitale Sicherheit bündeln.
Bitkom-Chef Rohleder plädiert beim Thema digitales Amt auf eine Balance zwischen den Schutz der Daten und Komfort für den Bürger. Hier ist seiner Meinung nach mehr Augenmaß notwendig.
In einem Post auf dem Portal LinkedIn schrieb er: „Endlosprojekte wie die elektronische Gesundheitskarte, der elektronische Personalausweis, das OZG, vormals die Job-Card oder aktuell eine funktionslose Führerscheinapp sind vor allem eines: peinlich und einer auf seine Innovationskraft so stolzen Nation wie Deutschland einfach unwürdig. Dänemark war in puncto Digitalisierung vor 20 Jahren schon weiter, als wir es heute sind.“
Hinweis zur Methodik: Grundlage der Angaben ist eine Befragung, die Bitkom Research im Auftrag des Digitalverbands Bitkom durchgeführt hat. Dabei wurden 1.006 Personen ab 18 Jahren in Deutschland telefonisch befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.
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