Fragen an Mike Haley „Künstliche Intelligenz schafft mehr Jobs“

Redakteur: Philipp Uhl

Nehmen uns KI-Systeme und Roboter in Bereichen wie Konstruktion und Fertigung die Arbeitsplätze weg? Nein, sagt Mike Haley, Leiter des Bereichs Maschinelle Intelligenz bei Autodesk Research. Solche Technologien kosten zwar Arbeitsplätze, schaffen dafür aber auch zahlreiche neue.

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Generatives Design ermöglicht hunderte von Designoptionen – der Designer „kuratiert“ die Auswahl.
Generatives Design ermöglicht hunderte von Designoptionen – der Designer „kuratiert“ die Auswahl.
(Bild: Autodesk)

Herr Haley, welche Vorteile bringt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Bereichen wie Design, Konstruktion und Fertigung?

Mike Haley leitet bei Autodesk Research das für maschinelle Intelligenz zuständige Team.
Mike Haley leitet bei Autodesk Research das für maschinelle Intelligenz zuständige Team.
(Bild: Autodesk)

KI nimmt dem Produktentwickler und Designer lästige Aufgaben ab. Er muss sich nicht mit unterschiedlichen Software-Versionen und Dateiformaten herumschlagen oder viel Zeit mit der Suche nach bestimmten Modellen vergeuden. Eine KI-gestützte Lösung für Design und Konstruktion präsentiert dem Nutzer beispielsweise innerhalb kurzer Zeit unterschiedliche Design-Varianten. Alle diese Versionen beruhen auf den Vorgaben des Nutzers, etwa welche Materialien verwendet werden sollen und wie der Kostenrahmen eines Produkts ist.

Bedeutet dies, dass vor allem die „kreativen“ Mitarbeiter, etwa Produktdesigner, von Lösungen profitieren, die über KI-Funktionen verfügen?

Nicht nur, auch Finanzverantwortliche und Controller freuen sich, wenn KI in der Konstruktion und Fertigung eingesetzt wird. Mitarbeiter verbringen viel zu viel ihrer Arbeitszeit mit lästigen Routineaufgaben. Künstliche Intelligenz reduziert diesen Anteil deutlich und erhöht dadurch die Produktivität der Beschäftigten. Ein weiterer Vorteil ist, dass KI-gestützte Systeme erfassen, welche ähnlichen Produkte ein Unternehmen bereits entwickelt hat. Dann reicht es möglicherweise aus, ein bereits vorhandenes Design anzupassen. Das spart Zeit und verhindert eine nutzlose Mehrfach-Entwicklung. Unter dem Strich hilft KI somit einem Fertigungsunternehmen, Produkte preisgünstiger herzustellen.

Die Job-Bilanz

Werden KI-Systeme und Roboter in Fertigungsunternehmen letztlich die Jobs von menschlichen Mitarbeitern übernehmen, auch von Entwicklern und Ingenieuren?

Sicherlich kosten diese neuen Technologien Arbeitsplätze. Das war schon immer in der Geschichte so. Aber solche neuen Ansätze schaffen andererseits auch vielmehr neue Jobs. Das werden zu einem Großteil Arbeitsplätze sein, von denen wir heute noch gar nicht wissen, dass es sie geben wird. Und letztlich werden Unternehmen und öffentliche Einrichtungen Technologien wie KI einsetzen. Besser ist es, diese Entwicklung als Chance zu begreifen: Designer und Fertigungsingenieure können den Anteil an weniger interessanten, zeitfressenden Routinetätigkeiten reduzieren. Das verschafft ihnen mehr Spielräume, um sich um wichtigere Aufgaben zu kümmern. Das heißt letztlich, dass Mitarbeiter dank KI interessantere Jobs haben und zudem produktiver sind.

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Die Prognosen zu den Auswirkungen von KI und Maschinellem Lernen auf dem Arbeitsmarkt sind so zahlreich wie unterschiedlich. Welchen schenken Sie Glauben?

Das Marktforschungsunternehmen Gartner geht davon aus, dass durch KI bis 2020 weltweit rund 2,3 Millionen neue Jobs entstehen. Dem stehen nur 1,8 Millionen Arbeitsplätze gegenüber, die durch den Einsatz von KI und Lösungen zu maschinellem Lernen wegfallen. In dieselbe Richtung geht eine Analyse der Beratungsfirma PwC. Sie schätzt, dass 2030 an die zehn Prozent aller Arbeitsplätze von KI abhängig sind, also durch diese Technologie neu geschaffen werden oder ohne KI in der entsprechenden Form nicht vorhanden wären. Die Bilanz fällt also durchaus positiv zugunsten von KI aus.

Bildung statt „Black Box“

Verstehen Sie die Ängste vieler Menschen gegenüber KI-gestützten Systemen?

Solche Ängste entstehen, wenn Menschen unklar ist, was sich hinter einer Technologie verbirgt. Etliche empfinden KI als eine Art übermächtige und intransparente „Black Box“. Andere wiederum sehen in KI-Systemen spezialisierte Helfer, die ihnen dabei helfen, Aufgaben besser, schneller und kreativer zu erledigen. Daher ist es wichtig, dass die Funktion und Einsatzfelder von KI-Systeme transparent sind. Es muss klar sein, welchen Nutzen Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen bringen und auf welche Weise sie dem Menschen helfen, Probleme zu lösen. Hier kommt der Faktor Bildung ins Spiel: Nicht nur Produktentwickler und Fertigungsfachleute sollten sich mit KI beschäftigen, sondern auch der Normalbürger.

Was heißt das im Detail?

Wichtig ist, dass Menschen bereit sind, lebenslang zu lernen und sich mit neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Das setzt jedoch voraus, dass wir unsere Bildungsangebote ausweiten und verbessern, und zwar für alle Bevölkerungsschichten. Das ist eine Aufgabe, die alle gemeinsam bewältigen müssen: der Staat, indem er Bildungseinrichtungen fördert und Weiterbildungsprogramme bereitstellt, aber auch Unternehmen, indem sie neue Technologien wie KI und maschinelles Lernen allen Interessierten zugänglich machen.

Wie werden Menschen künftig mit KI-basierten Lösungen für Design und Konstruktion kommunizieren?

Tastatur und Maus treten in den Hintergrund. In etwa drei bis zehn Jahren werden Entwickler in natürlicher Sprache einem CAD/CAM-System sagen, was es tun soll – etwa „Entwerfe eine Variation der Einspritzpumpe für das Triebwerk XY, die zehn Prozent mehr Leistung bietet“. Über Touchscreens kann ein Benutzer außerdem Zeichnungen und Skizzen eingeben. Das System sieht dann gewissermaßen, was der Nutzer haben möchte. Und wer weiß, vielleicht ist eine KI eines Tages in ein paar Jahren sogar in der Lage, Gesten von Menschen zu interpretieren und in Entwürfe und Modelle umzusetzen.

Programm und Anmeldung Einen ausführlichen Gastbeitrag von Mike Haley finden Sie in der Januarausgabe von Next Industry, die am 13.01.2019 erscheint.

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