Expertenbeitrag

PMP Ingo Meironke

PMP Ingo Meironke

Innovation Manager bei Campana & Schott

Reality Check KI KI-Projekte richtig starten

Von Ingo Meironke |

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Industrieunternehmen starten vermehrt vielversprechende KI-Projekte. Aber nach dem Proof-of-Concept stockt der Prozess: Wichtige Daten fehlen, die Ergebnisse enttäuschen oder der konkrete Use Case ist doch nicht so klar. Was man dagegen tun kann.

Mit Hilfe eindeutiger Ziele, einer soliden Datenstrategie und der effizienten Integration in Prozesse gelingen KI-Projekte und bringen hohen Mehrwert.
Mit Hilfe eindeutiger Ziele, einer soliden Datenstrategie und der effizienten Integration in Prozesse gelingen KI-Projekte und bringen hohen Mehrwert.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

5:43 Uhr: Der Wecker läutet, da er im angegebenen Zeitraum eine leichte Schlafphase registriert. Gleich der Griff zum Handy, das sich dank Gesichtserkennung entsperrt. Ein Gedanke wird diktiert und mit Spracherkennung direkt als Text gespeichert. Das Smartphone meldet bei Instagram einen Kommentar in kyrillischer Schrift – ein Klick genügt, um die Grußnachricht auf Deutsch übersetzt zu lesen. Am Schreibtisch zeigt der Laptop die wichtigsten Aufgaben an: Eine gute Freundin hat nächste Woche Geburtstag. Schnell auf Amazon und direkt einen der vorgeschlagenen Artikel bestellen.

Diese Beispiele zeigen: Künstliche Intelligenz ist im privaten Umfeld angekommen. Doch wie steht es um KI in Unternehmen? Die Erfahrung der letzten Monate zeigt: Mit der konkreten Umsetzung von KI-Projekten tun sich viele Firmen überraschend schwer. Häufig starten sie zwar mit Begeisterung, kommen jedoch nach den ersten Schritten ins Stocken. Dies liegt nicht etwa an technischen Hürden, sondern primär an einer unkonkreten Idee, unzureichenden oder unzuverlässigen Daten sowie an der fehlenden Vision zur Integration der Resultate in die Geschäftsprozesse.

Unterscheide: private und geschäftliche KI-Anwendungen

Aber worin liegt der Unterschied zwischen privaten und geschäftlichen KI-Lösungen? Bei Privatverbrauchern haben die Anwendungsfälle folgendes gemeinsam:

  • Es geht um ein kleines, eindeutiges Problem.
  • Die Anwendung hat einen enorm großen Nutzerkreis.
  • Entsprechend gibt es viele diverse und auf dieses Problem bezogene Daten.
  • Der Anbieter löst mit der KI jeweils genau ein konkretes Problem.

In der Industrie gibt es zwar auch zahlreiche Use Cases wie Predictive Maintenance, Chat-Bots oder Automatisierung. Doch diese sind individuell – und umfassen häufig mehrere Probleme. Die Qualität der Daten ist dabei extrem unterschiedlich. Sie liegen oft unstrukturiert oder isoliert vor und häufig sind nicht alle notwendigen Informationen verfügbar.

Außerdem fehlen geeignete Ansprechpartnerinnen und Experten – oder sie haben andere Prioritäten. Auch mangelndes Domänenwissen zur Interpretation und Analyse von Daten behindern die Projekte. Die Integration in die Prozesse ist schwierig. Zudem gibt es organisatorische Hürden wie getrennt voneinander arbeitende Abteilungen oder unklare Verantwortlichkeiten. Hinzu kommt das mangelnde Vertrauen in Entscheidungen sowie falsch positive Ergebnisse der KI-Lösungen bei ungenügender Datenbasis, fehlerhaftem Training oder ungeeigneten Algorithmen. Mit folgenden Erfolgsfaktoren können Unternehmen aber die Grundsteine für ihre KI-Projekte setzen.

Definiere: Welcher Use Case zu welchem Zweck

Aufgrund dieser zahlreichen Herausforderungen sollten Unternehmen KI-Projekte strukturiert angehen. Im ersten Schritt sollte man dabei ein klar umrissenes Ziel festlegen. Das kann zum Beispiel die frühzeitige Erkennung von Verschleiß eines bestimmten Maschinenteils sein. Der Use Case ist damit nicht mehr allgemein „Predictive Maintenance“, sondern ein kleines, ganz konkretes Problem.

Nach dem Festlegen des Use Cases und der konkreten Problemstellung, welche die KI lösen soll, müssen die Projektverantwortlichen entscheiden, was mit den Erkenntnissen geschieht. Also: Wie sind diese Informationen in den Business-Prozess zu integrieren? Zum Beispiel beim Erkennen von Verschleiß: Soll die ganze Produktion automatisch angehalten werden? Ist ein Ersatzteil automatisch zu bestellen? Soll eine Alarmleuchte blinken? Oder der Meister informiert werden? Genau diese weiterführende Integration wird häufig nicht zu Ende gedacht. Sie ist allerdings enorm wichtig für die Definition, welche Art von Informationen sich aus den nächsten Schritten ergeben sollen.

Verstehe: KI kann erst durch die richtigen Daten lernen

Erst danach kann man ermitteln, welche Daten dafür notwendig sind. Heute besitzen Produktionsmaschinen zahlreiche Sensoren, die ständig Daten erzeugen. Doch nicht alle sind wichtig, um den Verschleiß eines wichtigen Zahnrades zu messen. Dieser wirkt sich zum Beispiel auf die Produktionsgenauigkeit aus und führt zu Klappergeräuschen. Ein erfahrener Produktionsleiter erkennt die Warnzeichen frühzeitig und sorgt für einen Austausch des Zahnrades in einer Fertigungspause. Doch für eine KI-Lösung ist der Vorgang nicht so intuitiv.

In diesem Fall muss nicht nur die Art der Daten festgelegt werden, sondern auch woher diese Daten stammen. Werden sie direkt an der Maschine gemessen oder im späteren Produktionsverlauf? Wie zuverlässig sind die Messwerte? Zudem ist zu klären, ob weitere Daten nötig sind, um den Kontext zu verstehen. So kann zum Beispiel eine Produktionsabweichung auch andere Ursachen als Verschleiß haben, etwa Probleme an der Steuerung oder einem anderen Zulieferer für die Ausgangsmaterialien. Um zu evaluieren, welche Daten unerlässlich sind, ist eine Datenstrategie erforderlich.

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Suche: die richtigen Beteiligten

Gerade in diesem ersten Schritt machen Unternehmen häufig den Fehler, direkt Data Scientists einzubinden. Doch diese können gar nicht das nötige Domänenwissen wie eine Schichtleiterin oder der zuständige Maschinist besitzen. Diese wiederum sind keine Prozessexperten. Daher ist ein eigener Process Owner nötig, der das Gesamtprojekt leitet und dabei die Ziele und die effiziente Umsetzung im Blick behält. Der Process Owner legt gemeinsam mit der Schichtleiterin und dem Maschinisten den konkreten Use Case fest, ermittelt mit ihnen die dafür nötigen Daten und entwickelt die Datenstrategie. Anschließend bindet er einen Data Scientist ein, der die Qualität der bestehenden Daten prüft, Datensilos gemeinsam mit Process Owner und Domänenexperten konsolidiert sowie geeignete Algorithmen entwickelt.

Der nächste Schritt entscheidet über den Erfolg eines KI-Projekts. Denn hier müssen vor allem die Erwartungen der Domänenexperten in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Häufig glauben sie, dass KI von Anfang an korrekte Ergebnisse liefert. Doch das ist falsch. Jede KI-Lösung muss trainiert werden. Das heißt, sie berechnet anhand der Daten erste Ergebnisse. Diese sind von den Domänenexperten mit richtig oder falsch zu bewerten. Anhand der falsch positiven Antworten können die Beteiligten dann gemeinsam herausfinden, ob die Fehler an den Ausgangsdaten, nicht berücksichtigtem Kontext oder dem Algorithmus liegen.

Koordiniere: Integration von KI in Prozesse

Nach einer ausreichenden Lernphase ist die KI-Lösung bereit für den Einsatz. Hier entsteht häufig das größte Problem: die Integration in Business-Prozesse. So muss bei Predictive Maintenance die KI-Lösung mit den Sensoren und weiteren Echtzeit-Daten der Maschine verknüpft werden. Zeigt sie eine Warnmeldung an, darf diese nicht ungelesen bleiben. Hier muss definiert sein, wer sich um die Warnmeldung kümmert, wie diese bei Bedarf zu überprüfen ist und welche konkreten Schritte zur Reparatur eingeleitet werden. Und hier schließt sich der Kreis zum ersten Schritt.

Auch wenn dies nichts mehr mit der eigentlichen KI-Lösung zu tun hat, muss man die organisatorischen Prozesse von Anfang an mitdenken, damit das Gesamtprojekt erfolgreich wird. Die Koordination liegt in der Verantwortung des Process Owners, der alle Stakeholder berücksichtigen und frühzeitig einbinden muss. Denn nur mit einem umfassenden Gesamtkonzept kann ein selbst so kleines Problem wie der Austausch eines Zahnrades gelingen.

Lerne: erfahrene Experten einbinden

Für Unerfahrene mag das nach einem großen Aufwand mit kleinem Effekt klingen. Doch gerade bei den ersten KI-Projekten wird vieles falsch gemacht und übersehen. Daher lohnt es sich, anfangs mehr Zeit zu investieren. Mit zunehmender Erfahrung und sich etablierenden Lösungen reduziert sich dann der Aufwand sukzessive. Und damit der Anfang nicht so holprig wird, empfiehlt sich die Einbindung eines erfahrenen Partners, der auf mögliche Stolpersteine und Lösungen hinweist. Gerade die Sicht von außen kann beim Aufdecken organisatorischer Hürden im Unternehmen und dem nötigen Change-Management sehr hilfreich sein.

Fazit

Fakt ist: Die Technik ist so weit. Doch organisatorisch gibt es Hürden. Daher empfiehlt es sich, jetzt den ersten Schritt mit einem konkreten, kleinen Use Case zu gehen. Die größte Herausforderung an dieser Stelle: Den ersten Schritt nicht zu groß zu denken. Verantwortliche müssen sich stets vor Augen führen, dass sie mit dem initialen Use Case zunächst erste Erfahrungen sammeln, um diese danach zu skalieren und dem Wettbewerb voraus zu sein. Dabei sollten Unternehmen gerade in den ersten Projekten erfahrene Partner einbinden und auch intern einen offenen Austausch pflegen. Denn KI-Projekte gelingen nur prozess- und abteilungsübergreifend sowie mit einer soliden Datenstrategie. Dies zeigen erfolgreiche Beispiele.

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