Künstliche Intelligenz KI im Kampf gegen Druckluft-Leckagen

Von Ulrike Böhm |

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Undichte Druckluftnetze verursachen jährlich Kosten in Millionenhöhe. Das Fraunhofer-IPA will jetzt künstliche Intelligenz dazu nutzen, Leckagen frühzeitig zu erkennen und zu lokalisieren. Eine unkonventionelle Unterstützung leistet dabei der Pneumatikanbieter Mader.

Das Fraunhofer-IPA nutzt einen Druckluftdemonstrator von Mader zum Trainieren selbstlernender Algorithmen.
Das Fraunhofer-IPA nutzt einen Druckluftdemonstrator von Mader zum Trainieren selbstlernender Algorithmen.
(Bild: Fraunhofer-IPA)

Es war kein gewöhnlicher Auftrag, den der Druckluftspezialist Mader im Juli 2018 vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) erhielt. Die Forscher fragten nach einer Modellanlage, die Leckagen im System nicht vermeidet, sondern sogar ganz bewusst erzeugen kann. Sonst lautet die Prämisse: Undichtigkeiten um jeden Preis verhindern. Leckagen sind immerhin für den Großteil der Verluste in Druckluftsystemen verantwortlich.

Bis zu 30  Prozent der Energie entweichen durch sie ungenutzt. Viele Millionen Euro gehen Anlagenbetreibern so durch die Lappen. Bei 60.000 Druckluftanlagen in Deutschland und einem Stromverbrauch von 16,6 TWh pro Jahr könnte allein durch die Beseitigung von undichten Stellen so viel Strom eingespart werden, wie Hamburg und München zusammen verbrauchen.

Wie KI die Leckageortung revolutionieren soll

Für das Fraunhofer-IPA ist das Grund genug, das Thema Druckluft-Leckagen in den Fokus zu stellen. Die Forscher wollen mit der Modellanlage von Mader künstliche Intelligenz darauf trainieren, Undichtigkeiten schnell und gezielt zu ermitteln. „Der Demonstrator schafft die Basis für unsere datengetriebene Produktionsforschung, etwa durch das Trainieren selbstlernender Algorithmen“, erklären die Projektmitglieder Christian Dierolf und Christian Schneider vom Fraunhofer-IPA.

In Zukunft sollen mit deren Hilfe Leckagen nicht nur ermittelt und lokalisiert werden. Auch die Bezeichnung und Bestellnummer des betroffenen Bauteils soll per App ausgespielt werden. So kann sich der Druckluftverantwortliche Zeit sparen und insbesondere die Ausfallzeiten minimieren, sind Dierolf und Schneider überzeugt.

Bevor die Modellanlage allerdings konstruiert werden konnte, galt es zu verstehen, wie sich eine Undichtigkeit im System bemerkbar macht. Hierfür wurde ein Handlingsystem aufgebaut, das eine automatisierte Fertigung simuliert. An vier Stationen – pressen, schwenken, aufnehmen mittels Vakuum und transportieren – können jeweils maximal vier unterschiedliche Szenarien gewählt werden: alles dicht, Knick im Schlauch, Loch im Schlauch und mechanische Undichtigkeit.

„Egal welche Szenarien gewählt werden: Die Messwerte, also der Volumenstrom und der Druck, sind jederzeit auf dem Display ablesbar“, berichtet Vasileios Balachtsis, der das Projekt Mader-intern koordinierte.

Alle Mess- und Sensordaten werden zusätzlich mit dem Datenaustausch-Standard OPC UA automatisiert auf die Industrie- 4.0-Plattform „Virtual Fort Knox“ übertragen. Dort werden sie für weiterführende Analysen verarbeitet. „Allerdings hat man bei solchen Projekten in den seltensten Fällen Sensoren und Messgeräte, die alle die gleichen Schnittstellen und Übertragungsprotokolle nutzen“, weiß Balachtsis. „Deshalb haben wir sowohl analoge als auch digitale Sensoren mit IO-Link-Anbindung eingesetzt. Die besondere Herausforderung lag in der Synchronisation der Übertragungsgeschwindigkeiten, um eine flüssige Datenübertragung sicherzustellen.“ Das Ergebnis sei ein Demonstrator, der umfangreiche Daten für die automatisierte Erkennung von Druckluft-Leckagen erzeugt und bereitstellt. Darüber hinaus nutzt das Fraunhofer-IPA ihn in Seminaren zu Demonstrationszwecken.

Für die vier Stationen im Druckluftdemonstrator können unterschiedliche Szenarien ausgewählt werden.
Für die vier Stationen im Druckluftdemonstrator können unterschiedliche Szenarien ausgewählt werden.
(Bild: Mader)

Modellanlage dient auch für Live-Demonstrationen

Aus seiner täglichen Arbeit weiß Vasileios Balachtsis, wie wichtig diese praktische Anschaulichkeit ist, wenn es um Druckluft geht: „Wenn Seminarteilnehmer live sehen, welche direkte Folge ein geknickter Schlauch oder gar eine Leckage im System haben, sind sie eher bereit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Dann würde vielen auch die Notwendigkeit klar, Leckagen zu ermitteln und zu beseitigen.

Heute werden Undichtigkeiten im Druckluftsystem noch standardmäßig mithilfe von Ultraschalltechnologie geortet. „Ultraschall macht das ‚Pfeifen‘ der kleinsten Löcher hörbar. Das ist sogar bei laufendem Produktionsbetrieb möglich, erfordert aber entsprechenden Aufwand, weil man die Ortung direkt vor Ort durchführen muss“, erklärt Marina Griesinger, Leiterin Energieeffizienzmanagement bei Mader. „Die Rentabilität einer solchen Ortung und anschließenden Beseitigung ist dennoch sehr hoch – sowohl wirtschaftlich als auch was die Einsparung von CO2 betrifft.“

Bis das Vorhaben der Fraunhofer-Forscher Realität ist, bleibt für Griesinger und ihre Kollegen noch viel zu tun: „Dank Leckage-App und der Druckluft-Software Looxr haben wir den Ortungs- und Beseitigungsprozess schon deutlich optimiert. Unsere Mission ist, Druckluftprozesse maximal effizient zu gestalten – energetisch wie wirtschaftlich. Die Digitalisierung spielt uns da mit jedem Fortschritt und jeder neuen Erkenntnis in die Karten.“

Der Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal MM Maschinenmarkt erschienen.

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* Ulrike Böhm arbeitet im Bereich Public Relations für Looxr in Leinfelden- Echterdingen.

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