Additive Fertigung Keramikschlicker ermöglicht On-Demand-Drucken im freien Raum
Theoretisch ist die additive Fertigung mit Keramik ein Traum für jeden Konstrukteur – in der Praxis aber sorgen komplizierte Stützstrukturen oft für Ärger. Dieses Problem will eine neue Technologie aus China lösen: Ein neu entwickelter Schlicker erstarrt mithilfe von Nahinfrarot augenblicklich.

Theoretisch ist die additive Fertigung mit Keramik ein Traum für jeden Konstrukteur – in der Praxis aber kämpfen Profis oft mit komplizierten Stützstrukturen, weil das Aushärten gebogener Teile sonst nicht gelingt. Diese müssen anschließend wieder entfernt werden und hinterlassen dabei gerne die gefürchteten „micro cracks“. Genau dieses Problem verspricht nun eine neue Prozesstechnologie aus China zu lösen, sofern sie mit den dafür idealen Materialien kombiniert wird.
Die ausgedruckten Kurven können sich im Raum ohne Unterstützung frei ausdehnen.
Professor Liu Ren und sein Team an der Jiangnan-Universität in der chinesischen Küstenstadt Wuxi haben einen besonders lichtempfindlichen Keramikschlicker entwickelt, der unter Nah-Infrarotlicht (NIR) schnell aushärtet.
Technische Keramik auf dem Vormarsch
Das Material erstarre bei der korrekten NIR-Intensität nach seinem Austreten aus der Düse eines 3D-Druckers augenblicklich in der Luft, berichten die Forscher in einem Aufsatz, der Ende April im Wissenschaftsjournal „Nature Communications“ erschienen ist. Stützstrukturen seien daher nicht mehr erforderlich. Da Keramikteile mit filigranen, verwinkelten Strukturen im Maschinenbau, in der Elektronik- oder Raumfahrt-Industrie immer beliebter werden, verspreche diese Technik erstmals das volle Potenzial des „On-Demand“-Druckens im freien Raum zu entfesseln, heißt es in Kommentaren in der chinesischen Fachpresse.
„Die ausgedruckten Kurven können sich im Raum ohne Unterstützung frei ausdehnen,“ schreiben Liu und Co. in ihrem Aufsatz. In ihren Versuchen sei der Druckvorgang glatt und kontinuierlich gewesen, ohne dass zusätzliche Wärme oder Kälte appliziert werden mussten. Genau das vereinfache den 3D-Druck zusätzlich zu der Eliminierung der lästigen Hilfs-Strukturen, schreiben sie.
Schnelles Aushärten dank Nahinfrarot anstelle von UV
Ein wichtiger Teil der neuen Methode ist der Einsatz von NIR anstelle des sonst weit verbreiteten Ultraviolett-Lichtes: Es kann Keramik und besonders den neu entwickelten Schlicker leichter durchdringen. So kann eine bessere und schnellere Durchhärtung der ausgedruckten Teile erreicht werden. Während in den Tests mit herkömmlichem UV-Licht nach 130 Sekunden eine Aushärtungstiefe von 1,03 mm erreicht wurde, waren es im neuen Verfahren unter Nah-Infrarot-Beleuchtung 3,81 mm nach drei Sekunden. Allerdings müsse dafür die Düse sorgfältig ausgewählt werden und auch die Positionierung des Lasers sei sehr wichtig, schreiben die Wissenschaftler.
Diese gerade veröffentlichten Forschungsergebnisse versprechen interessante Erleichterungen bei der additiven Fertigung komplexer Keramik-Teile wie etwa Torsionsfedern oder Kragträgern. Damit könnten trotz der Härte und Brüchigkeit von Keramik viele schwierige und auch völlig neue Formen schneller und kostengünstiger als früher druckbar sein. Getestet wurden bislang Filamente mit Durchmessern von 410 Mikrometern bis zu 3,5 Millimetern.
Mit dieser Methode, dank einer NIR-Bestrahlung mit kontrolliertem Aushärtungsgrad, können Keramikstrukturen mit flexibler Geometrie und charakteristischen Dimensionen on demand erzeugt werden.
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Definition
Was ist technische Keramik?
Mehr Freiheit für Konstrukteure
Als größten Vorteil des neuen Verfahrens bezeichnen die Entwickler, dass keine lästigen Hilfs-Konstruktionen beim Druck mehr nötig sind. Zudem verspreche es auch Reduktionen von Materialkosten sowie von Druck- und Nachbehandlungszeiten. Damit eröffne sich Konstrukteuren „ein höherer Grad von Freiheit beim Design“, schreiben die chinesischen Forscher, die der Schwerkraft mit ihrem neuen Druckverfahren durch die rapide Aushärtung zuvorkommen. Die „freie“, nicht unterstützte Fertigung von Strukturen mit großer Spannbreite könne damit in der Zukunft realisiert werden, werden die chinesischen Wissenschaftlern in chinesischen Fachmedien zitiert.
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Technische Keramik
Neue Keramik aus China ist so biegsam wie Metall
* Henrik Bork, langjähriger China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau, ist Managing Director bei Asia Waypoint, einer auf China spezialisierten Beratungsagentur mit Sitz in Peking. „China Market Insider“ ist ein Gemeinschaftsprojekt der Vogel Communications Group, Würzburg, und der Jigong Vogel Media Advertising in Beijing.
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