Supercomputer „Irgendwann wird jeder Quantencomputer nutzen – bewusst oder unbewusst“
Die Entwicklung von Quantencomputern geht voran, ihr flächendeckender Einsatz wird allerdings noch Jahre dauern. Wir haben Dr. Sebastian Feld, Leiter des QAR-Lab an der LMU, gefragt, wie der aktuelle Entwicklungsstand ist, wofür Quantencomputer eingesetzt werden können und wie die langfristige Nutzung aussehen könnte.
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In den letzten Wochen und Monaten ist das Thema Quantencomputer auch in den Medien wieder häufiger aufgetreten. Forschungsteams oder auch die EU arbeiten an Projekten, wie dem kürzlich vorgestellten „OpenSuperQ“. Auch bei der Münchner DIGICON 2018 am 21. und 22. November steht das Thema im Mittelpunkt. Doch wie weit ist die Entwicklung von Quantencomputern fortgeschritten?
Feld: Das ist eine gute Frage. Im Grunde hört man schon seit vielen Jahren, dass Durchbrüche geschaffen wurden. In der Physik passiert ständig etwas, weil dort auf kleinster Ebene sehr gute, neue Fortschritte gemacht werden. Jetzt haben sich in den letzten paar Monaten tatsächlich eher bekannte Tech-Firmen wie IBM, Google oder Microsoft zu Wort gemeldet. Betrachtet man die aktuelle Entwicklung, würde ich erst mal grundsätzlich zwischen zwei Kategorien unterscheiden: Es gibt auf der einen Seite die universellen Quantencomputer, auf der anderen Seite stehen sogenannte Quanten Annealer. Was die Entwicklung universeller Quantencomputer angeht, ist Google schon sehr weit. Wenn das, was sie produziert haben, wirklich in die Industrie gehen kann – was es allerdings aktuell noch nicht tut – dann hat das eine große Auswirkung. Die Maschinen, die man aktuell schon kaufen kann, sind Quanten Annealer der kanadischen Firma D-Wave Systems. Allerdings ist da der Funktionsumfang sehr eingeschränkt. Man kann nur eine bestimmte Klasse von Problemen lösen. Nichtsdestotrotz, sind Quanten Annealer im Gegensatz zu universellen Quantencomputern tatsächlich schon verwendbar; Volkswagen beispielsweise hat schon vor einigen Monat einen interessanten Use Case gezeigt, nämlich Verkehrsflussoptimierung. Zusammengefasst: Es sind bombastische Fortschritte, bisher aber noch nicht für den Verbraucher.
Wer hat bei der Entwicklung die Nase vorne?
Feld: Ich denke, es ist eine Gradwanderung: Unternehmen möchten zeigen, was man kann und was man macht, möchten aber auch nicht zu viel zu verraten. Nichtsdestotrotz versuchen die Firmen, die Ersten zu sein, die einen richtigen, verwendbaren Quantencomputer rausbringen werden. Ich persönlich würde sagen, dass es die Firma Google ist.
Für welche Anwendungen eignen sich Quantencomputer überhaupt?
Feld: Die Forschungsarbeiten für Quantenalgorithmen gehen in die Richtung von ganz fein definierten Informatiker-Fragestellungen. Wie der Name schon sagt – universeller Quantencomputer. Grundsätzlich kann er also alles. Der Klassiker ist aber das Suchen in einer unsortierten, riesigen Datenbank. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein unaufgeräumtes Kinderzimmer mit 1000 Spielzeugen drin und das Kind fragt nach einem speziellen Stofftier. Sie müssten nur maximal 100 Mal greifen und hätten das Stofftier. Außerdem sind Quantencomputer sehr gut im Faktorisieren von Zahlen, wie es beispielsweise in der Verschlüsselung verwendet wird.
Quantencomputer sind somit also gefährlich für kryptografische Verschlüsselungsverfahren.
Feld: Nicht unbedingt. Die Mathematiker sind mittlerweile so weit, dass es bereits jetzt Techniken gibt, die unter den Begriff „Post-Quantum-Kryptografie“ fallen. Heißt also, es gibt jetzt schon Techniken, die sich gegen Quantencomputer wehren können.
Zurück zu den Anwendungen: Was können Quanten Annealer?
Feld: Im Kontext der Quanten Annealer geht es um kombinatorische Optimierungsprobleme. Also alles, wofür es sehr viele Lösungen gibt. Ein Beispiel: Sie haben ein Budget und es gibt ganz viele Aktien, die Sie potenziell kaufen können. Bei den Aktien steht dran, wie hoch das Risiko und wie groß die ungefähre Ausschüttung ist. Da stellt sich jetzt die Frage: Kaufe ich die Aktie 1 – ja oder nein; kaufe ich die Aktie 2 – ja oder nein; etc. Es gibt ganz viele Möglichkeiten. Ziel ist es, den Ertrag zu maximinieren und das Risiko zu minieren.
Wie sehen Anwendungen im industriellen Umfeld aus?
Feld: Stellen Sie sich einen Roboterarm vor. Der soll an einem Fahrzeug irgendetwas löten oder Farbe auf eine Karosse bringen. Oder er soll etwas dranschrauben. Die Idee ist, dass die Fabrik möglichst effizient arbeiten soll, sprich: der Roboter soll möglichst viel erledigen können. Auch diese Frage ist ein klassisches Optimierungsproblem. Der Roboterarm kann jede mögliche Bewegung durchführen. Ich möchte aber genau die eine Bewegung finden, die mein Ziel erreicht und gleichzeitig möglichst schnell durchzuführen ist. Tatsächlich wird dieses Problem bereits angegangen. Außerdem wird versucht, Künstliche Intelligenz mit Quantencomputern zu verstärken.
Oftmals sind solche neuen Technologien für den Mittelstand selbst nicht realisierbar. Daher greifen viele auf „As-a-Service“-Modelle zurück. Wäre so ein Modell auch für Quantencomputer denkbar?
Feld: Ja, absolut. Aber das dauert noch. Die Entwicklung ist so weit fortgeschritten, dass Technologien immer und immer mehr vereinfacht und weiter zugänglich – auch für den Mittelstand – gemacht wurden. So sehe ich das auch für Quantencomputer, allerdings noch in ferner Zukunft. Grundsätzlich muss man das richtige Problem sezieren. Ein Schritt davor ist, dass man das im Kleinen mal ausprobiert. Diese Projekte – das muss nichts Großes sein –, bedeuten, vielleicht mal einen Prototypen zu bauen, vielleicht mit besagtem Roboterarm. Realisieren könnte man dieses Projekt beispielsweise in Form einer wissenschaftlichen Arbeit. So entsteht ein Wissenstransfer.
Thema Sicherheit: Insbesondere Mittelständler haben oftmals noch veraltete Systeme in Betrieb. Lassen sich diese mit Quantencomputern künftig noch besser aushebeln?
Feld: Der Mittelständler, der noch Windows XP verwendet und den Internet Explorer in seiner frühsten Form? Klar, absolut. Aber es ist doch mittlerweile alles so modular aufgebaut, dass es Updates gibt. Ich verstehe schon, dass der Mittelstand programmierte Systeme hat, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben. Das sind spezielle Produkte für genau den gewünschten Anwendungsfall. Da muss Hand angelegt werden, die updaten sich nicht von alleine. Wenn sie professionelle Unterstützung dabei haben, dann müsste das funktionieren. In meinen Augen sehe ich da keine große Katastrophe auf uns zukommen, weil die Mathematiker, wie schon gesagt, länger über die Post-Quanten-Ära nachdenken.
Allgemein gefragt: Wer wird Ihrer Meinung in ferner Zukunft Quantencomputer benutzen?
Feld: Langfristig würde ich sagen: jeder. Also angenommen, wir haben wirklich Satelliten, die im Weltall herumfliegen und sich um unsere Kommunikation kümmern, sprich wir haben einen verschlüsselten Kommunikationskanal, der beweisbar nicht geknackt werden kann. Und dann gibt es nicht nur beispielsweise ein herkömmliches Skype zur Internetkommunikation, sondern auch „Quanten-Skype“. Dann wird das doch irgendwann jeder nutzen, ob man es weiß oder nicht. Auf langer Linie, wenn es wirklich kommt und wirklich funktionieren kann, mit Sicherheit jeder, bewusst oder unbewusst.
Herr Dr. Feld, vielen Dank für das Interview.
Machine Learning – Impulse durch Quanten Computing, Data Mining und Reinforcement Learning. Die DIGICON 2018 findest am 21. und 22. November 2018 in München statt. Programmablauf und Tickets finden Sie hier.
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Was sind Quantencomputer?
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