Composable IT-Architecture Industrie 5.0: Nutzen zukunftsorientierter IT-Infrastruktur für die Produktion

Ein Gastbeitrag von Jan-Marc Lischka*

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In der Industrie 4.0 und deren Kerntechnologie, dem Industrial Internet of Things, geht es primär um die Vernetzung von Dingen untereinander. Im nächsten Schritt soll vor allem der Mensch wieder zurück in den Fokus rücken. Eine entsprechende IT-Architektur ist aber auch hier zentral.

Die digitale Vernetzung existiert nicht um ihrer selbst willen, sie soll dem Menschen nutzen – also muss dieser auch in ihrem Zentrum stehen.
Die digitale Vernetzung existiert nicht um ihrer selbst willen, sie soll dem Menschen nutzen – also muss dieser auch in ihrem Zentrum stehen.
(Bild: gemeinfrei / Unsplash)

Sustainability, Glocalization, also der Verbindung von Globalisierung und Lokalisierung, der Fachkräftemangel – das alles sind Herausforderungen, die sich in den Rahmenbedingungen der produzierenden Industrie widerspiegeln. Sie betreffen Mittelstand wie Großkonzern: Wie weisen Produzenten über mehrere Wertschöpfungsstufen nach, dass sie die Standards nachhaltigen Wirtschaftens erfüllen? Wie agieren globale und lokale Wertschöpfungsstrukturen effizient miteinander – um Vorteile großer Kundennähe mit den Vorteilen global attraktiver Produktionsfaktoren zu kombinieren? Wie überzeugt man auf dem knappen Arbeitsmarkt für Fachkräfte als zukunftsorientierter, innovativer Arbeitgeber?

Diese sozio-ökonomischen Faktoren haben einen großen Einfluss auf die Business-Realität von Produktion und Logistik. Es gilt, die richtigen IT-technischen, aber auch kulturellen Grundlagen zu legen, um den sich dynamisch verändernden Randbedingungen wirksam begegnen zu können. Denn Fakt ist: Ohne digitales Denken und Handeln ist eine moderne und resiliente Produktion heute unmöglich. Die Menschen stehen dabei im Mittelpunkt der Gestaltung digitaler Arbeitssysteme. Nur so werden die technischen Möglichkeiten der Industrie 4.0 ihre Wirkung entfalten.

Moderne Architektur als Enabler

Aus unserem Alltag sind cloudbasierte Anwendungen nicht mehr wegzudenken. Wir alle nutzen sie, wenn wir unsere täglichen Aufgaben auf dem Smartphone erledigen: Eine Pizza bestellen, eine Reise buchen, die Urlaubsfotos aus dem Fotoalbum abrufen. Unser persönliches digitales Arbeitsumfeld stellen wir uns intuitiv aus verschiedenen Modulen diverser Anbieter zusammen und profitieren von leistungsfähigen Integrationen, beispielsweise wenn es um Bezahlvorgänge geht.

Das gleiche Konzept ist auch für die industrielle Anwendung die Architektur der Wahl. Dabei ist das nicht nur eine Frage von IT-Kosten oder Skalierbarkeit, zu diesen Vorteilen kommen wir später. Cloud-Plattformen wie Microsoft Azure oder AWS ermöglichen eine neue IT-Architektur, die den Möglichkeitsraum für die produzierende Industrie entscheidend erweitert, Anpassungsfähigkeit ermöglicht und gleichzeitig technologisch führende Cybersecurity sicherstellt.

Die Rede ist von einer sogenannten Composable IT-Architecture: Die Cloud fungiert dabei als Datenbackbone, in der Informationen aus verschiedensten Quellen integriert werden. Dies umfasst Daten aus Vorsystemen, dem ERP-System genauso wie einer On-Premise-Datenbank, beispielsweise für Werkzeuginformationen, IoT-Daten aus Werkzeugmaschinen und Anlagen, wie auch durch Mitarbeiter erfasste Informationen, zum Beispiel das Ergebnis einer Qualitätsinspektion. Auf diese Daten greifen einzelne aus Microservices erstellte Applikationen zu. Sie kommunizieren, im zugriffssicheren Umfeld der Cloud, über klar beschriebene und offene Schnittstellen, den API, miteinander. Dadurch werden Applikationen flexibel und erweiterbar, ergänzbar und tauschbar. Es entsteht ein dynamisches, modulares digitales Ökosystem. Die eigentlichen Daten bleiben jederzeit im Eigentum und Zugriff des produzierenden Unternehmens.

Diese Infrastruktur ermöglicht es, die digitale Arbeitsumgebung modular und evolutionär zu denken und zu gestalten. Im Gegensatz zur früher zu oft angestrebten eierlegenden Wollmilchsau mit langen Lastenheften muss es keinen fix definierten Endzustand geben. An dessen Stelle tritt der Gedanke kontinuierlicher Verbesserung – in der Produktion ohnehin der angestrebte Idealzustand.

Eine exemplarische Netzwerk-Architektur am Beispiel eines Produktionsbetriebs.
Eine exemplarische Netzwerk-Architektur am Beispiel eines Produktionsbetriebs.
(Bild: 5thIndustry GmbH)

Bild 1 zeigt eine beispielhafte Architektur im Beispiel eines Netzwerks produzierender Betriebe mit jeweils rund 200 Mitarbeitenden: Moderne cloudbasierte Apps kommunizieren mit Daten aus existierenden Systemen, die auf lokalen und globalen Servern laufen und erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Cloud migriert werden sollen. Die Landschaft wird durch ein BI-Tool ergänzt, das hocheffizient Datenanalysen ermöglicht und so zu einem massiven Transparenzgewinn führt. Einzelne Standorte ergänzen diese Umgebung durch standortspezifisch eigenentwickelte Anwendungen, die auf einer Low-Code-Plattform umgesetzt wurden. Ein logischer Schritt, denn warum sollte der Instandhaltungs-Mitarbeiter in Ostwestfalen in die gleiche Nutzeroberfläche gezwungen werden wie seine Kollegin in China?

Verändern sich Anforderungen, lassen sich neue Anwendungen binnen kurzer Zeit gestalten und durch Mockups von den künftigen Nutzern testen und optimieren.
Verändern sich Anforderungen, lassen sich neue Anwendungen binnen kurzer Zeit gestalten und durch Mockups von den künftigen Nutzern testen und optimieren.
(Bild: 5thIndustry GmbH)

Ein weiter Aspekt der dargestellten Technologien liegt in der Fähigkeit, Rapid-Protoyping-Technologien bei der Entwicklung neuer Applikationen einzusetzen. Damit wird es zum einen möglich, Anwendungen nach dem Prinzip der Mass Customization bereitzustellen – sprich eine Kunden- beziehungsweise Nutzerindividuelle Benutzeroberfläche mit Standardmodulen zu kombinieren. Zum anderen ermöglicht dies die hocheffiziente Nutzerintegration in den Entwicklungsprozess: Neue Bedieneroberflächen lassen sich innerhalb weniger Stunden gestalten und durch Mockups direkt durch die künftigen Nutzer testen und optimieren. Gerade für Anwendungen, die auf dem Shopfloor genutzt werden, ein entscheidender Faktor für die Nutzerakzeptanz und damit Implementierungsgeschwindigkeit.

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Last but not least ermöglicht die Nutzung der Cloud-Angebote der großen Tech-Konzerne den Zugriff auf leistungsfähige KI-Algorithmen, beispielsweise für die Sprach- oder Bilderkennung. Die Integration entsprechender sprachgesteuerter Assistenzsysteme für die Steuerung der Produktion, oder die Abfrage eines Fertigungsauftrags ist nur eine, ebenso einfache wie naheliegende, Anwendung.

Vierfacher Nutzen

Der Nutzen fortschrittlicher digitaler Lösungen findet auf verschiedenen Ebenen statt:

Produktivität
Die Einführung digitaler Werkzeuge in betriebliche Abläufe führt in aller Regel zu einer Steigerung der Produktivität. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbringen weniger Zeit mit der manuellen Bearbeitung oder Beschaffung von Information – unproduktives Arbeiten und Mehraufwände, wie beispielsweise das Übertragen von Daten aus einer papierbasierten Dokumentation in ein elektronisches Format und das anschließende Erstellen und Ablegen von Dateien, werden reduziert.

Transparenz
Die Einführung digitaler Applikationen geht mit einer Transparenzsteigerung einher. Beispiel Instandhaltungsvorgänge: Werden sie mit digitalen Werkzeugen koordiniert, sind sie bei Bedarf allen Mitarbeitenden einsehbar und in kürzester Zeit stehen Historiendaten zur Verfügung, die eine strukturierte Auswertung und Analyse ermöglichen. Der Nutzen findet sich auf Prozessebene: die Verbesserung der OEE, die Identifikation von Verbesserungspotenzialen oder die Optimierung der Ersatzteilbeschaffung sind nur drei Beispiele.

IT-Kosten
Vielfach lösen cloudbasierte Applikationen bestehende On-Premise-Anwendungen ab. Dies ist in der Regel mit einer deutlichen Reduzierung der IT-Kosten verbunden. Geringere Lizenzgebühren, Entfall von Aufwänden für die Serverwartung, Update auf neue Server-Versionen wie auch die notwendigen internen Ressourcen zur Betreuung entfallen beziehungsweise werden im Rahmen von Software-as-a-Service-Modellen transparent und kalkulierbar.

Oft ein zusätzlicher Nutzen: Die IT-Infrastruktur wird zu variablen Kosten, damit geht eine einfache Skalierung und minimale Kapitalbindung einher. Vorteilhaft sind zu dem die schnellen Experimentier- und Skalierungsmöglichkeiten mit Cloud-Anwendungen: Rechenpower zu kaufen, war nie so schnell und einfach.

Soft Facts
Nicht zu unterschätzen sind die Effekte einer zeitgemäßen digitalen Arbeitsumgebung auf die Belegschaft selbst. Die Mitarbeiterzufriedenheit steigt, modernes digitales Arbeiten wird als Faktor für einen attraktiven Arbeitsplatz gesehen. Vielfach registrieren auch Kunden, dass digitales Arbeiten Reputation schafft.

5 Best Practice Empfehlungen für die Umsetzung

1. Mensch in den Mittelpunkt
Die Gestaltung des digitalen Arbeitsumfeldes muss vom Menschen her gedacht werden. Dazu ist unbedingt mit der Definition der künftigen Nutzer und Nutzerinnen (Personas) zu beginnen. Wer (welche Rolle) hat den größten Nutzen eines digitalen Tools? In den allermeisten Fällen sind dies nicht die Stellen, die den Business Case sehen. Gemeint sind die Anwendenden: Der Qualitätsprüfer auf dem Shopfloor, die Schichtleiterin, der Servicetechniker im Feld. Sie müssen von Anfang an im Mittelpunkt stehen und direkt in die Projektumsetzung einbezogen sein. Oft überraschend: Wieviel digitale Gestaltungskompetenz in der Belegschaft steckt – diese gilt es zu aktivieren und zu fördern.

2. Mit Rapid Prototying Geschwindigkeit erhöhen
Umsetzungsgeschwindigkeit ist als Erfolgsfaktor für die Umsetzung von Digitalprojekten zu sehen – auch oder gerade im industriellen Umfeld. Zum einen ist es wünschenswert, den Nutzen einer Applikation möglichst schnell umzusetzen und die im Business Case erwarteten Einsparungen zu realisieren. Zum anderen ist die Umsetzungsgeschwindigkeit ein entscheidender Faktor für die Nutzerakzeptanz. Viel zu oft sind Mitarbeitende und Führungskräfte bisher von langatmigen IT-Projekten frustriert worden. Der Schlüssel dazu sind Rapid-Protoyping-Technologien wie sie in der heutigen App-Entwicklung Standard sind. Auf Basis von Nutzerinterviews entstehen innerhalb weniger Tage klickbare Mockups, die bereits die wesentlichen Nutzerinteraktionen abbilden und es den künftigen Anwendern und Anwenderinnen ermöglichen, ihre Applikation unmittelbar im Arbeitsumfeld zu testen.

3. Modular denken und handeln
Der große Vorteil der Composable IT Architecture liegt in deren Modularität. Einzelne User-Journeys können nacheinander umgesetzt und erweitert werden. Das reduziert Umsetzungs- und Akzeptanzrisiken und ermöglicht es in kleinen Schritten vorzugehen, zu lernen und weiter zu optimieren. Denn modulares Handeln schafft Resilienz. Vergleichbar ist die Composable IT-Architecture mit dem berühmten Lego-Baukasten: Dem einen Werk reicht der 6er Baustein in Gelb, während das Schwesterwerk lieber zwei 3er Bausteine in Rot nimmt. Zusammensteckbar mit klaren Schnittstellen ermöglichen sie schnelle und adaptive Anpassungen für die Mitarbeitenden.

4. Software as a Service
Heute tun sich produzierende Unternehmen vielfach noch schwer, den Nutzen von Software-as-a-Service-Geschäftsmodellen für die Softwarebeschaffung zu erkennen. Dabei liegen sie auf der Hand: Die Entwicklung, den Betrieb und die kontinuierliche Weiterentwicklung modularer IT-Anwendungen können spezialisierte Zulieferer besser und dank skalierbarer Geschäftsmodelle in der Regel auch signifikant kostengünstiger gestalten. Für die Unternehmen bedeutet das: Software als Dienstleistung einkaufen und nur für das bezahlen, was auch tatsächlich genutzt wird. Gleichzeitig können Anbieter auch ohne große Transformationsprojekte gewechselt werden. Anpassbarkeit und Kosteneffizienz sind die Folge.

5. Fehlertoleranz
Das Arbeiten in der fünften Industrie bedeutet auch eine neue Dimension an Fehlerkultur. Denn es besteht die Möglichkeit, die Lösung von gestern durch etwas Besseres ersetzen zu können. Anforderungen sowie Prozesse verändern sich und Menschen lernen dazu. Das modulare Design der digitalen Landschaft ermöglicht es, neue Funktionen hinzuzunehmen, genauso einfach wie das bewusste Abschalten einer nicht mehr benötigten Funktion oder eines obsoleten Moduls. Dadurch müssen nicht alle Risiken eines Softwareprojekts vollumfänglich reduziert werden – ein gesundes Maß an Trial-and-Error ist plötzlich möglich. Und das ist ganz im Sinne wie Produktion funktioniert: Plan-Do-Check-Act als Grundprinzip kontinuierlicher Verbesserung und operativer Exzellenz.

Anwendungsbeispiele

Beispiel Großkonzern: Digitale Qualitätsdokumentation bei Siemens
Ein Beispiel stellt ein Großprojekt beim Siemens Dynamowerk in Berlin dar. Im Fokus der Produktion stehen dort elektrische Großmaschinen als Antriebe für Industrie und Schifffahrt. Die Qualitätsanforderungen sind hoch, viele Arbeitsschritte sind präzise zu dokumentieren – in der Vergangenheit größtenteils auf Papier. Allerdings erwies sich dieses Vorgehen als sehr zeitintensiv: Lange Wartezeiten, fehlende Unterschriften, beschädigte Dokumente – Unklarheiten, Mehraufwände und letztlich auch frustrierte Mitarbeiter waren die Folge.

Dieser Vorgang sollte auf Wunsch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Unterstützung durch den Werkleiter optimiert und modernisiert werden. Das Team von 5th-Industry implementierte für das Siemens Dynamowerk eine App, die zentrale Herausforderungen im Bereich Protokollierung und Qualitätsmanagement löste: Die digitale Qualitätsdokumentation läuft auf den Smartphones und Tablets der 150 Produktionsmitarbeiter sowie auf großen Touchscreens an den Maschinen; die App ist intuitiv bedienbar, in Aufbau und Struktur ähnelt sie den bisherigen Papierprotokollen. Die Mitarbeiter, welche von Anfang an in die Implementierung eingebunden waren, bekommen so sämtliche Informationen, die sie für ihre Arbeit brauchen, über die App und die Daten aus ihren Arbeitsschritten können sie diese direkt in die mobile Software einspeisen. Das Ergebnis: Enorme Zeit- und Ressourceneinsparung gepaart mit modernen digitalen Prozessen.

Beispiel Mittelstand: Effiziente Produktionssteuerung bei Deguma
Für das Maschinenbau-Unternehmen Deguma wurde eine cloudbasierte Applikation für die Produktionsplanung und -steuerung implementiert. Neben der Planung, Überwachung und Steuerung der Produktionsprozesse optimiert die Anwendung die Auftragsabwicklung und den Einsatz der Mitarbeitenden – und unterstützt damit das Wachstum des Unternehmens. Die Anwendung bietet ein modulares Betriebssystem für ein modernes digitales Arbeiten in der Fabrik. 5th-Industry setzte dabei konsequent auf die Anwendung von Cloud-Technologien. Die Anwendung bietet eine leistungsfähige Arbeitsumgebung für eine effiziente Auftragsplanung und -steuerung, die Informationen für die Mitarbeitenden auf dem Shopfloor aber auch Qualitäts- und Auftragsrückmeldungen ermöglicht.

Die Implementierung des Systems erfolgt in der bereits mehrfach erfolgreich unter Beweis gestellten Methode 5 Steps to Live-Operations. Dabei werden die Mitarbeitenden der verschiedenen Rollen sowohl aus Büro- als auch Fertigungsbereichen in die Gestaltung ihres digitalen Arbeitsumfelds direkt eingebunden. In den agilen Sprints können die Mitarbeitenden ihre Vorstellungen für eine spezifische Benutzerumgebung einbringen und in sehr kurzer Zeit an Prototypen live testen. Das Ergebnis: Echtes Ownership und volle Nutzerakzeptanz von der ersten Minute an.

* Jan-Marc Lischka ist Mit-Gründer der 5thIndustry GmbH.

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