Digitalisierung, IIoT und 5G Industrial IoT - die Optimierungsmaschine

Redakteur: Jürgen Schreier

Die Ergebnisse der neuen IDC-Studie zum Potenzial von Industrial IoT dürfte Brancheninsider kaum überraschen: Deutsche Industrieunternehmen nutzen IIoT primär als Optimierungsinstrument; Innovation spielt eine untergeordnete Rolle. IIoT = CIM 4.0? Der Vergleich ist nicht ganz abwegig. Großes Interesse besteht jedoch an 5G als Vernetzungstechnologie.

Anbieter zum Thema

Die Ergebnisse der IDC-Studie zeigen, dass bereits mehr als jedes Vierte der befragten Unternehmen aus der Industrie und den industrienahen Branchen erste IoT-Projekte umgesetzt hat (28 %).
Die Ergebnisse der IDC-Studie zeigen, dass bereits mehr als jedes Vierte der befragten Unternehmen aus der Industrie und den industrienahen Branchen erste IoT-Projekte umgesetzt hat (28 %).
(Bild: gemeinfrei / Pixabay )

Industrial IoT nimmt in Deutschland weiter Fahrt auf. Industrielle und industrienahe Unternehmen erkennen das Potenzial des Internet of Things, sehen sich aber bei der Umsetzung nach wie vor mit allerlei Herausforderungen konfrontiert. Die neue IDC-Studie hat interessante Einsichten zutage gefördert:

  • Mittlerweile haben rund 42 % der befragten Unternehmen IoT-Projekte umgesetzt bzw. befinden sich in der konkreten Pilotierung, weitere 47 % planen und evaluieren.
  • Edge Computing ist für den industriellen Sektor besonders relevant: 24 % der Befragten verarbeiten bereits Daten am Edge, weitere 60 % prüfen derzeit den Mehrwert in Pilotprojekten oder planen das zu tun.
  • Die IoT-freundlichen Anwendungsprofile von 5G überzeugen: 2021 wollen bereits 73 % der befragten Unternehmen 5G für IoT-Projekte nutzen.

IDC hat im Juli 2019 in Deutschland IT- und Fachentscheider aus 258 Organisationen mit mehr als 100 Mitarbeitern aus den Branchen diskrete Fertigung, prozessorientierte Fertigung, Energie-, Wasserversorgung und Abfallentsorgung, Handel sowie Transport, Logistik und Verkehr befragt, um Einblicke in die bisherige Anwendung, Umsetzungspläne, Technologieentscheidungen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren des Industrial Internet of Things zu erhalten.

Fertigungsunternehmen liegen bei der Umsetzung vorn

Die Studienergebnisse zeigen, dass bereits mehr als jedes Vierte der befragten Unternehmen aus der Industrie und den industrienahen Branchen erste IoT-Projekte umgesetzt hat (28 %). In der Pilotierung befinden sich zurzeit 15 % und ein sehr hoher Anteil der Firmen plant und evaluiert (47 %) aktuell neue IoT-Projekte. Der Ausblick ist laut IDC entsprechend positiv zu bewerten.

Die Fertigungsunternehmen (diskrete und prozessorientierte Fertigung) sind besonders fortgeschritten bei der Umsetzung von IoT-Initiativen.
Die Fertigungsunternehmen (diskrete und prozessorientierte Fertigung) sind besonders fortgeschritten bei der Umsetzung von IoT-Initiativen.
(Bild: IDC)

Allerdings gibt es deutliche Unterschiede in Sachen IoT-Reifegrad in den einzelnen Branchen: Fertigungsunternehmen (diskrete und prozessorientierte Fertigung) haben die Nase vorn bei der Umsetzung von IoT-Initiativen. Die Ver- und Entsorger dagegen sind überdurchschnittlich oft in der Pilotierung, während jedes zweite Unternehmen aus dem Handel sich noch in der Planung und Evaluierung befindet.

Zudem haben Großunternehmen momentan häufiger IoT-Projekte umgesetzt als mittelständische Unternehmen. Dennoch : Der in Deutschland wichtige industrielle Mittelstand lässt sich aber künftig nicht abhängen: hier werden aktuell deutlich öfter Pilotprojekte durchgeführt und neue Initiativen evaluiert und geplant.

Interne Optimierung ist Haupttreiber für IoT-Initiativen

Ein wichtiger Katalysator ist vor allem die Integration von IT und OT, um mehr Wert aus Daten zu ziehen: Rund 27 % der befragten Unternehmensvertreter halten diesen Schritt für einen wichtigen im Unternehmen. 17 % gehen sogar soweit, diese Aktivierung der Synergien beider Welten als geschäftskritisch einzuschätzen und machen damit die Unternehmensexistenz vom Gelingen dieser Aufgabe abhängig.

Die Gründe für diese Einschätzung sind vielseitig, verdeutlichen aber auch, warum IoT so viel Bedeutung beigemessen wird. Die zwei mit Abstand wichtigsten Gründe für die Auseinandersetzung mit IoT und damit auch erhofften Chancen sind Kostenreduzierungen (40 %) und die Verbesserung von interner Effizienz und Produktivität (35 %). Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit über klassische, interne Optimierung steht also klar im Vordergrund. Oder anders gesagt: Die Ziele, die mit IIoT verfolgt werde, ähneln jenen der seligen CIM-Ära (CIM = Computer Integrated Manufacturing), in der durch den massiven Einsatz von IT-Technologie über mehrere Ebenen hinweg beträchtliche Rationalisierungseffekte realisiert werden sollten.

Hauptidee war seinerzeit die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens ausgehend vom CIM. Im Zentrum des sogenannten CIM-Wheel stand die Integrierte Systemarchitektur (integrated system architecture) mit einer gemeinsamen Datenbasis (common data) und der Informationsverwaltung und -kommunikation (information ressource management & communication). Auf einer zweiten Ebene wurden Unternehmensfunktionen aus den Bereichen Fabrikautomation und Produktionsplanung und -steuerung über die Bestandteile der Integrierten Systemarchitektur miteinander verknüpft.

Allerdings: Heute, im IoT-Zeitalter, denken viele Unternehmen aber auch bereits einen Schritt weiter und wollen mit ihren IIoT-Aktivitäten auch neue Kunden ansprechen (27 %) und das Kundenerlebnis verbessern (26 %), z. B. mit neuen, datenbasierten Services.

30 % der Unternehmen nutzen IoT-Plattformen

Um die oben genannten Ziele zu erreichen, müssen aber zunächst Daten gesammelt und analysiert werden. Diesen Schritt organisiert die IoT-Plattform. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass der Einsatzgrad für IoT-Plattformen quasi deckungsgleich mit der konkreten Umsetzung von IoT-Projekten (28 %) ist. Wo anfangs noch Eigenentwicklungen für Pilotprojekte genügen, fehlt bei echten Umsetzungen nach Beobachtungen von IDC die Performance und Skalierbarkeit einer professionellen Plattform.

Sehr wichtig für Industrieunternehmen - und in der Studie auch für 23 % der Befragten - ist die breite Unterstützung möglichst vieler Endgeräte, Protokolle und Standards. Die IoT-Plattform übernimmt an dieser Stelle eine zentrale Funktion und hat damit auch eine große Rolle in der IT/OT-Integration. IDC prognostiziert, dass bereits im Jahr 2020 weltweit rund 70 % der Unternehmen, die sich aktiv mit IoT beschäftigen, IoT-Plattformen im Einsatz haben werden. Gleichzeitig werden dann bereits die Hälfte der Plattformnutzer mehrere Plattformen gleichzeitig einsetzen, um die Bedürfnisse all ihrer Anwendungsszenarien abzudecken.

Edge Computing wird immer wichtiger

Ende 2018 setzten branchenübergreifend 12 % aller Unternehmen Edge Computing ein. In Deutschland liegen sie laut der aktuellen Studie mit 24 % deutlich darüber. Die Organisationen hierzulande zeigen damit, dass ihnen der „Time to Value“ der Daten, der durch die Verlagerung der Datenanalyse an den Ort der Datenerzeugung verkürzt wird, sehr wichtig ist.

Die dadurch deutlich schnelleren Transaktionen bis hin zur Echtzeitverarbeitung sind folglich auch der größte Treiber für 34 % der Unternehmen. Ein weiterer praktischer Effekt und Einsatzgrund von Edhe Computing für 32 % der Unternehmen: Die zum Teil großen Datenmassen müssen das Unternehmen nicht verlassen, was Kosten bei einer alternativen Analyse in der Cloud spart oder Kapazitäten für andere Analysen im eigenen Data Center freigibt.

„Wir gehen davon aus, dass 2022 bereits 40 % der initialen IoT-Analysen am Edge stattfinden werden“, erläutert Elena Georg, Projektleiterin und Consultant bei IDC in Frankfurt. „Das Core Data Center, ob im Unternehmen oder in der Cloud, wird nach wie vor relevant für umfassende und rechenintensive Analysen bleiben. Wichtig ist die leistungs- und kostenoptimale Balance zwischen Cloud, eigenem Rechenzentrum und dem Edge.“

Deutsche Unternehmen planen schnellen 5G-Einsatz

Die Wahl der richtigen Verbindungsart ist essenziell für das Gelingen eines IoT-Projekts. Je nach Anwendungsfall muss entschieden werden, welche Parameter nd notwendig und wichtig sind. Deutsche Unternehmen setzen offenbar auf ein immer reichhaltigeres Portfolio aus parallel eingesetzten Konnektivitätstypen, um diverse Anwendungsszenarien optimal umzusetzen.

Laut der Befragung ist das Interesse am neuen Mobilfunkstandard 5G besonders groß. „5G bietet im Optimalfall Eigenschaften, die für IoT-Anwendungen besonders attraktiv oder sogar Voraussetzung sind: hohe Gerätedichten, hohe Bandbreiten und extrem niedrige Latenzzeiten. Damit wird 5G auch in lokalen Umgebungen als Alternative oder Ergänzung für Wi-Fi und LPWAN die Connectivity-Landschaft bereichern“, ist Marco Becker, Senior Consultant bei IDC, übetzeugt.

Im Jahr 2021 wollen bereits 73 % der Unternehmen 5G für IoT einsetzen, und damit beinahe so häufig wie gängige Mobilfunkstandards (85 %) und öfter als LPWAN-Technologien (64 %).

Angriffsfläche auf Produktion und OT-Daten wird größer

Chancen und Technologieadaption treiben die IoT-Umsetzung. Die Befragten sehen sich bei der Umsetzung allerdings auch mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Laut der Studie haben 31 % der Befragten Sicherheitsbedenken. Im Rahmen der IoT-Umsetzung werden OT und IT zumindest punktuell verknüpft, was die Angriffsfläche eines Unternehmens auf die Produktion sowie auf die OT-Daten erweitert. Damit geraten auch Daten, die vorher nur in isolierten Zonen verarbeitet wurden, potenziell in die Reichweite von Cyberkriminellen.

30 % der Befragten führen die hohe Komplexität von IoT-Implementierungen als Herausforderung an. Wachsende Landschaften werden schnell unübersichtlich, schwieriger zu managen und lassen sich – im Hinblick auf die Sicherheitsbedenken – dann auch schwieriger lückenlos absichern. Hier spielt auch der Mangel an Fachkräften mit Erfahrung im Bereich IoT eine Rolle, denn mehr als die Hälfte der Befragten geben an, dass fehlende Fachkräfte ihre IoT-Aktivitäten ausbremsen. Gerade Großunternehmen sehen sich mit der hohen Komplexität konfrontiert (34 %), weil ihre IoT-Initiativen typischerweise einen großen Umfang haben. Dagegen ist die Sicherstellung von Budgets die größte Herausforderung der mittelständischen Unternehmen (33 %).

Fazit

Es zeigt sich: IoT wird als Enabler der digitalen Transformation der Industrie und industrienahen Wirtschaftszweige erkannt. Allerdings liegt der Fokus vor allem auf der internen Optimierung, beispielsweise werden die Reduzierung operativer Kosten sowie eine Verbesserung der internen Effizienz und der Produktqualität offenbar als attraktiv eingestuft. Gleichzeitig haben die befragten Unternehmen nach wie vor mit Startschwierigkeiten zu kämpfen, daran hat sich seit der letzten Bestandsaufnahme nicht viel geändert.

Die größten Hürden liegen dabei bei den Bedenken in Bezug auf Daten-und Netzwerksicherheit, in der hohen Komplexität und dem Mangel an Fachkräften. Auch die wenig integrierten und teilweise veralteten IT-Landschaften scheinen zu einem immer größeren Problem zu werden. Hier sehen wir eindeutig die Anbieter in der Pflicht, u.a. mit überzeugenden Use Cases zu unterstützen.

Für deutsche Unternehmen aus der Industrie ist es jetzt wichtig, Industrial IoT auch stärker im Kontext der Digitalisierung anzuwenden und vor allem die Chancen zu begreifen, die die Technologien abseits von Optimierung und Kosteneinsparung mit sich bringen. Dafür muss Industrial IoT als Businessthema begriffen werden, das neue Geschäftsmodelle und Innovation ermöglicht. Nur wenn das verstanden und vor allem umgesetzt wird, wird die deutsche Wirtschaft ihren Vorsprung in der Welt ausbauen bzw. verteidigen können.

(ID:46155360)