Datenhomogenisierung Hürden auf dem Weg zur Smart Factory überwinden
Mit einem gezielten Zugriff auf Rohdaten und einer sinnvollen, universellen Nutzbarmachung dieser lassen sich Optimierungspotentiale effektiver nutzen. Hier setzt Software zur Datenhomogenisierung an.
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Für viele mittelständische Fertigungsunternehmen ist die digitale Transformation nach wie vor eine große Herausforderung. Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft EY haben erst fünf Prozent der industriellen Mittelständler ihre Produktion weitgehend oder vollständig vernetzt, bei 46 Prozent sucht man Methoden der Industrie 4.0 bislang sogar noch völlig vergebens. Immerhin: Im Jahr 2020 wollen die befragten Unternehmen im Schnitt 39 Prozent ihres Umsatzes mit entsprechenden Produktionsverfahren erzielen.
Doch das ist gar nicht so einfach. Denn dazu braucht es vor allem zwei Dinge: Eine zuverlässige Anbindung an das Industrial Internet of Things sowie eine gezielte Verwertung der von den Maschinen bereitgestellten Daten. „Aktuell sind weniger als fünf Prozent der Anlagen und Maschinen in den Unternehmen in der Lage, Daten so zur Verfügung zu stellen, dass sie sinnvoll genutzt werden können“, verweist Jürgen Kramer, Vertriebsleiter in der Division Digital Factory der Siemens AG, auf die aktuelle Herausforderung. Umso wichtiger sei es, sich dem Thema zeitnah zu stellen. Gerade, weil beschleunigte Innovationszyklen sowie der gestiegene Anspruch an Flexibilität, Qualität und Effizienz für die Unternehmen zu immer wichtigeren Faktoren im weltweiten Wettbewerb werden.
Direkter Zugriff auf die Rohdaten im Shop-Floor fehlt
Das sieht Ulrich Grauvogel von der Data Ahead AG ähnlich. „Neuen Funktionen und Services fehlt der direkte Zugriff auf die Rohdaten im Shop-Floor“, sagt der Chief Marketing Officer des Systemhauses mit Hauptsitz in Nürnberg. Das Problem: Die in den Betrieben vorhandenen Systeme für das Enterprise Ressource Planing (ERP) und Manufacturing Execution System (MES) halten mit der Volatilität des digitalen Wandels meist nicht Schritt. Auch, weil proprietäre Middleware und dedizierte Schnittstellen und Gateways eine transparente Bereitstellung und Auswertung von Fertigungsdaten erschweren.
Nichtsdestotrotz sind nach Grauvogels Ansicht die Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Einstieg in die Smart Factory auch im industriellen Mittelstand sehr gut. Schließlich lasse der Digitalisierungsgrad der Basistechnologien nur wenig zu wünschen übrig. „Es gibt fast keinen Prozess in den Betrieben, der nicht schon per se digitalisiert ist. Die Rohdaten sind dadurch alle bereits vorhanden. Das Problem ist, an sie heranzukommen“, verdeutlicht der CMO.
Das Systemhaus engagiert sich als „Hybrid IIoT-Partner“ im Mindsphere-Ökosystem von Siemens und hilft bei eben jener Rohdatenvorstufe der Industrie 4.0-Themen. Das cloudbasierte, offene Betriebssystem für das IIoT verbindet Produkte, Anlagen, Systeme und Maschinen miteinander und ermöglicht es, die Fülle von Daten aus der Fertigung mit umfangreichen Analysen sinnvoll zu nutzen. „Elastic Gear, unsere Architektur für das schnelle Finden und Nutzen von Daten, leistet die Homogenisierung sämtlicher Datenformate und -quellen, ohne, dass Rohdaten verloren gehen“, erläutert Ulrich Grauvogel.
Fünf Faktoren bei der Datenhomogenisierung
Besonderen Wert legt er dabei auf die Feststellung, dass „Homogenisierung“ nicht mit „Formatierung“ oder „Standardisierung“ gleichzusetzen ist. Auf dem Weg zur Smart Factory seien folgende fünf Faktoren zu beachten:
- Variety (Vielfalt): Daten werden heute in vielfältigen Formaten und Quellen gespeichert. Neben strukturierten Informationen wie etwa Stammdaten fließen zunehmend auch semistrukturierte (z.B. E-Mails) und unstrukturierten Daten wie Posts aus dem Social Web in die Datenverarbeitung ein. Zudem gilt es, in der Smart Factory Unternehmens- und Fremddaten sowie maschinelle und durch Menschen erzeugte Informationen zu harmonisieren. Jeder Festlegung auf ein Standardformat als angebliches IIoT-„Format der Zukunft“ – empfiehlt Grauvogel – sollte eine Absage erteilt werden.
- Velocity (Geschwindigkeit): Im IIoT mit seiner enorm wachsenden Anzahl beteiligter Geräte droht bei verketteten Abhängigkeiten die Antwortzeit exponentiell über der Zahl der beteiligten Instanzen zu steigen. Kein Service oder Microservice kann es sich leisten, sekundenlang auf Daten eines weiteren beteiligten Prozesses, oder schlimmer noch, auf Daten aus Archiven zu warten. Als Richtwert für eine Obergrenze gilt die „magische Sekunde“, die man als Mensch selbst bereit ist, auf Antwort eines Automaten zu warten.
- Visibility (Sichtbarkeit): Die Sichtbarkeit von rohen Daten ist keine Selbstverständlichkeit: Experten zufolge ist über die Hälfte der weltweit gespeicherten und verwalteten Unternehmensdaten „Dark Data“. Das bedeutet, sowohl ihr Inhalt als auch ihr Geschäftswert sind noch unbekannt. Umso wichtiger ist es, beides mithilfe neuer Technologien sicht-, korrelier- und nutzbar zu machen, ohne auf proprietäre Viewer oder Dashboardentwicklung angewiesen zu sein.
- Volatility (Volatilität): Während Kunden- und Geschäftsprozessdaten in der Regel langfristig zu speichern sind, verfallen beispielsweise maschinelle Rohdaten oft bereits kurz nach der Verarbeitung und stehen künftigen Services nicht mehr zur Verfügung. Leider ist die ursächliche monolithische Speicherstruktur und IT-Kultur oft noch politisch geprägt und ändert sich nur langsam. „In einer Makrobetrachtung betrifft Volatilität genauso auch Produkte und Maschinen“, so Grauvogel. Onboarding einer Maschine im Daten-Ökosystem darf nicht Wochen oder Monate dauern, während Time-to-Market-Vorgaben sich gegenläufig entwickeln.
- Volume (Menge): Im Zeitalter der Digitalisierung steigt die Menge der verfügbaren Daten exponentiell an, ohne in den Prozessen und Services auf historische Daten verzichten zu können. Herkömmliche Datenbanksysteme stoßen bei der Speicherung und Verarbeitung von Datenvolumen im Petabyte-Bereich an ihre Grenzen. „In-Memory- oder Near-Memory-Technologien versagen sogar gänzlich“, warnt der CMO. Multi-Node-Technologien und Cloud-Plattformen würden dagegen Abhilfe schaffen.
Mittelständler setzt auf Mindsphere-App HIFIVE
Mit der HIFIVE-App von Elastic Gear, die in Anlehnung an diese fünf Faktoren benannt ist, werden sämtliche Anforderungen von Mindsphere zur Verarbeitung von Massendaten erfüllt. Anwender müssten sich deshalb keine Sorgen mehr über die Eignung ihrer Rohdaten für die Siemens-Plattform machen.
Dieses Argument überzeugte auch die Peiler & Klein Kunststofftechnik GmbH im fränkischen Höchstadt an der Aisch. Mit rund 100 Mitarbeitern produziert der 1994 gegründete Betrieb an drei Standorten technische Spritzgussteile für die Automobil-, Elektrotechnik-, Haustechnik-, Kosmetik- und Luftfahrtindustrie..
Bereits 2015 gab Geschäftsführer Christian Werner den Weg in Richtung Smart Factory vor. Die erforderliche Grundlage war dank des hochmodernen Maschinenparks bereits vorhanden, die Rohdaten aus den rund 70 Spritzgussmaschinen mussten also „nur noch“ bereitgestellt und ausgewertet werden.
Der Mittelständler arbeitet dabei mit Geräten, Anlagen und Maschinen der neuesten Generation von verschiedenen Herstellern - bis hin zum Computer-Tomographen. Wie Peiler & Klein setzt auch Data Ahead auf eine konsequente Demokratisierung sämtlicher Daten. „Maschinendaten sichtbar zu machen, ohne vorher zu definieren, wie und durch wen sie im Endeffekt ausgewertet werden sollen, war und ist der Leitgedanke und ein wichtiger Erfolgsfaktor in allen unseren Projekten“, unterstreicht Ulrich Grauvogel.
Huckepackgerät erleichtert Datenerfassung
Die Elastic Gear-Komponenten werden dabei lediglich als „Huckepackgerät“ an die jeweilige Fertigungsmaschine angedockt, ohne einen Eingriff in die jeweilige Prozesssteuerung vornehmen zu müssen. Anschließend muss nur noch aus der Ferne die erforderliche Software aufgespielt werden – und schon steht der direkten Auswertung der Maschinendaten nichts mehr im Weg. Inzwischen homogenisiert Elastic Gear bei Peiler & Klein sämtliche verteilte Datenquellen, etwa an Trocknungsöfen und Granulatwaage oder den Sensoren an den Spritzgießmaschinen selbst.
Auf Basis dieser Daten konnten bereits eine Reihe von Anwendungen realisiert werden. Wie etwa die direkte Anzeige der Overall Equipment Effectiveness (OEE), das Loadbalancing zwischen einzelnen Maschinen, eine umfassende Werkzeugüberwachung, Verfolgbarkeit (Traceability) und der Einsatz von digitalen Zwillingen. An weiteren spannenden Einsatzmöglichkeiten zur Erschließung immer neuer Optimierungspotenziale herrscht kein Mangel. „Fast täglich werden Lösungen gefunden, nach denen wir bisher gar nicht aktiv gesucht haben“, freut sich Geschäftsführer Christian Werner.
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