200 Jahre Fahrrad Historisches Laufrad nachgebaut und elektrifiziert

Vor 200 Jahren – am 12. Juni 1817 – fuhr der Erfinder Karl von Drais erstmals eine längere Fahrt mit seinem Laufrad, der Urform des Fahrrades. Dieses Jubiläum nahm ein Team der Universität des Saarlandes zum Anlass, das historische Fortbewegungsmittel nachzubauen und zu elektrifizieren. So entstand die „Draisine 200.0“. Zudem nutzten die Informatiker das Projekt, um Softwareprogramme für die E-Bike-Industrie zu optimieren.

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Am 12. Juni 2017 feiert die erste Radtour ihren 200. Geburtstag. Aus diesem Anlass fasste Holger Hermanns, Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes den Entschluss, das Laufrad des Karl von Drais nachzubauen und es dabei gleich mit einem Elektroantrieb auszustatten.
Am 12. Juni 2017 feiert die erste Radtour ihren 200. Geburtstag. Aus diesem Anlass fasste Holger Hermanns, Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes den Entschluss, das Laufrad des Karl von Drais nachzubauen und es dabei gleich mit einem Elektroantrieb auszustatten.
(Bild: Oliver Dietze / Uni des Saarlandes)

Kleinkinder nutzen das Laufrad noch heute, das Erfinder Karl von Drais erstmals am 12. Juni 1817 auf einer längeren Fahrt erprobte. 200 Jahre später machen Informatiker der Saar-Uni diese Urform des Fahrrades auch für Erwachsene attraktiv. Zu Ehren des Erfinders besteht der Prototyp zwar noch immer komplett aus Holz, verfügt jedoch auch über Elektromotor, Batterie, Sensoren und Mini-Computer. Sobald sich der Fahrer mit den Beinen vom Boden abstößt, schaltet sich der Motor ein und verleiht Fahrer samt Gefährt zusätzlichen Antrieb. Mit ihrer „Draisine 200.0“ wollen die Informatiker die Aussagekraft mathematischer Beweise testen, um damit unter anderem die Software von E-Bikes sicherer zu machen.

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Grundlagenforschung für Elektro-Fahrrad-Industrie

Holger Hermanns ist Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes und mittlerweile auch in der Fahrrad-Szene bekannt. Mit seiner Grundlagenforschung will er der schnell wachsenden Elektro-Fahrrad-Industrie helfen, Programmierfehler zu vermeiden, die in anderen Industriezweigen bereits für Schlagzeilen sorgten. Hermanns ist überzeugt: „Wenn es uns gelingt, die automatische Verifikation der Software zum Industriestandard zu machen, werden wir so etwas wie den Dieselskandal nicht mehr erleben“.

Im Jahr 2011 stellte er daher eine drahtlose Fahrradbremse vor. Die Zuverlässigkeit der auf Funk basierenden Bremse bewies er mit mathematischen Methoden, die auch bei Steuersystemen von Flugzeugen oder chemischen Fabriken zum Einsatz kommen. Die drahtlose Fahrradbremse machte so weltweit Schlagzeilen. 2016 zeichnete ihn der Europäische Forschungsrat mit einem auf 2,4 Millionen Euro dotierten Advanced Grant aus. Damit will Holger Hermanns auch die Software für Elektrofahrräder in punkto Betriebssicherheit weiterentwickeln. Wenige Wochen später erfuhr er, dass am 12. Juni 2017 die erste Radtour ihren 200. Geburtstag feiert, und er fasste den Entschluss, das Laufrad des Karl von Drais nachzubauen und es dabei gleich mit einem Elektroantrieb auszustatten.

Ein Prototyp für die „Draisine 200.0“

Zusammen mit Dries Callebaut, einem belgischen Fahrrad-Ingenieur, entwickelt er in wenigen Monaten einen Prototyp für die „Draisine 200.0“. Zu Ehren von Karl von Drais ist das Nachfolge-Modell komplett aus Holz gefertigt und wird über eine Art Fußpedal am hölzernen Vorderrad gebremst. In der Nabe des ebenfalls hölzernen Hinterrades sitzt ein 200 W starker Elektromotor, angetrieben von einer 750 g schweren Batterie. Per Kabel ist der Elektromotor mit einem Mini-Computer verbunden, der am Rahmen des Laufrades sitzt und ihn mit Hilfe eines Beschleunigungssensors steuern soll. Jedoch genau das erwies sich als schwierig.

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„Bei den herkömmlichen Elektrofahrrädern schaltet sich der Motor ein, wenn sich die Pedale bewegen, bei der Draisine gibt es diese nicht“, erklärt Hermanns. Genau zu erfassen, wann der Fahrer das Laufrad anschiebt, wurde daher zur Herausforderung, die Feinabstimmung der entwickelten Steuer-Software zur Nervenprobe. Die Forscher merkten schnell, dass schon kleine Fehler drastische Wirkung haben. „Stellen Sie sich vor, Sie holpern über einen Bordstein, die Sensorik interpretiert dies als Anschieben und lässt den Elektromotor auf 25 km/h Höchstgeschwindigkeit beschleunigen“, erläutert Hermanns die Brisanz. Immer wieder testeten die Mitglieder seiner Gruppe den Prototypen, allen voran Gereon Fox und Florian Schießl. Sie montierten sogar eine Kamera am Rahmen, um per Videobeweis das korrekte Zusammenspiel von menschlicher und elektrischer Antriebskraft zu verifizieren. Um die Videoaufnahmen mit den gemessenen Sensor-Daten zu synchronisieren, entwickelten sie auch eine spezielle Leuchtdioden-Uhr, die sie automatisch auslesen konnten.

Testfahrt mit drittem Prototyp

Die Anstrengungen zeigten Wirkung: Der dritte Prototyp – Mini-Computer, Batterie und Beschleunigungssensor sind inzwischen ganz im Holzrahmen verschwunden – lässt sich nicht mehr durch starkes Rütteln fortbewegen. Für die Forscher um Professor Hermanns ist dies jedoch erst der Anfang: „Wir werden nun die Korrektheit der Software verifizieren, also mathematisch beweisen, dass der Motor nicht über die erlaubte Höchstgeschwindigkeit antreibt und dass die Batterie nicht überlastet wird“, erklärt Hermanns. Jetzt will der Informatik-Professor jedoch erst einmal mit dem aktuellen Prototyp eine längere Testfahrt unternehmen. Denn so fing schließlich vor 200 Jahren auch alles an.

An der Draisine 200.0 arbeiteten ebenfalls Sebastian Biewer, Felix Freiberger und Gilles Nies mit. Das Projekt wurde mit dem Preisgeld des ERC Advanced Grant finanziert. (sh)

Der Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal konstruktionspraxis erschienen.

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