Mensch-Maschine-Schnittstelle Gutes Design ist das Ergebnis eines durchdachten Nutzer-Konzepts
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Die Mensch-Maschine-Schnittstelle entscheidet mit über den Erfolg einer Maschine am Markt. Im Interview erklärt Industrial Designer Tom Cadera, warum Nutzung, Wirtschaftlichkeit und Machbarkeit erst geklärt sein müssen, bevor es um Ästhetik und Attraktivität gehen kann.

Welche Bedeutung hat die Mensch-Maschine-Schnittstelle für die Produktivität einer Maschine und damit für den Erfolg am Markt?
Tom Cadera: Eine entscheidende. In einer Welt, in der es immer schwieriger wird, die Maschinenleistung zu optimieren, ist die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ein wichtiger Faktor, um sich auf dem Markt durchzusetzen und Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Darüber hinaus sorgen intuitive und benutzerfreundliche Mensch-Maschine-Schnittstellen dafür, dass Maschinenbediener ihre Arbeit besser erledigen, etwa die Maschinenwartung schnell und effizient durchführen können. Das reduziert Stress und Fehleranfälligkeit bei der Arbeit mit Maschinen.
Ab welchem Zeitpunkt sollte über die Bedienbarkeit der Maschine nachgedacht werden?
Es ist elementar, die Bedienbarkeit der Maschine bereits in der Konstruktion zu berücksichtigen, um spätere Kosten für Änderungen zu vermeiden. Häufig fehlen aber genaue Nutzerungsanforderungen, daher ist es wichtig, im Vorfeld mit den Bedienern zu sprechen und sich deren Anforderungen anzuhören. Zu den wiederkehrenden Anforderungen gehören unter anderem häufig die einfache Reinigbarkeit oder einfache Service-Aufgaben, die man zum Beispiel mit dem Auflösen eines Papierstaus bei Büro-Druckern vergleichen kann.
Wie vertraut sind Konstrukteure mit Fragen der Industrial Usability und der Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle?
Es kommt ein wenig darauf an, was man unter Usability und der Mensch-Maschine-Schnittstelle versteht. Konstrukteure sind in der Regel mit dem Thema Ergonomie vertraut. Bezieht man also ergonomische Aspekte in die Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle mit ein, gehört das Thema zu den Alltagsaufgaben von Konstrukteuren.
Usability ist die logische Fortführung des Ergonomiegedankens aus der analogen in die digitale Welt.
Genauer betrachtet gibt es natürlich die Themen Gebrauchstauglichkeit und Ergonomie schon lange. Erst mit dem Aufkommen digitaler Aspekte in der Bedienung technischer Systeme hat sich der Begriff Usability entwickelt, der aus meiner Sicht die logische Fortführung des Ergonomiegedankens aus der analogen Welt ist. Betrachtet man Usability hauptsächlich im Zusammenhang mit Software, haben Konstrukteure damit weniger Berührungspunkte. Schließlich kümmern sie sich primär um die Hardware.
Der Begriff Mensch-Maschine-Schnittstelle hingegen unterscheidet nicht zwischen Hard- und Software. Er beschreibt treffend, dass die Übergänge in der Praxis fließend sind, wenn man ein System bedient. Bei Cadera Design sind wir froh, dass wir tatsächlich beide Aspekte gleichermaßen berücksichtigen können. Wir sprechen in diesem Zusammenhang gerne von Overall User Experience, einem positiven Gesamterlebnis. Das zählt auch beim Bediener.
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Weitere InformationenWie kann ein Industrial Designer Konstruktion und Entwicklung unterstützen?
Der Beginn unserer Arbeit besteht immer darin, zu verstehen, welche Aufgaben die unterschiedlichen Nutzer und Nutzerrollen an einem technischen System, Maschinen und Anlagen erfüllen müssen. Dafür sprechen wir mit den Menschen, die in den Produktionsumgebungen arbeiten, beobachten sie und finden so heraus, welche Anforderungen in Bezug auf die Nutzung an eine neue Maschinenentwicklung vorliegen. Unsere Erfahrung zeigt, dass Nutzungsanforderungen in Lasten- und Pflichtenheften häufig unterrepräsentiert sind.
Als Designer verstehen wir uns als Anwalt der Nutzerinnen und Nutzer. Das bedeutet, ihre Bedürfnisse für die Bedienung von technischen Systemen so gut wie möglich zu vertreten. Werden diese Anforderungen nicht berücksichtigt, können später unangenehme Überraschungen auftreten, zum Beispiel Beschwerden über schlechte Bedienbarkeit. Das führt häufig zu aufwändigen und kostspieligen Änderungen im Nachhinein oder zu minderwertigen Produkten.
Die Vollständigkeit von Anforderungskatalogen ist extrem wichtig. Im Laufe der Entwicklung werden alle Ideen und Konzepte anhand des Erfüllungsgrads der verschiedenen Anforderungen gemessen. Werden Anforderungen vergessen, fehlen sie wahrscheinlich später im fertigen Produkt.
Wie bringen Sie als Designer Ihre Ideen in die Entwicklung einer Maschine mit ein?
Wir lassen uns von der Technik und den Konstrukteuren zeigen, welche Bauteile und Baugruppen für die technische Funktionalität einer Maschine benötigt werden. Wir fragen ab, ob die Positionierung dieser Bauteile fix oder variabel ist. Mit diesem Wissen entwickeln wir räumliche Konzepte und erste Ideen, wie die Maschine idealerweise mit einer attraktiven und praktischen Verkleidung versehen werden kann.
Spielt die wirtschaftliche Machbarkeit auch für Sie eine Rolle?
Im Maschinenbau arbeiten wir in der Regel mit Blechkonstruktionen in der Verkleidung, da die Stückzahlen nicht allzu groß sind. Natürlich interessiert uns hier immer auch die wirtschaftliche Machbarkeit.
Wir legen einen Schwerpunkt darauf, von Anfang an kostenoptimiert zu denken. So verwenden wir grundsätzlich die gleichen Konstruktions-Tools wie die Konstruktion; das gewährleistet einen einfachen Datenaustausch. Häufig werden unsere CAD-Daten von der Konstruktion übernommen, und die Konstrukteure konkretisieren auf dieser Basis die technischen Lösungen. Im Idealfall spielen wir uns die Bälle einige Male hin und her. Wir erhalten also die Daten von der Konstruktion und bearbeiten sie dann unter gestalterischen Aspekten weiter. Wir geben sie wieder an die Konstruktion zurück, und so entstehen einige Iterationen, die nach und nach zu einer sehr guten Lösung führen - einer Lösung, die alle Anforderungen in Bezug auf Technik, Nutzung, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Ästhetik erfüllt.
Es fällt auf, dass wir erst jetzt über das Thema Ästhetik und visuelle Wirkung sprechen.
Häufig werden Designer vor allem mit diesen Aspekten des Designprozesses gleichgesetzt oder darauf reduziert. Doch wir haben gesehen, dass die Aufgaben in Bezug auf Nutzung, Technik, Marke und Wirtschaftlichkeit zuerst erfüllt werden müssen, bevor wir über Attraktivität und Ästhetik sprechen können.
Die VDI Norm 2424 beschreibt übrigens sehr gut, wie all diese Aspekte in den Entwicklungsprozess einfließen und wie sich die Arbeit von Designern und Konstrukteuren ideal ergänzt.
Wo sehen Sie aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen? Wie lassen sie sich meistern?
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, sicherzustellen, dass die oben genannten Design-Aspekte wirklich in jeden Entwicklungsprozess einfließen. Oft sehen die Entwicklungsprozesse in Unternehmen standardmäßig keine Designbeteiligung vor, und daher werden wir entweder gar nicht oder zu spät in den eigentlichen Entwicklungsprozess einbezogen.
Design sollte als ein wichtiger Teil der Unternehmensstrategie betrachtet werden.
Um diese Hürden zu umgehen, müssen die Prozesse unter Beteiligung professioneller Designer neu definiert werden. Design sollte als ein wichtiger Teil der Unternehmensstrategie betrachtet werden. Die Beteiligung des Managements und der Geschäftsleitung ist dabei von großer Bedeutung. Wenn UX und Design als strategischer Erfolgsfaktor anerkannt werden, ergeben sich daraus zahlreiche Vorteile. Das schafft den Vorlauf für die Entwicklung, ermöglicht eine strategische Ausrichtung, die Einbindung der Nutzer und führt letztendlich zu innovativen und wirtschaftlich erfolgreichen Produkten.
Was bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle unbedingt berücksichtigt werden sollte
- Nutzerbeteiligung: Die aktive Einbindung der Nutzer in den Produktentstehungsprozess ist entscheidend, um deren Bedürfnisse und Anforderungen zu verstehen.
- Kenntnis des Nutzeralltags: Wertvoll ist es auch den Alltag der Nutzer zu kennen und zu verstehen, wie sie arbeiten, welche Abläufe sie haben und wie ihr Arbeitsplatz aussieht. Dies ermöglicht eine anwendungsgerechte Gestaltung der Schnittstelle.
- User-Centered Designprozess: Optimal, um eine nutzerfreundliche Gestaltung zu erreichen. Dies beinhaltet die Erfassung der Nutzeranforderungen, das Erstellen von Konzepten, die Entwicklung von Prototypen und das Durchführen von Tests und Evaluationen (s. auch ISO 9241).
- Unnötige Schleifen vermeiden: Es besteht das Risiko, unnötige Schleifen zu drehen, wenn bestimmte Aspekte übersehen oder nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Daher sollte darauf geachtet werden, alle relevanten Aspekte zu beachten und eine ganzheitliche Gestaltung anzustreben. Am besten gelingt das mit der frühen Integration der Nutzeranforderungen.
Cadera Design hat 2022 30-jähriges Jubiläum gefeiert – Sie haben viel Erfahrung gesammelt. Welche drei Aspekte dürfen bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle auf keinen Fall fehlen?
Nutzerbeteiligung, Wirtschaftlichkeit sowie Unternehmensstrategie und Marke. Es ist entscheidend, die Nutzer frühzeitig und kontinuierlich in den Designprozess einzubeziehen. Durch ihr Feedback und ihre Anforderungen können nutzerzentrierte Lösungen entwickelt werden, die den Bedürfnissen und Anforderungen der Nutzer gerecht werden.
Bei der Gestaltung der Schnittstelle sollte auch der wirtschaftliche Nutzen berücksichtigt werden. Designentscheidungen sollten darauf abzielen, die Effizienz, Produktivität und Rentabilität zu steigern. Hierbei können beispielsweise Kostenersparnisse durch eine verbesserte Bedienbarkeit oder eine Reduzierung von Schulungszeiten erreicht werden.
Und: Die Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle sollte die Ziele und Werte des Unternehmens sowie die Markenidentität unterstützen. Eine konsistente visuelle Gestaltung und die Berücksichtigung des Unternehmensimages tragen zur Stärkung der Marke bei und schaffen ein positives Markenerlebnis für die Nutzer.
Zusätzlich zu diesen drei Hauptfaktoren sind auch Innovation, technische Machbarkeit und ein Verständnis für die zugrunde liegende Technologie wichtige Aspekte, die bei der Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle nicht fehlen sollten. So werden UX und Design zu einer lohnenden Investition.
Vielen Dank Herr Cadera.
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