Exklusivinterview: Wenn IT auf OT trifft GE Digital will der Amazon bei Industrie 4.0 werden
Digitalisierung sei nicht der nächste Schritt der Automatisierung, sagt Prof. Dr.-Ing. Stephan Reimelt, President von GE in Deutschland und Österreich. Was das für die deutsche und europäische Chemie- und Prozessindustrie bedeutet, wie sich mit Big-Data-Analysen Brauprozesse optimieren lassen und wie GE Digital, die als Sponsor der Namur-Hauptsitzung 2017 auftreten, mit Predix zu der relevanten IIoT-Plattform werden will, verrät Reimelt im PROCESS-Interview.
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? Herr Prof. Reimelt, Sie haben mit der deutschen und europäischen Prozessindustrie ein harte Nuss zu knacken.
Reimelt: Das ist das, was wir lieben. Das ist unsere DNA. Die Aufgabe kann nicht groß genug sein. Insofern haben wir derzeit einige globale Nüsse zu knacken. Wir leben in einer Welt großer Volatilität mit schwachem Wachstum in vielen Regionen, großen Veränderungen, aber hier fühlen wir uns als GE auch sehr wohl. Schauen Sie sich nur unsere Zahlen an. Wir haben in der Firmengeschichte die mit Abstand größte Transformation in den letzten fünf Jahren gemacht, für die andere Firmen unserer Größe eine Dekade brauchen. Wir haben mit GE Capital die viertgrößte Bank Amerikas an unterschiedliche Käufer verkauft, wir haben in den letzten 18 Monaten 65 000 Mitarbeiter von Alstom erfolgreich in GE integriert. Wir haben entgegen einer Menge Unkenrufe eine überzeugende Portfolio-Veränderung hingelegt. Wir haben ein Digitalgeschäft aufgebaut, das im Jahr 2016 6 Mrd. Umsatz gemacht hat. Wir verkaufen gerade erfolgreich unser Wassergeschäft. Mag sein, dass unsere Sichtbarkeit auf dem deutschen Markt nicht ganz so groß ist, aber nehmen Sie zur Kenntnis: Perception is not Reality. Ich glaube, dass wir sehr gut eingeführt sind und uns gut im Markt auskennen und mit vielen Unternehmen der deutschen und europäischen Prozessindustrie sehr eng verbunden sind.
? Stimmt, Ihre Sichtbarkeit in der deutschen Prozessindustrie ist nicht besonders hoch – man könnte auch sagen schwach. Welchen strategischen Stellenwert hat die deutsche/europäische Prozessindustrie eigentlich für GE?
Reimelt: Natürlich haben wir vor sechs Jahren, als wir entschieden haben in Deutschland ganz anders aufzutreten, mit unseren Kernbranchen Energie, Healthcare und Luftfahrt begonnen. Warum? Deutschland ist derzeit das größte Energielabor der Welt. Hier wird sehr viel ausprobiert. Zunächst haben wir uns damit sehr erfolgreich beschäftigt und hierzulande in den letzten Jahren immerhin 2500 Blockheizkraftwerke gebaut. Wir haben uns in der deutschen Stadtwerke-Szene breit gemacht, sind einer der zentralen Partner der Stadtwerke in Deutschland. Ich kenne keinen Wettbewerber, der ein solches Spektrum hat. Im Bereich der dezentralen Energieversorgung sind wir in Deutschland mit Abstand Marktführer.
? Aber was hilft das für die Prozessindustrien und Chemiebranche?
Reimelt: Aber selbstverständlich hilft das. Jedes Chemieunternehmen hat viel mit Energie und Wasser zu tun. Diese Strategie war unser sehr erfolgreicher Einstieg in den deutschen Markt. Sie dürfen auch nicht vergessen: Wir sind inzwischen einer der großen Öl/Gas-Anbieter weltweit. Durch die Fusion mit dem Ölfeld-Serviceunternehmen Baker-Hughes spielen wir inzwischen in einer ganz anderen Liga, sind nicht nur Komponenten-Lieferant, sondern der namhafte Schlüssellieferant, wenn es um LNG geht – mit 90 % Marktanteil. Wir sind der erste, der eine Bohrinsel komplett digitalisiert hat. Wir haben mit Industrial Musk ein Riesen-Pilotprojekt, dass wir gerade abwickeln. Ich könnte viele andere Beispiele anfügen. Dass man uns in einer sehr fragmentierten deutschen Chemiebranche so nicht sieht und wahrnimmt, mag vielleicht ein Versäumnis sein, aber wir fühlen uns sehr gut positioniert – hatten aber auch andere Schwerpunkte am Anfang. Immerhin haben wir inzwischen den GE-Umsatz in Deutschland verdreifacht. Wir beschäftigen hierzulande über 10000 Mitarbeiter. Für uns ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte geworden. Unsere Kompetenz und Erfahrung wird extrem hoch geschätzt. Nun werden derzeit nicht allzu viele Chemieanlagen in Deutschland gebaut, aber Wertschätzung erfahren wir überall. Und wenn Sie auf die größte Öl/Gas-Hausmesse der Welt gehen, die wir mit über 1400 Teilnehmern in Florenz veranstalten, dann sehen sie dort eine sehr starke deutsche Präsenz, auf die ich sehr stolz bin.
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