Drohneneinsatz Flugroboter in der Industrie: Potenzielle und tatsächliche Einsatzgebiete
Drohnen kommen mittlerweile auch immer mehr in der Industrie zum Einsatz. Wo genau, demonstrierten Experten aus Forschung und Praxis auf einer IHK-Veranstaltung in der Zentrale des Automobilzulieferers Jopp Holding in Bad Neustadt an der Saale – inklusive Jungfernflug.
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Geographisch voneinander entfernte Werke im unterfränkischen Bad Neustadt an der Saale brachten den Automobilzulieferer Jopp Holding auf die Idee, man könne eine Lieferdrohne einsetzen, um die Mitarbeiter an den unterschiedlichen Standorten mit Essen zu versorgen. Es sei oftmals viel zu zeitintensiv für Mitarbeiter in der Mittagspause zwischen den Werken im Ort zu pendeln.
Was Jopp-Geschäftsführer Martin Büchs auf einer IHK-Veranstaltung Mitte April im Jopp-Werk eher spaßeshalber erwähnte, ist nun Realität geworden. Allerdings bringt der LD1 Oktokopter, der vom Würzburger Startup Emqopter stammt, in Wirklichkeit kein Essen, sondern Transportware, und das autonom. Der Einsatz der Drohne bei Jopp hat zum Ziel das Stammwerk in Herschfeld über eine Luftfrachtdrohne an das neue Entwicklungszentrum, das sich derzeit im Bau befindet, anzubinden.
Drohneneinsatz weit verbreitet
Drohnen sind gewerblich bereits weit verbreitet, sei es zur Messung oder Inspektion, in der Landwirtschaft und im Forstbetrieb oder zum Warentransport. Die Deutsche Bahn etwa setzt Drohnen zur Inspektion von Brücken und Bahnhöfen, aber auch von Bahnwälder und Baustellen aller Art ein. Der Paketdienst DHL testete Drohnen bereits 2016 zur Paketbeförderung.
Während auch Jopp über öffentliches Gelände fliegen will, plant IFSYS aus Großbardorf, dass Drohnen auch in der Industriehalle ihre Daseinsberechtigung haben. Vieles spricht dafür, die unbemannten Flugobjekte auch im Inneren von Gebäuden zu nutzen: Während am Boden einer Produktionshalle oftmals reger Verkehr herrscht, ist der Luftraum darüber größtenteils frei. In zwei Anwendungsfällen will IFSYS zum einen den Materialtransport von einem Drohnenbestückungsplatz zur Zuführung, zum anderen aber auch den Materialtransport von der Zuführung zur Montageanlage abbilden. Autobauer Audi testete bereits im vergangenen Jahr den Lieferverkehr per Drohne in der Produktionshalle. Ein Hexakopter mit sechs Propellern sollte hier bis zu zwei Kilogramm schwere Lasten, also zum Beispiel ein Lenkrad, durch die Halle fliegen.
Innerbetrieblicher Warentransport wird weiterhin erforscht
Der Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (kurz FAPS) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg befasst sich intensiv mit dem industriellen Einsatz autonomer Flugroboter. Die Forschungsschwerpunkte liegen einerseits im Einsatz autonomer Flugroboter für den innerbetrieblichen Warentransport sowie zur Informationserfassung. Anderseits forscht der Lehrstuhl an der robusten Lokalisierung und Navigation innerhalb dynamisch veränderlicher Industrieumgebungen sowie redundanten Flugsteuerungen und Maßnahmen zur Reduzierung der Ausfallwahrscheinlichkeit.
Es gibt einige Faktoren, die die Entwicklung von Lieferdrohnen bislang beeinflussen. Zuallererst muss eine entsprechende Infrastruktur vorzufinden sein, das heißt es müssen Landeplätze und Möglichkeiten zur Energieversorgung vorhanden sein. Außerdem spielt die Gesetzgebung eine zentrale Rolle. Der Einsatz unbemannter Fluggeräte braucht einen rechtlichen Rahmen, eine entsprechende Drohnen-Verordnung ist im April 2017 in Kraft getreten. Spezielle industrielle Normen und Richtlinien für den Einsatz von Flugrobotern sind bislang noch nicht vorhanden (DIN 5452-1 für Unbemannte Luftfahrzeugsysteme ist in Entstehung). Beim Einsatz der Flugroboter im Inneren eines Gebäudes gilt es zudem den Rückhalt und die Akzeptanz der Mitarbeiter zu haben sowie den Arbeitsschutz zu gewährleisten, sei es in Bezug auf Schallemissionen, Gefährdung durch Propeller oder gar Abstürze. In Sachen Akkutechnologie müsste sich mit alternativen Methoden befasst werden, entweder durch nahtloses Laden oder durch eine drahtlose Versorgung. Und allen voran stellt sich natürlich auch immer die Frage nach der wirtschaftlichen Motivation: Ist der Einsatz sinnvoll und effizient?
Offenbar ist er das: Laut Dr. Nils Gageik, Geschäftsführer der Emqopter GmbH, einem Spin-off der Universität Würzburg des Lehrstuhls Aerospace Information Technology, bringe die Lieferdrohne einige Vorteile. Nicht nur sei sie optimal für Kleintransporte geeignet, sondern bringe auch rund 85 Prozent Energieersparnis im Vergleich zu Elektroautos, während sich die Unterhaltungskosten auf etwa fünf Prozent derer eines Pkws belaufen. Emqopter kooperierte mit Jopp, ein Quadrokopter wurde von IFSYS bereits bestellt. Erste Flüge sollen im Mai 2018 durchgeführt werden.
Herausforderungen bei Jopp Holding
Bei Jopp Holding galt es durchaus einige Herausforderungen zu lösen: So gibt es in Bad Neustadt und Umgebung nicht nur ein Naturschutzgebiet und zahlreiche Industrieanlagen, auch würde die Drohne gegebenenfalls umliegende Wohngebiete überfliegen. Außerem galt es Kollisionen mit Rettungshubschraubern des Rhön Klinikums oder den die Strecke durchquerenden Bahngleisen auszuschließen.
Das Forschungsprojekt AMIIGO des Fraunhofer IPT und Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen befasst sich mit der automatischen, Multikopter-basierte Indoor-Inspektion von großen Oberflächen. Erklärt wird das Ganze am Beispiel einer Blitzschlaginspektion an einem Airbus A380. Durch den Einsatz von Flugrobotern soll hierbei die Inspektion großer Bauteile, die die Reichweite eines Roboterarms oder den Arbeitsraum eines Messplatzes überschreiten, durchgeführt werden. Die eingesetzten Multikopter sollen eine hochgenaue Indoor-Lokalisierung, eine automatische Pfadplanung sowie eine automatische Offline-Schadenerkennung durch hybrides Verfahren bieten.
Die Drohne, die Mitte April in Bad Neustadt an der Saale ihren automen Jungfernflug zwischen den Jopp-Werken erfolgreich absolvierte, stammt von Emqopter. Der Flugroboter misst 140 Zentimeter Spannweite, und hat eine Reichweite von circa ein bis zwei Kilometern, bei einer maximalen Flugdauer von 12 bis 15 Minuten. In Zukunft soll die Drohne zwischen den Werken Fracht transportieren. An diesem Tag des Jungfernflugs allerdings hatte sie zur Demonstration tatsächlich Essen im Gepäck.
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