Bioprinting Eine Aorta aus dem 3D-Drucker

Von Stefan Holländer

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Herz-Kreislauf-Erkrankungen betreffen hierzulande viele Menschen und sind nur mit komplizierten Operationen zu behandeln. An der Universität Sheffield gibt es nun neue Forschungen: dank 3D-Druck kann neues Gewebe gezüchtet werden.

Eine in Dental SG Resin 3D-gedruckte Bioreaktorkammer.
Eine in Dental SG Resin 3D-gedruckte Bioreaktorkammer.
(Bild: Formlabs)

Obwohl der menschliche Körper Erstaunliches leistet und sogar gebrochene Knochen repariert, kann er die meisten Gewebe und Organe bei Verletzungen und Schäden nicht in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Solche Schäden entstehen etwa bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Deutschland sind kardiovaskuläre Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck eine der häufigsten Erkrankungen im Alter und eine häufige Todesursache. Blockierte und beschädigte Gefäße werden bisher autolog transplantiert: ein Gefäß wird an einer Stelle des eigenen Körpers entnommen und ersetzt das beschädigte Gefäß. Das ist jedoch eine äußerst umständliche und langwierige Operation.

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Dieses Verfahren soll sich nun mittels 3D-Druck grundlegend ändern: Dr. Sam Pashneh-Tala forscht an der University of Sheffield dazu, wie Gefäße 3D-gedruckt werden können. Dabei steht er vor besonderen Herausforderungen: Menschliche Gefäße laufen nicht schnurgerade durch den Körper – sie biegen, verzweigen und verjüngen sich. Außerdem sind sie flexibel, um sich an den unterschiedlichen Blutdruck anpassen zu können.

Es gibt zwar erste Versuche, Gewebe und sogar Organe direkt zu drucken, diese können jedoch bisher nicht transplantiert werden. Die Geometrie des Gewebes kann zwar schon nachgebildet werden, die Herausforderung liegt jedoch darin, die mechanischen und biologischen Eigenschaften der Gewebe nachzubilden.

Neue Gewebe werden in speziellen Gerüsten gezüchtet

Dr. Pashneh-Tala nutzt daher ein anderes Verfahren des Tissue Engineerings: Er konstruiert ein Gerüst, an dem menschliche Zellen später in einer in-vitro Umgebung entlangwachsen. Der 3D-Druck spielt hier eine zentrale Rolle: Durch den flexiblen und kostengünstigen Desktop-Stereolithografie-Druck kann Dr. Pashneh-Tala die verschiedenen geometrischen Formen für die Gerüste der Blutgefäße herstellen. Bisher konnten die Wissenschaftler nur gerade Rohre herstellen. Mit dem 3D-Druck können nun auch komplizierte geometrische Formen hergestellt werden.

Der Gerüstbau verläuft dabei in sechs Schritten:

  • 1. In einer CAD-Software konstruiert Dr. Pashneh-Tala zunächst eine Negativ-Form des späteren Gerüsts.
  • 2. Dieses wird anschließend direkt in seinem Labor mit dem 3D-Drucker von Formlabs hergestellt.
  • 3. Nun entsteht die eigentliche Form, worin später die Blutgefäße wachsen: Das Negativ wird mit Silikon ausgegossen und gehärtet.
  • 4. Verschiedene dieser Formen werden im nächsten Schritt zusammengefügt: zwei Formen für das äußere Gerüst sowie eine Innenform.
  • 5. Der Zwischenraum wird dann mit einer biologisch abbaubaren Polymeremulsion gefüllt. Nur unter dem Mikroskop erkennt man, dass diese Strukturen hoch porös sind. Das Polymer, kurz PGS-M, wurde für diesen speziellen Zweck an der University of Sheffield entwickelt. Durch Licht ausgehärtet dient „das Gerüst im Gerüst“ als Struktur für die Zellen.
  • 6. Diese werden schließlich in das Modell eingepflanzt und in einer in-vitro Umgebung gezüchtet.

Der Wissenschaftler arbeitet bereits an weiteren Fortschritten

Um dieses Verfahren weiter zu verkürzen, arbeitet Dr. Pashneh-Tala aktuell daran, die Positive der Gerüstformen mit dem elastischen Kunstharz von Formlabs direkt zu drucken, sodass die Negative überflüssig würden. Das würde eine weitere Zeit- und Kostenersparnis bedeuten. Bevor er das neue Verfahren verwendete, musste der Mediziner alle Modelle an ein externes Labor schicken und mehrere Wochen auf die Fertigung warten. Diese Zeitspanne verkürzt sich dank des Desktop-Stereolithgrafie-3D-Drucks auf wenige Stunden.

Da es hier um menschliche Zellen handelt, müssen diese in einer Umgebung gezüchtet werden, die dem menschlichen Körper möglichst ähnlich ist. Dies geschieht in einem Bioreaktor. Auch der Reaktor stammt aus dem 3D-Drucker. Bisher hat Dr. Pashneh-Tala einzelne Komponenten des Reaktors 3D-gedruckt. Nun hat er jedoch begonnen, komplette Kammern mit diesem Verfahren herzustellen. Während die Herstellung sowohl des Reaktors als auch der Formen vorher Wochen dauerte, kann der Wissenschaftler sie durch den Desktop-Stereolithografie-3D-Druck in einem Bruchteil der Zeit und der Kosten selbst herstellen.

Der Reaktor besteht aus einer Kammer, die mit dem Gewebe in seinem Gerüst sowie einem flüssigen Wachstumsmedium gefüllt ist – die Flüssigkeit versorgt die Zellen wie Blut. Der Bioreaktor befindet sich in einem Inkubator, sodass innerhalb des Reaktors in einer sterilen Umgebung 37 Grad herrschen.

In naher Zukunft sollen die gezüchteten Gewebe transplantiert werden

Damit das Gewebe später transplantiert werden kann, ist es wichtig, die Bedingungen zu simulieren, denen es später standhalten muss. Deswegen wird das Wachstumsmedium kontinuierlich durch die Gefäße gepumpt – das simuliert den Blutfluss. Die Zellen in den Gefäßen werden zyklisch gedehnt. Das regt die Zellen an Strukturproteine zu bilden. Diese Proteine sind notwendig, damit sie Blutgefäße bilden können.

Während die Zellen wachsen, löst sich das PSG-M in dem Gerüst auf, sodass am Ende die neu gewachsenen Zellen die spezifische Struktur bilden. Sobald das Gewebe fertig gewachsen ist, kann es getestet werden. Bisher konnte noch keine solche Gewebestruktur transplantiert werden. Dr. Pashneh-Tala schätzt jedoch, dass sie schon in nächster Zeit in klinischen Studien getestet werden können.

Die BBC hat Dr. Pashneh-Tala in seinem Labor besucht

Der Mediziner hofft, dass in naher Zukunft Gewebe und Gefäße individuell für jeden Patienten angefertigt werden können: Klinische Scandaten stellen dann die Basis für die 3D-Modelle der Zell-Gerüste. Patienten spenden eigene Zellen, aus denen in den Bioreaktoren spezifisch für sie angepasste Gewebe gezüchtet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die transplantierten Gewebe abgestoßen werden, ist nahezu ausgeschlossen, da es sich um eigenes Gewebe handelt.

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Durch die Desktop-Stereolithografie-Drucker können die Gerüste für die Gefäße schnell und kostengünstig angefertigt werden. Ohne den 3D-Druck könnte Dr. Pashneh-Tala seine Forschungen nicht so schnell vorantreiben. Dank der digitalen 3D-Modelle können Wissenschaftler international kooperieren und die medizinische Forschung noch schneller vorantreiben.

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