Expertenbeitrag

 Timo Sachse

Timo Sachse

Product Analyst EMEA, Axis Communications

Datenverarbeitung Edge Analytics in der Videosicherheitstechnik

Von Timo Sachse |

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Dezentralität ist ein Kriterium von Industrie 4.0. Damit verbunden erfahren auch verschiedene Anwendungen am Netzwerkrand wie Edge Analytics zunehmend größere Aufmerksamkeit. Wie kann die Videosicherheitstechnik davon profitieren?

Edge Analytics kann in der Videoüberwachung bislang ungeahnte Verbesserungen ermöglichen.
Edge Analytics kann in der Videoüberwachung bislang ungeahnte Verbesserungen ermöglichen.
(Bild: Axis Communications)

In der grundlegendsten Form handelt es sich bei Edge Analytics in der Videosicherheitstechnik um eine immer leistungsfähigere Videoanalyse, die am Edge – also am Rand – des Netzwerks, in der Kamera selbst, stattfindet. Wie bei jeder neuen Technologie, die großes Potenzial bietet, hat die Branche den Begriff mit Begeisterung aufgegriffen. Keine Überraschung, wenn man die Vorteile der Edge-basierten Analytik gegenüber der serverbasierten betrachtet.

Bei Analysen, die am Rand des Netzwerks stattfinden, werden nur die relevanten Daten an den Anwender übertragen. Im Gegensatz dazu müssen bei der serverbasierten Analyse alle Daten von der Kamera ins Rechenzentrum übertragen werden, was zu einem riesigen Bedarf an kostspieliger Bandbreite führt. Darüber hinaus geht mit der Edge-Analyse einher, dass die zu prüfenden Bilder von größtmöglicher Qualität sind, da die Bilder vor der Übertragung nicht komprimiert und damit nicht verschlechtert werden.

Heutiges Verständnis vs. Potenzial von morgen

Im Mittelpunkt der Deep-Learning-basierten Edge-Analyse steht eine wesentlich genauere Objekterkennung. Hier eignet sich zum Verständnis ein anschauliches Beispiel aus dem Verkehrsmanagement, da in diesem Bereich die Anzahl der Fehlalarme in der traditionellen Analytik ein großes Problem darstellen. Videokameras, die eine serverbasierte Analyse verwenden, verwechseln beispielsweise häufig Pfützen oder Schatten mit Fahrzeugen, die auf der Fahrbahn stehen, und schlagen entsprechend Alarm.

Die größere Genauigkeit der Edge Analytics reduziert diese Fehlalarme deutlich, geht aber gleichzeitig noch viel weiter, indem sie auch zwischen verschiedenen Objekttypen unterscheiden kann. Auf einer Straße können so Lastwagen, Busse, Autos und Motorräder konkret identifiziert werden. Das schafft enorme Effizienz im Verkehrsmanagement.

Obwohl Anwendungen wie diese nützlich sind, kratzen sie nur an der Oberfläche des Potenzials der Edge Analytics. Anwendungsfälle von heute konzentrieren sich noch weitgehend auf das, was Sicherheitsexperten als „Szenenanalyse“ bezeichnen. Zu letzteren gehören die Live-Ansicht einer bestimmten Szene, die Analyse des Geschehens und die Reaktion mit Warnungen oder automatisch ausgelösten Signalen (zum Beispiel Verkehrszeichenwarnungen und Verkehrskontrollen). Mit Blick auf die Zukunft liegt das Potenzial jedoch nicht nur in den Aufnahmen selbst, sondern darin, was Edge Analytics mit dem Videomaterial macht.

Datenabstraktion in der Videosicherheitstechnik

Selbst Branchenfremde sind mit dem klassischen Beispiel der Videoüberwachung vertraut: Stellen wir uns Menschen vor, die Live- und/oder aufgezeichnete Videos von Überwachungskameras beobachten und überprüfen. Ab und an werden die Bilder eingefroren oder ein Zoom wird angewendet, um bestimmte Dinge genauer unter die Lupe zu nehmen. In diesen Fällen werden aber stets nur die visuellen Informationen überprüft. Damit Videoinformationen von Maschinen (egal ob in der Kamera oder auf einem Server) überprüft und analysiert werden können, müssen sie entsprechend in für sie lesbare Daten umgewandelt werden. Eine mit Edge Analytics ausgestattete Videokamera erkennt ein Auto nicht auf dieselbe Weise wie wir Menschen das tun, sondern versteht die wesentlichen Merkmale des Autos als Datensätze.

Bei der Datenabstraktion der einzelnen Objekte im Videobild geht Edge Analytics noch einen Schritt weiter als die serverbasierte Auswertung: Videoinformationen werden nicht nur in Daten umgewandelt, sondern es werden dabei gleichzeitig auch sogenannte Metadaten erzeugt. Durch die Verknüpfung von Daten und Metadaten steigt die Analyseeffizienz großer Informationsmengen exponentiell. Diese Kombination kann enorm nützlich sein, um große Mengen an Informationen zu analysieren, die im Laufe der Zeit gesammelt werden. Auf diese Weise können Unternehmen Einblicke in Bereiche gewinnen, die zuvor noch nie untersucht wurden. Einfache Beispiele aus dem Transportsektor könnten folgende Fragen sein: „Wie oft haben Autos im letzten Monat Busspuren blockiert?“ oder „Wie viele Menschen betreten diese U-Bahn-Station durchschnittlich an einem Werktag zwischen 7.00 und 9.00 Uhr?“.

Muster erkennen und Anomalien hervorheben

Während die Analyse großer Datenmengen die Vorteile von Edge Analytics noch einmal untermauert, wird der größte Mehrwert möglicherweise durch die „unbekannten Unbekannten“ entstehen. Denn Edge Analytics liefert auch Einblicke in Dinge, über die sich Unternehmen nicht einmal bewusst waren, dass sie davon keine Kenntnis besitzen.

Maschinen – und insbesondere die zunehmend intelligenten Maschinen, die Deep Learning nutzen – sind unglaublich gut darin, Muster zu erkennen und Anomalien hervorzuheben. Je mehr Daten sie analysieren, desto genauer werden ihre Vorhersagen und Erkenntnisse, was zu einer schnelleren und präziseren Behandlung des Problems führt.

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Hier liegt das wahre Potenzial der Edge Analytics in der Videoüberwachung: die Analyse riesiger Datenmengen im Laufe der Zeit, die zur Identifizierung von Mustern und deren Anomalien führt und bisher ungeahnte Verbesserungen in den Bereichen Sicherheit, Service und Effizienz sowie Prozessoptimierung ermöglicht.

Große Chancen für Early Adopter

Edge Analytics befindet sich noch in der Anfangsphase und die Versuchung auf Anwenderseite ist groß, die Entwicklungen in dem Bereich abzuwarten. Und doch bin ich davon überzeugt, dass diese Technologie einen großen Wandel bewirken wird. Edge Analytics wird möglicherweise nicht sofort zu einem riesigen Mehrwert für den Anwender führen. Die Anwendungsmöglichkeiten und damit auch die potenziellen Vorteile werden für Unternehmen erst im Laufe der Zeit erkennbar. Sicher ist jedoch bereits, dass Organisationen, die sich der Analyse on-the-edge verwehren, die daraus entstehenden Vorteile nie völlig ausschöpfen und so vom Wettbewerb abgehängt werden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass selbst Unternehmen, die heute keinen Grund sehen, in Videosicherheitstechnik mit Edge Analytics zu investieren, von einem frühen Schritt in diese Richtung profitieren können – auch um all ihre Investitionen zukunftssicher zu machen.

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