Kommentar Disruptives Denken dulden: Wie man erfolgreich digitale Geschäftsmodelle für die Industrie entwickelt
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Die Digitalisierung und mit ihr Industrie 4.0 verändert nicht nur die Art und Weise, wie wir Produkte und Dienstleistungen erstellen und liefern, sondern auch, wie wir diese Produkte und Services verwenden. Doch was braucht es, um hier mitzuspielen?

Wer diese neue Verwendung implizit vorwegdenkt und sein Angebot darauf ausrichtet, hat gute Chancen als Gewinner aus dem Rennen herauszulaufen. Wobei es eher ein Dauerlauf als ein Sprint ist, daher ist gute Vorbereitung das A&O. Wie sieht ein gutes Training hierfür aus?
Folgende Rahmenbedingungen haben sich bisher als sehr erfolgreiche Eckpunkte herauskristallisiert.
Neues Geschäftsmodell entwerfen
Ein neues Geschäftsmodell entsteht nicht in einem Heureka-Moment unter der Dusche, sondern entspringt einem Design Prozess und wird von der Idee bis zur Version, die man dem Kunden vorstellt, noch vielfach überarbeitet.
Was ist denn überhaupt neu an dem Geschäftsmodell? Ist es ein neues Angebot (Produktinnovation), ein neuer Ablauf (Prozessinnovation) oder ist das Abrechnungsmodell neu(Business Model Innovation)? Wir nennen das Modul in der frühen Strategie-Phase Discovery & Innovation und es geht an dieser Stelle darum, Möglichkeiten digitaler Geschäftsmodelle zu erkennen und daraus innovative Ideen für das eigene Unternehmen zu entwickeln.
Das viel zitiert Pay per Use – also ich verkaufe keine Maschine mehr, sondern werde nur noch für die Nutzung bezahlt – ist nur eine von fünf möglichen digitalen Geschäftsmodellen, wie aus dem BMWi Impulspapier Plattform Industrie 4.0 - Wachstumspfade bei der Digitalisierung von Geschäftsmodellen in Industrieunternehmen hervorgeht. Die fünf Säulen im Überblick:
- 1. Digitale Plattformen
- 2. Applikationen
- 3. Produkt als Service
- 4. Digitale Elemente
- 5. Konnektivität
Eine Plattform vermittelt im Prinzip „nur“ zwischen Anbieter und Anwender, allerdings mit einer gewissen Intelligenz, die dem Plattform-Nutzer echte Mehrwerte bietet. Applikationen stellen Anwendungen da, die bereits aus Daten einen Nutzen generieren – beispielsweise eine App, die Auskunft über den „Gesundheitszustand“ meiner Maschine gibt. Beim Produkt als Service wird – wie oben angedeutet – nur die Verwendung und nicht der Besitz in Rechnung gestellt. Digitale Elemente können Mehrwerte als digitale Komponenten sein, also der Digitale Zwilling zur Maschine oder Augmented-Reality-Anwendungen. Der Bereich kann leicht mit dem Feld Applikationen verschwimmen. Konnektivität bildet schlussendlich die Online-Verfügbarkeit als Geschäftsmodell ab, also beispielsweise für die Fernwartung.
Ein guter Startpunkt für ein Geschäftsmodell ist immer noch das Business Model Canvas, um sich auf einer Leinwand einen Überblick über die angebotene Leistung, das Kosten- und Einnahmenmodell zu verschaffen. Vorlagen stehen hierfür als Open Source im Netz bereit. Eine Geschäftsidee sollte hierfür jedoch schon existieren und eine Wow-Geschäftsidee sollte den reinen Kundennutzen im Fokus haben.
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Datenintelligenz und Prozessoptimierung
Geschäftsmodelle mit IIoT „as-a-Service“
Kundennutzen im Fokus
Wichtig für die Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen ist der Blick durch die Kundenbrille. Welchen Schmerz beseitigt das neue Geschäftsmodell, wie häufig tritt das Problem beim Kunden auf und ist er bereit, dafür zu bezahlen?
Wer datenbasierte Geschäftsmodelle so strickt, dass der Kunde genervt ist, weil er am Ende für alles extra bezahlen muss, hat vielleicht Monetarisierungspotenziale gehoben, aber lässt frustrierte Kunden zurück. Das ist ein Einfallstor für (branchenfremde) Disruptoren.
Diese setzen dort an, wo der Frust der Kunden am Größten ist und schieben sich darüber zwischen Kunden und Anbieter, um den Anbieter letztlich ganz vom Kundenkontakt abzuschneiden. Um das zu verhindern, hat Google den Faktor 10 ins Spiel gebracht. Das bedeutet, dass es notwendig ist, nicht das Produkt nur inkrementell um 10 Prozent zu verbessern, sondern die Kundenerfahrung um den Faktor 10 zu heben. Wir nennen das den Wow-Effekt. Wie sagte Oren Harari so schön, „Das elektrische Licht kam nicht durch die inkrementelle Verbesserung der Kerze.“ Im Übrigen auch nicht durch die Kerzenhersteller selbst… Inkrementelles Vorgehen ist aber nicht zu verwechseln mit experimentellem Vorgehen.
Experimentelles Vorgehen
Das Testen in Experimenten hat durch die agile Projekt- und Unternehmensorganisation einen Boom erfahren. Für einen Sprint-Zeitraum von zwei bis vier Wochen werden Thesen anhand von Experimenten erprobt und validiert. Mit so genannten Minimum Viable Products (MVP) – also Produkten, die prototypenmäßig eine Kernfunktion abbilden – wird die Akzeptanz beim Kunden erprobt.
Zu Anfang testet man zunächst den Problem-Lösungs-Fit. Wie oft tritt das Problem überhaupt auf, ist es relevant, gibt es ein Interesse für eine potenzielle Lösung? Klassisch werden hier in etwa Interessenten für Beta-Programme gesucht. Wie schnell ist das Programm ausgebucht? Wie oft wird ein Whitepaper heruntergeladen und so weiter. Man versucht, vereinfacht gesagt, von 0 auf 1 zukommen. Dann gilt es mit Experimenten das Produkt zu testen, hier spricht man vom sogenannten Produkt-Markt-Fit. Hier zeigt sich, ob das Produkt wirklich den Schmerz lindert. Ziel ist das Level von 1 auf 10 zu heben. Danach wird experimentiert, wie das Geschäftsmodell skaliert werden kann, dann geht es von 10 auf 100.
Das Ziel der Experimente ist es, früh (und oft) zu scheitern, um so in kurzen Lernzyklen Erfahrungen zu sammeln.
Kurze Lernzyklen
In Zeiten, in denen sich Rahmenbedingungen sehr schnell und oft unvorhersehbar ändern ist es notwendig, dynamisch auf entsprechend schwankende Parameter reagieren zu können. Kurze Lernzyklen helfen dabei, diese Tendenzen zügig in der Weiterentwicklung berücksichtigen zu können. Kurze Lernzyklen erfordern es auch, in Teilfunktionen zu denken und zu handeln. Man sollte also nicht warten, bis das Produkt komplett fertig entwickelt wurde, sondern Produkte mit einer Kernfunktion auf den Markt bringen und lernen, welche Funktion die Zweite sein sollte, die folgen muss - natürlich aus Sicht des Anwenders. Dabei ist es jedoch auch wichtig, die große Vision im Blick zu behalten; wo es hingehen soll, damit alles am Ende wieder zusammengefügt werden kann. Ganz nach dem Prinzip: Think big, start small, learn fast. Auch Amazon hat am Anfang nur Bücher verkauft.
Fakten über Meinungen entscheiden lassen
Nahezu untrennbar mit dem Begriff digitale Geschäftsmodelle ist auch der Terminus datenbasierte Geschäftsmodelle verbunden, da durch die Vernetzung sehr viele dieser Informationen gesammelt und ausgewertet werden, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen. Bei der Bewertung von neuen Geschäftsmodellen sollte man ähnlich vorgehen.
Ja, ein gutes Bauchgefühl für zukünftige Bedarfe ist wichtig und vielfach auch der Schlüssel bei Sprung-Innovationen. Doch Achtung: Etwas selbst großartig zu finden und es unbedingt zu wollen, verschleiert gerne den Blick auf die Tatsachen. Wichtig ist, das Bauchgefühl mit belastbaren Daten zu hinterfragen und zu analysieren.
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Digitale Transformation
How to play Innovation
Vorgehen in 6 Phasen und drei Sprints
Die Digitalisierung liefert die Möglichkeiten, kundenzentrierter zu werden und neue Geschäftsmodelle zu erschließen durch Innovationen von Produkten, Prozessen und/oder Abrechnungsmodellen.
Ein Innovations-Prozess verläuft in der Regel in 6 Phasen:
- 1. Strategie erarbeiten
- 2. Readiness-Reifegrad feststellen
- 3. Roadmap aufsetzen
- 4. Technologie evaluieren
- 5. Prototyp entwickeln
- 6. Realisierung
Jede Phase wird durch Workshop-Formate unterstützt, die unabhängig zu konkreten Ergebnissen führen. Dies wird durch das Design-Sprint-Format sichergestellt. Jeder Workshop wird in drei Sprints durchgeführt:
Sprint 1: Gemeinsames Problemverständnis
Sprint 2: Lösungsansätze skizzieren & Entscheidung treffen
Sprint 3: Lösungsansatz verifizieren
Mit diesem Vorgehensmodell kann man an der Zukunft einfach nicht mehr vorbeilaufen.
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