Schule 4.0 Digitale Transformation beginnt im Kopf

Autor / Redakteur: Hinrich Herkewitz, Capgemini Consulting / Manfred Klein |

In Sachen Digitalisierung erhielten deutsche Schulen bisher keine guten Noten: Pädagogen und Erziehungswissenschaftler, aber auch Wirtschaftsverbände beklagen die schlechte Technikausstattung und das Fehlen einer politischen Strategie für Bildung im Zeitalter der Digitalisierung.

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Ein solches Bild, trifft man in deutschen Schulen noch zu selten
Ein solches Bild, trifft man in deutschen Schulen noch zu selten
(Bild: www.pixabay.com / CC0 )

Fehlende Geräte, kaum passende Inhalte, zu wenig Weiterbildung: Die Lehrerschaft selbst stellt der IT-Unterstützung an ihren Schulen immer wieder ein schlechtes Zeugnis aus. Zu diesem Ergebnis kam eine repräsentative Umfrage, die der Bitkom gemeinsam mit dem Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) und der Karlsruher Messe- und Kongress-GmbH Anfang 2016 veröffentlicht hat. Danach schätzt jeder dritte Lehrer die Geräteausstattung seiner Schule als „mangelhaft“ oder „ungenügend“ ein.

Doch am Unwillen der Lehrer liegt es nicht, dass die Digitalisierung des Unterrichts hierzulande nur schleppend vorankommt. Im Gegenteil: Fast alle Studienteilnehmer meinen, dass Lehrinhalte per Computer und Internet um aktuelle Informationen bereichert werden und sich die Motivation der Schüler durch einen gezielten Technikeinsatz steigern ließe. Fast 90 Prozent gehen außerdem davon aus, dass die zu vermittelnden Inhalte und Zusammenhänge mithilfe digitaler Medien besser darstellbar wären. Laut Bitkom-Studie würde jeder zweite Lehrer gern öfter, als dies heute möglich ist, Digitaltechnik in seinem Unterricht einsetzen.

Smartphone trifft auf Kreidestaub

Die Initiative D21 fertigte zum Schwerpunktthema des Nationalen IT-Gipfels „Digitale Bildung“ im November 2016 ebenfalls eine Sonderstudie zum Thema an. Auch in dieser bemängeln 73 Prozent der Lehrkräfte die nicht hinreichende IT-Infrastruktur in ihrer Schule. Mangelhafte Technikausstattung ist indes nicht die einzige Ursache für den Digitalisierungsstau in deutschen Schulen.

Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der D21-Geschäftsstelle: „Nur kombiniert mit einer gründlichen Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte und sinnvoller medienpä­dagogischer Konzepte kann die Technik auch optimal genutzt werden. 62 Prozent der von uns befragten Lehrkräfte nennen ihre eigenen mangelnden Digitalkompetenzen als Hürde für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht.“

Die Diskrepanz zwischen vorhandener Technik an weiterführenden Schulen und in der Lern- und Lebenswelt junger Menschen in Deutschland ist bedenklich groß: Während nahezu jede/r SchülerIn Smartphone und Computer nutzt, gibt es in den Schulen zu wenig und oft veraltete Technik und zu geringe Bandbreiten. Während der persönliche Alltag fast aller Schüler inzwischen von Smartphones, Tablets und sozialen Netzen geprägt ist, weht ihnen im Klassenraum gleichsam der Kreidestaub aus dem vorigen Jahrhundert entgegen. Laut den von D21 befragten Lehrern ist mit 83 Prozent immer noch der Overhead-Projektor das am häufigsten für den Unterricht zur Verfügung gestellte elektronische Gerät.

Auch die Wandtafel ist inzwischen so etwas wie ein Symbol für obsolete didaktische Konzepte aus der vor-digitalen Zeit, die schon längst vorüber war, als die heutigen Schüler geboren wurden. Digitalisierung und Vermittlung digitaler Kompetenzen als Pflichtbestandteil des Lehrplans fordert auch ein Großteil der Eltern: „88 Prozent der von uns befragten Väter und Mütter stimmen der Aussage zu, dass heutzutage in jedem Beruf digitale Kompetenzen wichtig seien. Nicht zuletzt durch die höheren Erwartungen der Eltern besteht also ein deutlicher Handlungsdruck zur Integration des Themas in deutschen Rahmenplänen“, so Lena-Sophie Müller.

„Und dabei dürfen wir uns auch nicht allein auf die aktuell vorliegenden Strategien und Ankündigen verlassen. Digitale Bildung muss fest in die Programme aller demokratischen Parteien für die Bundestagswahl 2017. Zu schnell ist die Dynamik der Digitalisierung, als dass wir nicht jetzt die Weichen auf Digitalkompetenz stellen.“

Anders als ihre Schüler sind die meisten Lehrer keine „Digital Natives“, die aufgrund ihrer Sozialisation im Internetzeitalter von vornherein über entsprechende Anwenderkompetenzen verfügen. Man spricht bei den früher Geborenen oft auch von „Digital Immigrants“, weil sie die neuen Kulturtechniken der digitalen Ära erst nachträglich erlernen müssen. Und dabei geht es eben nicht nur um die Bedienung von Smartphones oder Tablets, sondern hauptsächlich um die grundlegend neue Art und Weise der Kommunikation sowie Unterstützung bei alltäglichen Routinetätigkeiten, die durch mobile Endgeräte möglich wurde.

Chats mit Schülern, projektbezogene Micro-Networks, Themen-Blogs oder ein von der ganzen Klasse gepflegtes Fach-Wiki: Digitale Befähigung verlangt auch, dass die Lehrerschaft die gesamte Bandbreite sozialer Interaktionsmöglichkeiten erkennt. Nur so wird ­deren tatsächliches Potenzial für einen digital transformierten Unterricht erkenn- und umsetzbar. Denn eines muss klar sein: Wird Digitalisierung als Pflichtübung verstanden, wird sie scheitern. Vielmehr muss sie mit konkreten Verbesserungen für die Arbeit der Lehrkräfte und die Bildungschancen ihrer Schüler einhergehen.

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