Smart City Digitale Stadt München: „Unser Vorbild ist das Silicon Valley“

Autor / Redakteur: Yvonne Simon / Lisa Marie Waschbusch

Seit 2016 versammelt der Münchner Verein Unternehmen, um die digitale Transformation in der Landeshauptstadt zu beschleunigen – und orientiert sich dabei am Geist der Vernetzung des kalifornischen IT-Mekkas. Wir haben mit der Vorsitzenden Claudia Linnhoff-Popien über aktuelle Themenschwerpunkte und Projekte gesprochen.

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(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Frau Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien ist Initiatorin und Vorstandsvorsitzende der Digitalen Stadt München.
Frau Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien ist Initiatorin und Vorstandsvorsitzende der Digitalen Stadt München.
(Bild: Digitale Stadt München e.V., Alex Schelbert)

Frau Linnhoff-Popien, es gibt mehrere Initiativen und Vereine mit dem Ziel, die Digitalisierung voranzutreiben. Was war die Motivation, mit der Digitalen Stadt München eine weitere zu gründen?

Wir haben den Fokus ganz konkret auf die Digitalisierung der Stadt München gelegt und bündeln in unserem Verein die Aktivitäten rund um die Landeshauptstadt. Wir wollen, dass München im internationalen Wettlauf um den Aufbau von Smart Cities den Anschluss an führende Städte wie Dubai und Singapur nicht verliert.

Wie wollen Sie das schaffen?

Wir haben in München Niederlassungen internationaler IT-Konzerne, hinzu kommen DAX-Unternehmen und kleinere Firmen. Diese geballte Power wollen wir nutzen. Unser Vorbild ist das Silicon Valley. Einer der Gründe für dessen Erfolg ist, dass auf engem Raum viele Menschen zusammenkommen und sich austauschen. Diesen Geist der Vernetzung versuchen wir, mit der Digitalen Stadt München hier auch zu schaffen. Und ich habe den Eindruck, dass innerhalb der Stadt eine sehr große Bereitschaft vorhanden ist, neue Dinge auszuprobieren.

Welche Themen bewegen Ihre Mitglieder momentan am meisten?

Mit Machine Learning können wir derzeit eine sehr breite Masse an Unternehmen ansprechen. Branchenübergreifend fragen sich die Firmen, wie sie mit Hilfe neuer Analytics-Methoden Vorhersagen treffen oder ihren Datenbestand auswerten können. Damit verbunden sind Themen wie Reinforcement Learning und Data Mining. Für das Thema Quantum Computing besteht zurzeit ebenfalls eine hohe Sensibilität, auch wenn es bislang eine kleinere Runde an Unternehmen bewegt und noch nicht so sehr in der breiten Masse angekommen ist. Wenn wir ein solches Nischenthema frühzeitig identifizieren können, bemerken wir einen extremen Elan. Dann haben wir die Early Adopters sofort am Start.

Wie bringen Sie neue Technologien in der Praxis zum Einsatz?

Wir können die Stadt nur intelligenter machen, wenn wir uns Teilprojekte herausnehmen. Dafür lassen wir uns unter anderem von anderen Metropolen inspirieren. Ich war beispielsweise im Dezember mit einem Kollegen in Dubai und habe mir angesehen, wie die Stadt Quantencomputer nutzen will, um Netze zu optimieren. Zurück in München versuchen wir dann, Anregungen zu geben und herauszufinden, welches Unternehmen für die Technologie offen ist und von ihr profitieren kann. Dann stellen wir das optimale Konsortium aus Firmen, Einrichtungen und Institutionen zur Umsetzung zusammen. Der Impuls für ein Projekt kann aber auch von einem Unternehmen selbst kommen, das ein bestimmtes Problem hat und Partner zur Lösung sucht.

Welche Innovationsprojekte haben Sie bereits umgesetzt?

Nachdem der Verein noch relativ jung ist und Projekte über einen längeren Zeitraum angesetzt sind, haben wir noch keine Projekte abgeschlossen. Wir haben aber eine größere Anzahl initiiert. Ein Beispiel ist ein bilaterales Projekt zwischen der Universität München und den Stadtwerken. Dabei statten wir Wasserrohre mit Sensorik aus und extrahieren Geräuschdaten. Auf Basis der Audio-Frequenz-Spektren trainieren wir mit Methoden des Maschinellen Lernens ein Modell, welches prüft, ob ein Leck vorhanden ist. Das Modell ermöglicht Predictive Maintenance, eine Vorhersage von Leckstellen für die vorausschauende Wartung des Wassernetzes.

Beziehen Sie die Stadt München in Ihre Arbeit mit ein?

Wir haben im März 2018 die „Arbeitsgruppe Smart City“ gegründet, in der sich derzeit sieben Unternehmen, darunter die LMU, Google und Cisco, regelmäßig mit hochrangigen Vertretern der Stadt über die Umsetzung der digitalen Transformation austauschen. Hier gibt es die Landeshauptstadt zum Anfassen. Die Arbeitsgruppe trifft sich alle paar Wochen mit dem Ziel, konkrete Use Cases zu erstellen. Die klassischen Baustellen sind Mobilität, Energie und E-Government. Dazu prüfen wir in einem gegenseitigen Geben und Nehmen, was der Bedarf ist und wie der Verein mit seinen Mitgliedsfirmen innovative Lösungsvorschläge unterbreiten kann.

Verbreiten Sie die Erkenntnisse Ihrer Arbeit auch überregional?

Der Verein soll keine geschlossene Gruppe und kein lokal beschränkter Raum sein. Wir publizieren die Ergebnisse unserer Projekte – als Kanäle nutzen wir Networking-Events wie die DIGICON sowie ein das Online- und ein Printmagazin DIGITALE WELT, das beispielsweise über die E-Stores von Lufthansa, Swiss und Austrian Airlines verfügbar ist. Vor allem geht es uns darum, die Resultate zu diskutieren. Uns interessiert, ob vielleicht jemand noch bessere Ergebnisse erzielt hat oder mit uns in Kontakt treten will. Wir wollen uns für die Besten öffnen.

Digitale Stadt München e.V.

Der Verein Digitale Stadt München e.V. wurde im April 2016 von 17 Vertretern namhafter Unternehmen und Forschungsinstitute – darunter der Flughafen München, die Walt Disney Company und die Uni München – gegründet. Ziel der Initiative ist es, den mittlerweile über 100 Mitgliedern eine Plattform zur Vernetzung untereinander sowie zur aktiven Gestaltung des digitalen Wandels in und um die Landeshauptstadt zu bieten und damit den Wirtschaftsstandort München zu stärken. Als Kanal für den Austausch dient unter anderem die Veranstaltungsreihe „DigiTalks“, die regelmäßig jeweils bei einem der Mitglieder stattfindet und wo digitale Themen diskutiert werden.

Frau Prof. Dr. Claudia Linnhoff-Popien ist Initiatorin und Vorstandsvorsitzende des Vereins. Sie leitet das Innovationszentrum Mobiles Internet (InnoMI) und ist Inhaberin des Lehrstuhls für Mobile und Verteilte Systeme an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

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