Additive Fertigung Diese zwölf Forschungsprojekte sollen den 3D-Druck voranbringen

Von Dipl.-Ing. Dorothee Quitter Lesedauer: 15 min

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Der 3D-Druck bietet eine hohe Gestaltungsfreiheit für komplexe Bauteile. Seine Verfahren und Materialien werden ständig auf neue Anforderungen hin optimiert. So soll beispielsweise das Laser Powder Bed Fusion (LPBF) qualitativ sicher für die Serienfertigung von Metallbauteilen bereit stehen. Aber auch das weit über 30 Jahre alte Fused Deposition Modeling (FDM) mit Kunststoff wird noch verbessert. Wir stellen die jüngsten Projekte vor.

Simulation des LPBF-Prozesses mit farbkodiertem Temperaturfeld
Simulation des LPBF-Prozesses mit farbkodiertem Temperaturfeld
(Bild: Fraunhofer IWM)

Laserstrahlschmelzen auf der Mikrostrukturskala simulieren

Beim Laser Powder Bed Fusion (LPBF) ist es mitunter schwierig, die optimalen Prozessparameter zu bestimmen. Fraunhofer-Forschende simulieren nun erstmalig mit kombinierten Methoden den Prozess auf der Mikrostrukturskala um direkte Zusammenhänge zwischen Werkstückeigenschaften und gewählten Prozessparametern erkennen.
Beim Laser Powder Bed Fusion (LPBF) ist es mitunter schwierig, die optimalen Prozessparameter zu bestimmen. Fraunhofer-Forschende simulieren nun erstmalig mit kombinierten Methoden den Prozess auf der Mikrostrukturskala um direkte Zusammenhänge zwischen Werkstückeigenschaften und gewählten Prozessparametern erkennen.
(Bild: Fraunhofer Gesellschaft)

Beim Laserstrahlschmelzen soll die jeweils neu aufgebrachte Schicht fest auf der unteren haften und das fertige Bauteil eine Dichte von 100 Prozent haben sowie keine Poren aufweisen. Dies gelingt über die Einstellung der Prozessparameter, wie die Geschwindigkeit und die Leistung des Lasers. Besonders wichtig für die mechanischen Eigenschaften des Werkstücks ist die Mikrostruktur aus metallischen Körnern. Diese weisen bestimmte Orientierungen, Größen und Formen auf und haben großen Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften, etwa das Elastizitätsmodul des Werkstoffs oder die Fließspannung.

Die optimalen Prozessparameter und Materialien zu finden und aufeinander abzustimmen, war bisher ein experimentelles und damit aufwändiges Unterfangen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM beschreiten nun einen anderen Weg. Sie simulieren die gesamte Prozesskette. Auf diese Weise reduzieren sie nicht nur die Versuch-Irrtum-Schleifen, sondern können Variationen im Gesamtprozess schnell und effektiv bewerten und unerwünschte Effekte bei der Herstellung beseitigen.

Dazu wurden verschiedene Simulationsmethoden aneinandergehängt: Mit der Diskrete-Elemente-Methode wird zunächst simuliert, wie die einzelnen Pulverpartikel mithilfe eines speziellen Werkzeugs, der Rakel, in den Bauraum eingebracht werden. Die darauffolgende „Smoothed Particle Hydrodynamics“ simuliert das Aufschmelzen der Pulverpartikel. Hier werden sowohl Laserinteraktion und Wärmetransport als auch die Oberflächenspannungen berechnet, die zum Fließen der Schmelze führen. Auch die Schwerkraft und der Rückstoßdruck, der entsteht, wenn das Material verdampft, gehen in die Berechnung mit ein. Um die Mikrostruktur zu analysieren, wird mit einem sogenannten zellulären Automaten eine weitere Simulationsmethode angekoppelt. Dieser beschreibt, wie die metallischen Körner als Funktion vom Temperaturgradienten wachsen. Am Ende steht die Finite-Elemente-Simulation. Mit ihr berechnet das Forscherteam Zugversuche in unterschiedliche Richtungen an einem repräsentativen Ausschnitt des Materials, um zu erfahren, wie der Werkstoff auf diese Belastungen reagiert.

Untersuchung der thermischen Einflüsse beim LPBF-Prozess

Das metallpulverbasierte Laserstrahlschmelzen (LPBF) erlaubt die Herstellung komplexer Bauteile mit geringem Materialeinsatz. Der Prozess führt jedoch zu vielfältigen thermischen Wechselwirkungen, was zu einer Minderung der Bauteilqualität führen kann. Wissenschaftler des Leibniz-IWT und des Fraunhofer-IWM untersuchen nun diese thermischen Einflüsse.
Das metallpulverbasierte Laserstrahlschmelzen (LPBF) erlaubt die Herstellung komplexer Bauteile mit geringem Materialeinsatz. Der Prozess führt jedoch zu vielfältigen thermischen Wechselwirkungen, was zu einer Minderung der Bauteilqualität führen kann. Wissenschaftler des Leibniz-IWT und des Fraunhofer-IWM untersuchen nun diese thermischen Einflüsse.
(Bild: mari1408 - stock.adobe.com)

Treffen neu entwickelte Werkstoffe und spezifische Bauteilgeometrien in einem komplexen Fertigungsverfahren wie dem Laser Powder Bed Fusion (LPBF) aufeinander, entstehen trotz sorgfältiger Prozessentwicklung Defekte in Form von Poren und Eigenspannungsrissen in den laseradditiv gefertigten Bauteilen. Ursache sind die thermischen Einflüsse während des Fertigungsprozesses. Zusätzlich ergibt sich durch diese Wechselwirkungen eine Mikrostruktur im Bauteil, die sich signifikant von konventionell hergestellten Werkstoffen unterscheidet. Diese Phänomene sind ein wesentlicher Grund dafür, weshalb der LPBF-Prozess trotz seiner Vorteile nur zögerlich Einzug in die industrielle Serienfertigung erhält.

Im Projekt „AM MikroMod“ wollen nun Wissenschaftler des Leibniz-IWT und des Fraunhofer-IWM den thermischen Einflüssen beim LPBF-Prozess auf den Grund gehen und die Zusammenhänge zwischen Werkstoffeigenschaften und den Prozessparametern besser verstehen um so eine gezielte Einstellung der Eigenschaften über die Mikrostruktur des Werkstoffes zu erreichen. Künftig sollen die lokalen Temperaturbedingungen in die Prozessentwicklung einbezogen werden, indem die Prozessdaten zunächst experimentell erfasst und anschließend für den industriellen Bedarf modelliert werden. Dafür wird am Beispiel des Werkstoffs Ti6Al4V die thermische Bauteilhistorie beim LPBF-Prozess mittels Hochgeschwindigkeits-Infrarotmessungen erfasst. Aus den erhobenen Daten wird anschließend ein thermisches Modell entwickelt, auf dessen Grundlage im weiteren Verlauf eine gängige prozessintegrierte Temperaturmessung kalibriert wird und somit die Prozessparameter gesteuert werden können. Dadurch wird eine gezielte Modifikation der Mikrostruktur ermöglicht. Zudem sollen sich bionische Prinzipien auf mikrostruktureller Ebene des Werkstoffes umsetzen lassen. So könnten beispielsweise im Rand- und Kernbereich einer Komponente unterschiedliche Werkstoffeigenschaften für spezifische Anwendungen eingestellt werden.

Aufgrund der zahlreichen Prozessparameter und komplexen Wechselwirkungen sind die Zusammenhänge zwischen Temperatur, Heiz- und Abkühlraten, Wiedererwärmung sowie daraus resultierender Mikrostruktur über klassische ingenieurwissenschaftliche Methoden kaum abzubilden. Daher werden Zusammenhänge mittels Methoden des Maschinellen Lernens abgeleitet. Hieraus könnten Prozess- und Schreibstrategien für die laseradditive Fertigung entwickelt werden, die eine gezielte Mikrostrukturmodifikation ermöglichen. Dies stellt zudem eine Basis für qualitätssichernde Konzepte, wie adaptive Prozesssteuerung und selektive zerstörungsfreie Prüfung, dar.

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Bäume als Vorbilder für Stützstrukturen im LPBF-3D-Druck

Der Digitalisierungs-Berater Cenit und die TU Hamburg wollen die Stützkonzeption für die additive Fertigung von Titanbauteilen optimieren. Dafür entwickeln sie, inspiriert vom natürlichen Wachstum der Bäume, einen Basisalgorithmus und ein Tool, das baumähnliche Stützstrukturen für den 3D-Druck erstellt. Der entwickelte Algorithmus wendet die Prinzipien des umgekehrten Wachstums an: die baumgleiche Stützstruktur wächst somit von der Krone zum Stamm hin.
Der Digitalisierungs-Berater Cenit und die TU Hamburg wollen die Stützkonzeption für die additive Fertigung von Titanbauteilen optimieren. Dafür entwickeln sie, inspiriert vom natürlichen Wachstum der Bäume, einen Basisalgorithmus und ein Tool, das baumähnliche Stützstrukturen für den 3D-Druck erstellt. Der entwickelte Algorithmus wendet die Prinzipien des umgekehrten Wachstums an: die baumgleiche Stützstruktur wächst somit von der Krone zum Stamm hin.
(Bild: Cenit)

In der additiven Fertigung mittels pulverbettbasiertem Laserstrahlschmelzen von Metallen (LPBF) werden Stützungen benötigt, um komplexe Geometrien erfolgreich herstellen zu können. Die aktuell druckbaren Stützstrukturen erfüllen ihre Aufgaben jedoch nicht optimal. Das führt entweder zur Überdimensionierung der Stützstrukturen oder zu Fehldrucken der Bauteile. Die Cenit AG will das gemeinsam mit dem Institut für Laser- und Anlagensystemtechnik der Technischen Universität Hamburg ändern. Im Projekt „BEST“ arbeiten sie an Stützstrukturen, die dem natürlichen Baumwachstum nachempfunden sind. Diese sind hochgradig ressourceneffizient, ohne Funktionalität einzubüßen. Im Projekt erzeugt Cenit Stützstrukturen auf Basis von 3D-Simulationen, die zuvor von der TU Hamburg berechnet wurden. Im Ergebnis wird durch die Verknüpfung von Simulation, generativem Design und algorithmischer Botanik ein computergestütztes Tool entwickelt, das baumförmige Stützstrukturen für additiv gefertigte Bauteile generiert.

Die Hauptaufgaben der Stützstrukturen bestehen in der gleichmäßigen Ableitung der Wärme, der Aufnahme entstehender Spannungen und dem Abstützen geometrischer Überhänge. Für diese Problemlage werden im Projekt die Prinzipien des umgekehrten Wachstums angewendet. Das heißt, der entwickelte Algorithmus lässt die baumgleiche Stützstruktur umgekehrt von der Krone bis zum Stamm wachsen. Das Projekt konzentriert sich auf Titanbauteile mit der Legierung Ti-6Al-4V. Ihr hoher Schmelzpunkt von über 1600 Grad Celsius führt zu hohen Eigenspannungen bei der additiven Verarbeitung und kann zu Verformungen im Bauteil führen. Mit dem Tool zur Erstellung von bioinspirierten Stützstrukturen soll es nun gelingen, eine optimierte Stützkonzeption zu entwickeln.

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