Produktdatenmanagement mit KI Die Produkt-DNA entschlüsseln
Je komplexer das Produkt, desto mehr Komponenten, Funktionen und Daten gilt es zu managen. Klassisches Produktdatenmanagement (PDM) greift hier zu kurz. Die Aufschlüsselung der Produkt-DNA wird vielmehr von KI und Knowledge Graphen angetrieben.
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Will man sich die Komplexität heutiger Produkte vor Augen führen, lohnt sich ein Blick unter die Motorhaube eines Autos. Durchschnittlich stecken in einem Fahrzeug 100 Kommunikationsbusse, die Informationen innerhalb des Fahrzeugs übertragen, 200 Steuergeräte, die rund 400 Funktionalitäten wie Beschleunigung, Kollisionsschutz, Audio, GPS oder Sitzheizung regeln. Hinzu kommen 2.000 Softwarekomponenten und Anwendungen, die rund 10.000 Signale aus allen Bereichen des Fahrzeugs verarbeiten und austauschen. Von der eigentlichen Hardware gar nicht zu sprechen.
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Insgesamt setzt sich ein Auto aus über 30.000 mechanischen Teilen zusammen – von der Schraube über die Windschutzscheibe bis zur Glühbirne. Alle diese Komponenten müssen in unzähligen Konfigurationen zusammen arbeiten, um ein Produkt zu realisieren, das seinen Nutzer nicht nur von A nach B bewegt, sondern gleichzeitig auch alle regulatorischen Anforderungen und Sicherheitsauflagen erfüllt.
Wir erstellen Excel-Tabellen und Stücklisten zur Rückverfolgung, speichern strukturierte und unstrukturierte Daten in ERP, PDM oder DAM (Digital-Asset-Management)/PIM (Produktinformationsmanagement) und modellieren mit Hilfe verschiedenster Entwicklungs-Tools. Letztendlich jedoch beschreiben all diese unterschiedlichen Arten von Informationen ein einzelnes Produkt. Noch immer liegt diese Produkt-DNA bei vielen Herstellern verteilt in Datensilos und kann nur in Teilansichten betrachtet werden. Eine einfache und schnelle Navigation durch sämtliche Daten, um zu erkennen, wie einzelne Komponenten im Gesamtkontext zusammenhängen ist damit unmöglich. Mit zunehmender Konnektivität im IoT und IIoT, ist kaum zu erwarten, dass diese Komplexität zurückgeht.
Knowledge Graph & Künstliche Intelligenz
Das Management komplexer Datenmengen ist eine Herausforderung und konsequenterweise geht der nächste Schritt in Richtung künstliche Intelligenz. Knowledge Graphen schaffen einen Wissenskontext aus relevanten Informationen, der Unternehmen dabei hilft bessere Entscheidungen zu treffen und diesen Prozess zu automatisieren.
Eigenschaften eines Knowledge Graphs:
- Heterogene Daten werden verknüpft, um Informationssilos miteinander zu verbinden und Abhängigkeiten aufzuzeigen.
- Da Daten allein noch kein Wissen vermitteln, werden nur die Informationen miteinander verknüpft, die über gemeinsame, relevante Attribute verfügen.
- Dabei sind Knowledge Graphen dynamisch, sie verstehen also, warum bestimmte Daten füreinander relevant sind und können entsprechende Zuordnungen über Attribute selbständig vornehmen. Neue Daten müssen somit nicht jedes Mal manuell in den Graphen eingepflegt werden.
- Intelligente Metadaten ermöglichen Data-Mining bzw. Knowledge-Mining und vereinfachen die Navigation, um tiefer im Graphen nach Detailinformationen zu suchen und Antworten auf völlig neue Fragen zu finden.
KI-Lösungen wie Machine Learning oder Natural Language Processing (NLP) können den Knowledge Graph mit neuen, prognostizierten Datenbeziehungen anreichern. Der semantische Kontext des Graphen wiederum kann von Machine Learning Engines herangezogen werden, um Vorhersagen zu verbessern.
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Die Produkt-DNA abbilden
Innerhalb des Produktdatenmanagements kann ein Knowledge Graph dazu genutzt werden, um eine Art Landkarte aller Funktionen eines Produkts zu entwerfen und darauf die Abhängigkeiten anschaulich nachzuvollziehen. Statt einer Liste aller Funktionalitäten entsteht so ein zentraler Wissens-Hub, der ein Produkt in Gänze abbildet. Über Analytikverfahren lassen sich Schleifen (Loops) im Systemdesign identifizieren, Cluster erkennen, die ideale Sequenz von Prozessen definieren und die Projektplanung optimieren.
Anschaulich lässt sich das wieder am Beispiel des komplexen Produkts „Auto“ zeigen: Die meisten Fahrzeuge lassen sich per Funkschlüssel ver- und entriegeln. Drückt man lange genug auf den Knopf, werden neben den Türen auch offene Fenster und das Schiebedach geschlossen. Überträgt man diese Funktionalität in einen Knowledge Graph ergibt sich ein Modell aus vier Knoten, die über Kanten miteinander verbunden sind: übergeordnete Funktion „Öffnen/Schließen“, Zentralverriegelung Türen, Fenster und Sonnendach.
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Lessons Learned-Datenbank
NASA nutzt vernetzte Daten mit Hilfe des Knowledge Graph
So simpel das Modell auch wirkt, enthält es doch eine Reihe an nützlichen Informationen für das Entwicklerteam. Intuitiv lässt sich nachvollziehen, dass die Änderung einer Funktion sich unmittelbar auf die anderen auswirkt. Bei Re-Designs und Anpassungen sollten Entwicklerteams der jeweiligen Funktionen deshalb eng miteinander zusammenarbeiten, um auch weiterhin die Gesamtfunktionalität sicherstellen zu können. Die jeweiligen Ansprechpartner, die es zur nächsten Projektbesprechung einzuladen gilt, lassen sich ebenso im Knowledge Graph finden. Hinzu kommen weitere Produktfunktionalitäten, die mit der Funktion „Öffnen/Schließen“ direkt verknüpft sind – beispielsweise das automatische Deaktivieren der Scheinwerfer und der Innenbeleuchtung oder das kurze Audio- und Lichtsignal beim Betätigen des Autoschlüssels, das anzeigt, dass das Fahrzeug tatsächlich verriegelt ist. Dieses Lichtsignal ist wiederum Teil der Funktion der Warnblinkanlage.
Komplexität managen
Die Liste an solchen Abhängigkeiten ist schier endlos und die Komplexität enorm. Für Hersteller rücken dabei zentrale Fragen in den Vordergrund: Wie kommt es zu Abhängigkeiten zwischen Komponenten und Funktionalitäten? Wodurch entstehen im Produkt-Design Synergien oder Schwachstellen? Wird das richtige System und das effizienteste Tool genutzt? Welches Mindestmaß an Komplexität ist erforderlich, um alle Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit zu erfüllen? Erst wenn Hersteller die DNA ihrer Produkte verstehen, lässt sich Komplexität nicht nur minimieren, sondern auch nutzen.
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Kommentar
Fabriken sind auf Informationen angewiesen – nicht auf Intuition
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