New Work Die Präsenzkultur geht, die mobile Arbeit kommt
Open Space Büro: Für den einen Königsweg zu mehr Kommunikation, den anderen purer Horror. Das Problem könnte sich bald erübrigen, denn das traditionelle Büro hat keine Zukunft. Immer mehr Menschen arbeiten mobil. Das zeigen die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Leben und Arbeiten in Flexibilität“.
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Erwerbsarbeit wird mobil: Statt im Büro oder der Fabrik können mehr und mehr Beschäftigte ihre Aufgaben auch am heimischen Schreibtisch, im Zug, Café oder Hotel erledigen. Christian und Alexander Piele vom Fraunhofer IAO in Stuttgart haben Ausmaß und Auswirkungen dieser Entwicklung im Rahmen des von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekts „Leben und Arbeiten in Flexibilität“ ausgelotet.
Dafür haben die Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) Daten der IG Metall-Beschäftigtenbefragung 2017 ausgewertet, die auf Angaben von 680.000 Teilnehmern beruhen. Zusätzlich flossen Ergebnisse einer Befragung von rund 2000 Betriebsräten in die Analyse ein. Zusammenfassend wurden die Ergebnisse im "Böckler Impuls 17/2017" dargestellt.
Heimarbeit - ein Privileg für Akademiker?
Laut Untersuchung bieten 43 Prozent der Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie mobiles Arbeiten an. Insgesamt 20 Prozent der Beschäftigten dürfen an einem selbstbestimmten Ort außerhalb der Betriebsstätte arbeiten, zwei Drittel von ihnen jedoch nur, wenn es einen Grund dafür gibt. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Betriebsgröße. Von den Firmen mit weniger als 100 Arbeitnehmern ermöglichen 37 Prozent räumliche Flexibilität, ab 3000 Mitarbeitern sind es 69 Prozent. Auch die Branche hat einen spürbaren Einfluss darauf, ob Mitarbeiter mobil arbeiten können oder nicht: Die Quote reicht von knapp 31 Prozent in der Metallerzeugung bis zu 60 Prozent in der Elektroindustrie.
Ansonsten ist vor allem die Art der Tätigkeit maßgeblich: Akademiker dürfen eher zu Hause oder unterwegs arbeiten als Geringqualifizierte, Führungskräfte eher als ihre Untergebenen. Wer direkt in der Produktion tätig ist, hat vergleichsweise selten eine Chance auf mobiles Arbeiten. Dasselbe gilt für Schichtarbeiter.
Von den Beschäftigten, die zwar mobil arbeiten dürften, dies aber trotzdem nicht tun, nennt ein Drittel fehlende technische Voraussetzungen als Grund. Bei einem Drittel liegt es am Vorgesetzten. Ein Fünftel verweist auf die räumliche Situation, hat also daheim beispielsweise kein geeignetes Arbeitszimmer. Dass der Datenschutz außerhalb der Betriebsstätte nicht gewährleistet wäre, gibt ein Zehntel zu Protokoll.
Mobil arbeiten: 90 Prozent finden das gut
Grundsätzlich genießt mobile Arbeit einen guten Ruf: 90 Prozent aller Befragten finden es gut, den Arbeitsort selbst auswählen zu dürfen. 86 Prozent derjenigen, die diese Möglichkeit haben, berichten, dass sie dadurch Beruf und Privatleben besser unter einen Hut bekommen. Vier Fünftel an, dass sie "mobil" ungestörter arbeiten können als im Büro.
Doch hat die neue Mobilität auch ihre Schattenseiten: 30 Prozent der potenziellen Mobilarbeiter haben Angst, jenseits vom Betriebsgelände mehr leisten zu müssen, weil ihr Tun nicht ausreichend wahrgenommen wird. Fast ein Fünftel berichtet von Schwierigkeiten, eine klare Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Deshalb seien feste Regeln zur Erreichbarkeit gefordert, mahnen die Autoren. Drohe Entgrenzung, müssten die Vorgesetzten eingreifen.
Präsenzkultur und Meetingwahn behindern Flexibilität
Als problematisch erweist sich die in etlichen Betrieben gepflegte Präsenzkultur: 29 Prozent der mobilen Arbeiter fühlen sich durch viele Termine mit Anwesenheitspflicht behindert. Ein Viertel sieht negative Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Kollegen. Knapp ein Viertel befürchtet, unwissentlich gegen Regelungen – Datenschutz, Arbeitszeiten – zu verstoßen. Dass die außerhalb vom Betrieb geleistete Arbeit nicht vergütet wird, beklagen zehn Prozent.
Die Folge: Fast drei Viertel der Befragten, die mobil arbeiten können, nehmen diese Option maximal zwei Tage im Monat in Anspruch. Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen machen das häufiger, sofern sie die Möglichkeit dazu haben. Bemerkenswert: Diese Möglichkeit wird ihnen nicht häufiger eingeräumt als anderen Arbeitnehmern. Nach Einschätzung der IAO-Experten deutet das darauf hin, dass die Unternehmen hier noch nachbessern könnten.
Quelle
Christian und Alexander Piele: Mobile Arbeit – Eine Analyse des verarbeitenden Gewerbes auf Basis der Mobile Arbeit – Eine Analyse des verarbeitenden Gewerbes auf Basis der IG Metall-Beschäftigtenbefragung 2017, Fraunhofer IAO, 2017
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