Industrie 4.0 in Deutschland Der Platz in der zweiten Reihe
Industrie 4.0 ist ein Kind der Stückfertigung kleiner Serien nach dem Verrichtungsprinzip. Dort liegen ihre geistigen Wurzeln. Darüber hinaus ist der Begriff Industrie 4.0 unglücklich gewählt. Er beschränkt das Thema auf die Fabrik und grenzt den Markt damit aus. Nicht einmal Produktentwicklung und Marketing im eigenen Haus werden sich so angesprochen fühlen.
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Die Amerikaner nennen dieses Thema Industrial Internet und denken es horizontal, also vom Kunden her. Sie vernetzen intelligente Produkte, Supply Chains und Fabriken. Das ist aus unserer Sicht auch der richtige Ansatz. Der deutsche Ansatz hingegen ist vertikal - man denkt in technischen Schnittstellen, zum Beispiel von Maschinen zu übergeordneten Steuerungssystemen. Wir sehen hierzulande größtenteils fabrikinterne technische Lösungen. So werden die Produktioner außerhalb der Produktion aber nicht wahrgenommen.
Der eigentliche Sinn der digitalen Vernetzung und ihr enormes Potential liegt vielmehr in datenbasierten Geschäftsmodellen und damit außerhalb der Fabriken. Das hat man in Deutschland noch nicht verstanden, weshalb davon in Deutschland auch nichts Entsprechendes zu sehen ist. Industrie 4.0 kommt hierzulande gedanklich einfach nicht aus dem kleinen Karo der Fabrik heraus.
Wohl aber in den USA. Sie schaffen Plattformen und vernetzen dabei intelligente Produkte, Supply Chains und Fabriken. Das ist der richtige Ansatz. Mit anderen Worten: Die Deutschen tüfteln an Schnittstellen, die Amerikaner erzeugen Märkte. Was für ein fundamentaler Unterschied. Die Deutschen fragen: wie bringen wir die Vernetzung technisch ans Laufen? Die Amerikaner fragen: welches Geschäft können wir damit machen?
Die Rollenverteilung ist klar: Die Amerikaner stecken die digitalen Claims ab und schürfen Gold, während die Deutschen sich darüber freuen, Spitzhacken und Spaten liefern zu dürfen. Die Deutsche Industrie hat sich widerstandslos in die zweite Reihe drängen lassen - zum austauschbaren Hardwarelieferanten von Internet-Unternehmen. Und die Fabrikausrüster, die Industrie 4.0 ja als Konjunkturprogramm sehen und deshalb vorantreiben, haben noch nicht verstanden, dass eben diese Revolution das Zeug hat, sie selber hinwegzufegen.
Die eigentliche Revolution findet außerhalb der Fabriken statt. Das erkennt man aber nicht, wenn der eigene Denkhorizont am Werkstor endet.
Durch die zunehmende Vernetzung wird vieles transparent für Außenstehende, so auch Produktionsabläufe, Produktinformationen und Produktionstechnologien. Dieses Wissen ist die Basis für den Wettbewerbsvorsprung der deutschen Industrie. Dieser geht mit zunehmender Vernetzung aber verloren. Problematisch dabei ist nicht der Verlust als solcher, sondern die Tatsache, dass hierzulande nichts existiert, was diesen Verlust kompensieren könnte. Während in den USA die Appisierung der Hardware vorangetrieben wird, beharrt der deutsche Maschinenbau darauf, dass seine Maschinen und Produktionseinrichtungen das eigentliche Geschäft sind. Dabei sind Maschinen letztendlich nur Mittel zum Zweck und die Plattformen das eigentliche Geschäft; doch genau das überlassen die Deutschen den Amerikanern. Es besteht hierzulande kein Mangel an Datenstandards und Kooperationsvereinbarungen, sondern ein Mangel an Mut und Phantasie.