Industrie trifft CRM Customer Relation Management in der Industrie 4.0

Autor / Redakteur: Martin Dietrich* / Sebastian Human

Noch immer bleiben viele Digitalisierungs-Potenziale in der Industrie ungenutzt - gerade in mittelständischen Unternehmen liegen aber Schätze, die nur geborgen werden müssen. Obwohl CRM-Systeme maßgeblich bei der Kundenorientierung helfen können, schrecken viele Mittelständler vor entsprechenden Lösungen zurück.

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Vernetzte Maschinen sind fester Bestandteil der Industrie 4.0, doch die Digitalisierung bietet auchin puncto CRM weitreichende Möglichkeiten.
Vernetzte Maschinen sind fester Bestandteil der Industrie 4.0, doch die Digitalisierung bietet auchin puncto CRM weitreichende Möglichkeiten.
(Bild: Nataliya Hora from Fotolia)

Dabei können KMUs genauso - oder sogar mehr - von digitaler Vernetzung und weitreichender Informationsgewinnung profitieren, wie die Global Player. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist daher der Schritt hin zu einer Integration von CRM-Systemen in die laufenden Prozesse nicht zu vernachlässigen.

Fortschritt als Notwendigkeit

Die digitale Transformation bietet Unternehmen unzählige Möglichkeiten, um firmeninterne Prozesse miteinander zu verbinden und Abläufe zu optimieren. Gleichzeitig ist der digitale Kunde schon lange ein Faktor, mit dem sich Unternehmen befassen müssen, um im Wettbewerb nicht ins Hintertreffen zu geraten. Es geht also schon lange nicht mehr nur um die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation, die für viele ein Hauptaspekt der Digitalisierung ist. Vielmehr sind Informationen und der bestmögliche Austausch auch für den Kunden ein maßgebliches Kriterium, was den Innovationsdruck auf die Unternehmen dauerhaft hochhält.

Die Frage muss daher lauten, wie sich von Unternehmensseite die Industrie 4.0 nicht nur auf der Produktionsebene, bei der digitalen Steuerung und Vernetzung von Fertigungsstraßen etwa, mehr aus den Informationen gewinnen lässt. Denn die Bedeutung von Informationen betrifft Prozesse genauso wie Produkte, Projekte – und eben die Beziehung zum Kunden.

Funktionieren kann dies aber nur, wenn sowohl die Datenerfassung als auch die Datenauswertung auf höchstem Niveau erfolgen. Genau damit, also mit den Grundlagen der Industrie 4.0, tut sich der Mittelstand laut einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) zur Erschließung der vorhandenen Potenziale aber schwer. In der Defizitanalyse zur Datenerfassung und -verarbeitung weist die Studie daher darauf hin, dass

  • Daten vor allem in den Bereichen Logistik, Auftragsbearbeitung, Produktion und Qualitätsmanagement gesammelt werden, aber häufig nur auf der Auftrags-, nicht aber auf der Produktebene.
  • Daten zu Prozessen oft nicht dokumentiert bzw. nicht mit elektronischer Unterstützung festgehalten werden.
  • Systematik und Organisation bei der Datenerfassung und -pflege nicht ausreichend sind, was bis hin zur Vernachlässigung von Stammdaten reicht.
  • Big Data für mittelständische Unternehmen kaum ein Thema ist.

Obwohl die Studie bereits 2015 erstellt wurde, hat sich seither am Gesamtbild wenig geändert. Das belegen die Zahlen einer Umfrage, die das Software-Bewertungsportal Capterra im vergangenen Jahr unter 216 kleinen und mittleren deutschen Unternehmen durchgeführt hat:

Mittels eines CRM-Systems spart man sich langwierige Suchen nach Kundeninformationen.
Mittels eines CRM-Systems spart man sich langwierige Suchen nach Kundeninformationen.
(Bild: zorandim from Fotolia)

Bei der Verwaltung von Kontaktdaten setzen nur rund 23 Prozent der Firmen auf eine spezielle CRM-Software, wohingegen rund 71 Prozent auf manuelle Methoden setzen. Neben Excel, Google Sheets oder E-Mail-Clients bedeutet das für immerhin fast jedes zehnte Unternehmen, in dieser Angelegenheit zu Papier und Stift zu greifen.

Dabei beschreiben die befragten Unternehmen selbst eine ganze Reihe von Herausforderungen, die sich bei der Kundenverwaltung für sie ergeben: Diese reichen vom Umgang mit veralteten oder falschen Kundendaten über die schwierige Nachverfolgung von Interaktionen mit Kunden bis hin zu Problemen bei der Überwachung von Zahlungen. Die Bereitschaft zu Veränderungen ist immerhin erkennbar, allerdings scheuen die Unternehmen vor hohen Kosten und fehlendem Know-how bei der Integration und Nutzung von CRM-Systemen zurück.

Umgekehrt dürften die Folgekosten von schlechter Datenqualität deutlich über den Investitionen und laufenden Kosten für ein optimiertes Datenmanagement liegen. Wenn Daten etwa doppelt oder gar nicht erfasst werden, entsteht den Mitarbeitern ein sehr viel größerer Aufwand, erschwert wird auch die Suche zu einzelnen Kundenvorgängen.

Warum CRM auch für den Mittelstand so wichtig ist

Ohne Veränderungen dürften die im Zuge der Digitalisierung immer wichtiger gewordenen Anforderungen der Kundenorientierung aber kaum zu bewältigen sein. Was wiederum bedeutet, dass die verschiedenen Unternehmensbereiche nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden können beziehungsweise sollten.

Ob Marketing, Vertrieb, Produktion oder Service – Kundenwünsche und -erwartungen spielen in allen Abteilungen gleichermaßen eine große Rolle, weswegen es nur sinnvoll und folgerichtig ist, die im Unternehmen gewonnenen Daten in Bezug zueinander zu setzen, mit dem Kunden im Zentrum. Dem Customer Relation Management kommt dabei eine tragende Rolle zu, sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich. Nicht nur, weil es dabei hilft, die gesammelten Daten wie gewünscht auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten.

Mit einem funktionierenden CRM-System lassen sich auch gezielt besonders interessante Kunden für eine intensivere Geschäftsbeziehung herausfiltern und Kundeninformationen unabhängig von einem bestimmten Mitarbeiter aufnehmen – so hat jeder Angestellte immer Zugriff auf relevante Daten. Voraussetzung ist allerdings, dass das CRM-System in der Lage ist, alle erforderlichen Informationen zu Kunde, Produkt und Projekt zusammenzuführen.

Wichtige Fragen, auf die deshalb Antworten gefunden werden müssen, lauten etwa:

  • Wo liegen die benötigten Informationen?
  • Wo stehen die fraglichen Prozesse? (Dabei geht es unter anderem um die Einhaltung von verabredeten Terminen.)
  • Wer weiß etwas über die Eigenschaften eines bestimmten Produkts? Daran anschließend: Wer weiß etwas über die Verfügbarkeit?
  • Wer weiß etwas über einen bestimmten Kunden?

Diese Aspekte sind ganz zentral, um den Kunden richtig – und das heißt: individuell – ansprechen zu können. Die Marketingabteilung kann gezielter Produkte und Dienstleistungen bewerben, der Vertrieb besser – also rechtzeitig und zuverlässiger – genau diese Produkte liefern, der Service Wünsche und Verbesserungsvorschläge ohne Umwege an die Produktion weitergeben. Nur auf diese Weise lassen sich Kundenerwartungen heute – und vor allem auch morgen - noch erfüllen: hochindividualisierte Produkte zu einem guten Preis und zwar am besten sofort.

Kundenservice im digitalen Zeitalter

CRM profitiert enorm von einer Vielzahl möglicher Kommunikationskanäle, aber diese müssen letztlich auch gewinnbringend genutzt werden. Schließlich ist neben Digitalisierung die Individualisierung einer der wichtigsten Trends, auf den sich Unternehmen unbedingt einstellen müssen. Möglich wird das durch den Einsatz von CRM-Systemen, die mit ihrer Datenerfassung und -auswertung sozusagen eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden erlauben.

Die Kundenbetreuung kann auf dieser Grundlage vom Angebot bis zum After-Sales-Service individuell gestaltet und gleichzeitig mit automatisierten Prozessen verbunden werden. Das schließt auch das Beschwerde-Management ein, das ein zentraler Faktor beim CRM ist. Es trägt entscheidend zur Kundenzufriedenheit bei, die wiederum ausschlaggebend für die Kundenbindung ist. Auch in diesem Punkt gilt, dass eine individuelle Ansprache und eine schnelle Reaktion von Kundenseite erwartet werden.

Das gilt sowohl für das direkte Beschwerde-Management, das im unmittelbaren Kundenkontakt zum Tragen kommt, als auch im indirekten Beschwerde-Management, bei dem es um die internen Prozesse rund um eingehendes Kundenfeedback geht. Der erste Schritt ist jedoch immer die Beschwerdestimulierung. Sie ist schon allein deshalb so wichtig, weil ein Großteil der Kunden trotz Unzufriedenheit keine Rückmeldung beim Unternehmen gibt, seine negativen Erfahrungen aber im privaten Umfeld teilt – dort fungieren sie als Multiplikator, wodurch noch mehr potenzielle Kunden für das Unternehmen verloren gehen.

Den unterschiedlichen Kanälen, auf denen die Kommunikation mit dem Kunden stattfinden kann, sollten deshalb auch bei der Beschwerdestimulierung berücksichtigt werden. Vor allem online sollten ausreichend Möglichkeiten für den Kunden bestehen, sein Anliegen vorzutragen. Die sozialen Netzwerke werden in dieser Hinsicht immer wichtiger, doch auch Formulare zur Meldung defekter Produkte sind ein gängiges Mittel für die erste Kontaktaufnahme. Denkbar ist sogar, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz dialogorientierte CRM-Systeme einzusetzen beziehungsweise diese zu verbessern.

In erster Linie zählt dabei, dass die Kontaktaufnahme zügig angenommen und bearbeitet wird – und dass nach einer Reaktion (von der Lösung des Problems bis hin zu immateriellen bzw. materiellen Kompensationen) die richtigen Schlüsse für die internen Abläufe gezogen werden: Auswertung, Controlling und Reporting einer Beschwerde liefern wertvolle Informationen, die abschließend in die Qualitätsverbesserung einfließen können.

Vorausschauendes Agieren

Predictive Maintenance oder auch Predictive Service bezeichnet die Möglichkeit, dank der technischen Neuerungen der Industrie 4.0 eine vorausschauende Instandhaltung anzubieten. Grundsätzlich handelt es sich dabei um ein Prinzip, mit dem der Produktionsprozess erfasst und kontrolliert werden kann. Für Maschinen- und Anlagenbauer ergibt sich daraus eine neue Dimension des Kundenservices, da Betrieb und Instandhaltung aus Kostengründen vielfach ausgelagert werden kann.

Vorrangiges Ziel der vorausschauenden Instandhaltung ist eine verbesserte Produktionsplanung, die auf einem durchgehenden Monitoring der involvierten Maschinen mit Hilfe von Echtzeitdaten basiert. Wartungspläne können so besser angepasst werden, wodurch die Maschinen länger in Betrieb bleiben können. Meldet also eine Maschine einen kritischen Schwellenwert, etwa beim Verschleiß, kann diese Information im CRM automatisch in einen Serviceauftrag gefasst werden, der an die zuständigen Techniker weitergegeben wird.

Die Verknüpfung von CRM und Maschinenvernetzung bietet auch neue Servicemöglichkeiten.
Die Verknüpfung von CRM und Maschinenvernetzung bietet auch neue Servicemöglichkeiten.
(Bild: Herrndorff from Fotolia)

Die Grundlagen sind mit weithin vernetzten Maschinen und Anlagen bereits gegeben, ein zentraler Aspekt bleibt allerdings der Umgang mit den Daten: Industrieroboter liefern diese in kurzer Zeit in unglaublichen Mengen, es gilt daher, die relevanten Daten zu filtern. Lohnenswert ist der technische Aufwand aber in jedem Fall, denn in Verbindung mit Daten aus den CRM- und anderen Systemen können Reportings, Planungen und Simulationen für die Produktion und den Absatz sehr viel leichter erstellt werden.

* Martin Dietrich ist Fachinformatiker und IT-Projektleiter mit dem Schwerpunkt CRM und IT-Sicherheit.

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