3D-Druck in Serie Bessere Football Helme mit 3D-gedruckten Gitterstrukturen aus Deutschland
Harte Hits gehören zum American Football wie Truthahn zu Thanksgiving. Helme mit 3D-gedruckten Gitterstrukturen sollen die Spieler in Zukunft besser schützen. Wie die deutsche Oechsler AG den sichersten Football Helm in additiver Großserie umsetzt, erfahren Sie im Artikel.
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Wie die mittelfränkische Oechsler AG und Riddell diese Woche bekannt geben, wird ein neuer Football Helm mit 3D-gedruckten Gitterstrukturen in Großserie produziert. Das Besondere an dem Helm sind die individuellen Dämpfeigenschaften, die nur mit additiver Fertigung erzielt werden können. Laut einer Untersuchung der US-Profiliga NFL und der Spielergewerkschaft NFLPA ist das Modell mit den 3D-Gitternetzen aktuell der Helm mit der besten Schutzwirkung. In Zukunft könnte die Technologie auch für andere Sportarten und bei Polizeiausrüstung eingesetzt werden. Wie es gelang, das Produkt in weniger als 100 Tagen zur Marktreife zu führen, erfahren Sie im Artikel.
Individuelle Gitterstrukturen ermöglichen einzigartige Dämpfeigenschaften
Das Besondere am neuen SpeedFlex Diamond Helm von Riddell ist die 3D-Gitterkonstruktion für Dämpfungselemente, die den bislang genutzten Schaumstoff in den Helmeinsätzen substituiert. Das Gitternetz besteht aus tausenden von stabförmigen, elastischen Verbindungen und berücksichtigt die neuesten Erkenntnisse der Stoßanalyse. Es ermöglicht bionische Strukturen, die den Helm individualisierbar, leichter, komfortabler und atmungsaktiver machen. Insbesondere verbessern sie den Schutz des Spielers durch eine Optimierung der Dämpfungseigenschaften des Helms, die für die Anforderungen verschiedener Bereiche, wie zum Beispiel Stirn, Schläfen und Hinterkopf maßgeschneidert programmiert werden können.
Die Dämpfungseigenschaft der Gitterstruktur ist über die Geometrie der Gitter, die Stärke (bzw. Dicke) der Gitterstäbe und die Größe der Gitter programmierbar. So können verschiedene Bereiche des Helms mit unterschiedlichen Dämpfungseigenschaften ausgestattet und so der Schutz erhöht werden. Ähnliche Gitternetzstrukturen hat Oechsler auch schon bei anderen Projekten, z. B. Schuhsohlen für Adidas, umgesetzt.
Neben dem eigentlichen 3D-Druck der Komponenten ist für die industrialisierte Produktion das mehrstufige Post-Processing ein zentrales Erfolgskriterium. In diesem erhalten die im additiven Verfahren produzierten Teile in verschiedenen Arbeitsschritten – darunter u.a. Reinigen und Hitzebehandlung – ihre definierten mechanischen Eigenschaften.
Hier erklärt Quarterback-Legende Payton Manning, wie die Technologie entwickelt wurde:
Vom Prototyp zur Großserie in weniger als 100 Tagen
Für den Auftraggeber Riddell war die schnelle Realisierung des Projekts ein Schlüsselfaktor. Nach Unternehmensangaben vergangen zwischen den ersten Prototypen und der Großserienproduktion bei Oechsler weniger als 100 Tage. Oechsler profitierte dabei von seiner Erfahrung in Bereich der additiven Kunststoffproduktion. Das Unternehmen hat in diesem Bereich unter anderem schon mit Adidas in der ‚Speedfactory‘ kooperiert. Außerdem kommen 3D-Drucker von Carbon zum Einsatz, mit denen der Fertigungsdienstleister schon seit mehreren Jahren arbeitet. Oechsler möchte mit diesem Projekt unter Beweis stellen, dass sie mit additiver Serienproduktion mehr als eine Millionen Teile pro Jahr produzieren können. Dazu setzt das Unternehmen auf Fertigungsstandorte in Deutschland, den USA und China. Die neuen Dämpfungselemente werden auch am Stammsitz im mittelfränkischen Ansbach 3D-gedruckt.
3D-gedruckte Helme sollen Spieler vor langfristigen Schäden schützen
Allein in der Saison 2018 meldete die Profiliga NFL mehr als 200 Gehirnerschütterungen. Im College- und High-School-Bereich dürften es im gleichen Zeitraum noch deutlich mehr gewesen sein, auch weil die medizinische Versorgung im Amateursport oft nicht auf NFL-Standard ist. Für die Spieler besteht die Gefahr vor allem darin, mehrere aufeinanderfolgende Gehirnerschütterungen zu erleiden. Wie einige Studien nachwiesen, können regelmäßige Gehirnerschütterungen die degenerative Hirnerkrankung CTE auslösen. Typische Symptome der Erkrankungen sind eingeschränkte kognitive Wahrnehmung und impulsive bzw. irrationale Entscheidungen.
Im Vollkontaktsport können Gehirnerschütterungen wohl nie ganz ausgeschlossen werden, aber durch eine fortwährende Verbesserung der Helmtechnologie kann das Risiko für alle Spieler gesenkt werden.
Der von Oechsler produzierte Helm wurde von der NFL und der Profispielergewerkschaft NFLPA im Rahmen einer Sicherheitsinitiative zum sichersten von 35 getesteten Modelle gekürt. Dabei wurden die Dämpfungseigenschaften der Modelle unter Laborbedingungen getestet.
Breites Anwendungsfeld für die Technologie
In Zukunft könnte die Technologie auch für andere Sportarten wie Eishockey, Lacrosse, Reiten und Skifahren eingesetzt werden. Auch die Helme von Polizeieinheiten könnten durch die kraftabsorbierende 3D-Gitterstruktur einen effektiveren Schutz bieten.
Dazu sagt Dr. Claudius M. Kozlik von Oechsler: „Die kunststoffbasierte additive Serienfertigung ist noch eine sehr junge Technologie und viele Industrien entdecken erst jetzt ihre Möglichkeiten. Inzwischen lassen sich mit additiven Verfahren jenseits von Prototypen auch veritable Großserien in kürzester Zeit hoch flexibel auf mehreren Kontinenten herstellen. Kunststoffbasierte 3D-Gitternetze werden viele Fest- und Schaumstoffe ersetzen, weil sie durch Gewichtsreduzierung und die Optimierung von Dämpfungseigenschaften funktionale Potenziale freisetzen, die mit herkömmlichen Materialien nicht möglich sind.“
Wenn Sie sich privat einen der Helme zulegen möchten, müssten Sie aktuelle etwa 600 Euro investieren.
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