Management Statement "Automatisierung geht bis ins ERP-System des Kunden"

Als Anbieter von Automationslösungen bietet Industrie 4.0 für das Unternehmen Turck große Chancen aber auch neue Herausforderungen. Wir haben mit Christian Wolf, Geschäftsführer von Turck darüber gesprochen, wie Turck diese neuen Anforderungen lösen möchte.

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(Bild: Turck)

Was bedeutet für Sie „Digitalisierung“ und worin sehen Sie für Ihr Unternehmen die besonderen Chancen?

Christian Wolf, Geschäftsführer Hans Turck GmbH & Co. KG
Christian Wolf, Geschäftsführer Hans Turck GmbH & Co. KG
(Bild: Turck)

Die Digitalisierung bietet Turck große Chancen. Unsere Unternehmens-DNA ist das Erfassen, Übertragen und Aufbereiten von Daten – also dem Lebenselixier für Industrie 4.0. Mit Themen wie IO-Link und unterstützt Turck wesentliche Grundelemente für den Industrie-4.0-Ansatz, liefern sie doch zum einen Produktionsdaten und bieten zum anderen einen transparenten Durchgriff von der Steuerung bis in die Feldgeräte. Wir erleben in beiden Bereichen eine zunehmende Nachfrage, die sich auch in unseren Entwicklungsaktivitäten niederschlägt. Derzeit bringen wir im Quartalsrhythmus neue IO-Link- oder RFID-Lösungen auf den Markt. Vor allem IO-Link-Lösungen bringen aber nicht nur mehr Transparenz, sondern bieten dem Anwender schon jetzt in vielen Fällen eine handfeste Kostenersparnis, etwa bei analogen Signalübertragungen, die keine teuren geschirmten Leitungen mehr benötigen.

Automatisierung findet zudem nicht mehr nur in der Produktionslinie statt, sondern geht mehr und mehr bis ins ERP-System des Kunden. Mit RFID-Systemen und einer geeigneten Systemanbindung lässt sich heute eine durchgängige Erfassung von Produkten oder Komponenten erreichen, vom Zulieferer bis zum Einsatz bei Endkunden. Um hier schnell leistungsfähig zu sein, hat Turck erstmals in seiner Unternehmensgeschichte ein Technologieunternehmen mehrheitlich übernommen und die Anteile des bisherigen RFID-Turnkey-Lösungspartners Vilant Systems mit Sitz in Finnland übernommen. Das Unternehmen ist unter dem neuen Firmennamen Turck Vilant Systems nun Teil der Turck-Gruppe. Mit dieser Transaktion verstärken wir unser Engagement im Software-, System- und Dienstleistungsgeschäft, das im Hinblick auf Industrie 4.0 und das Internet der Dinge von großer strategischer Bedeutung ist.

Welches sind dabei die drei größten Herausforderungen für Ihr Unternehmen?

Natürlich ist der wachsende Stellenwert von Software und IT für Unternehmen, deren Kerngeschäft die Hardware war, an einigen Stellen eine Herausforderung. Nicht so sehr in Bezug auf Gerätesoftware, die haben wir schon immer realisiert, sondern eher in Richtung intelligenter Datenaufarbeitung und -bereitstellung in den Softwaresystemen der Kunden oder in Cloud-Lösungen. Hier müssen wir Know-how aufbauen – oder eben einkaufen.

Bei Turck haben wir uns für letzteres entschieden, um unseren Kunden schnell praxistaugliche Lösungen anbieten zu können. So hat Turck im Rahmen eines Technology Buy-out die Cloud-Software des IoT-Spezialisten Beck IPC erworben. Auf Basis dieser Software können wir unseren Kunden bereits in naher Zukunft eine ausgereifte, zukunftssichere Industrie-Cloud-Lösung anbieten, die wir gemeinsam kontinuierlich weiterentwickeln werden.

Weitere Herausforderungen, die alle meistern müssen, bevor Industrie 4.0 flächendeckend greifen kann, sehe ich vor allem bei der Frage der IT-Sicherheit, wenn wir über Daten in der Cloud sprechen. Aber auch das Thema Datenaufbereitung sollte nicht vernachlässigt werden. Aus unserer Sicht geht es für den Anwender nicht um „Big Data“, sondern um „Smart Data“. Also Nutzdaten, die ihm unmittelbar Vorteile versprechen, etwa bei der Prozessplanung oder bei vorausschauender Wartung.

Sie sind als Automationspartner in allen industriellen Branchen aktiv. Bei welchen Branchen ist Ihrer Ansicht nach die erfolgreiche digitale Transformation besonders fortgeschritten und welche Branchen hinken der Digitalisierung noch hinterher?

Traditionell ist die Automobilindustrie immer vorne dabei, wenn es neue Ansätze gibt, die Produktion effizienter zu gestalten. Gerade in diesem Umfeld ist eine unternehmensübergreifende Kooperation von Herstellern und Zulieferern zwingend erforderlich. Die bestandslose Beschaffungslogistik sowie die Produktionsplanung und -steuerung im Automobilbau (Just-in-Sequence-Produktion) erfordern schon heute eine maximale Integration der Produktionsdaten nicht nur in die eigene Unternehmenssoftware, sondern zunehmend auch in die Software des Kunden. Je mehr Integration vorhanden ist, umso effizienter gestalten sich die Prozesse. Auf der anderen Seite steht in meinen Augen die Prozessautomation, die traditionell auf maximale Sicherheit der verfahrenstechnischen Prozesse fokussiert. Erst wenn die gegeben ist, werden Prozesse weiter optimiert. Für das Prozessautomationsumfeld gibt es aus meiner Sicht zudem in der aktuellen Diskussion um Industrie 4.0 noch zu viele offene Punkte hinsichtlich IT-Sicherheit und zu wenig Effizienzgewinn.

Experten sind der Meinung, dass sich gerade die deutschen Unternehmen stärker in Richtung Cloud bewegen müssen, aber gerade der deutsche Mittelstand hinkt nach Ansicht vieler Experten noch der Umsetzung hinterher. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Der deutsche Mittelstand steht seit jeher für Stabilität und Kontinuität. Zwar gibt es auch da eine kleine Anzahl Early Adopters, doch die ist sehr überschaubar. Bevor völlig neue Konzepte oder Technologien in die Praxis umgesetzt werden, ist zunächst ein Proof of Concept erforderlich. Industrie 4.0 und IIoT sind gute Beispiele dafür. Seit Jahren beherrschen diese Themen die großen Messen. Vor allem die Hard- und Software-Hersteller kreieren immer neue Ansätze für mehr oder weniger wirtschaftlich sinnvolle Industrie-4.0-Szenarien. Vieles ist denkbar, vieles auch machbar, aber eine ganze Reihe der Ideen wird verpuffen, weil sie vom Anwender nicht umgesetzt werden. Letztlich dreht sich doch alles darum, dass ein solches Szenario dem Kunden einen absehbaren ROI bietet, ansonsten werden es sich nicht viele leisten wollen.

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