Mobilfunk 5G: Knickt die Bundesnetzagentur vor der Provider-Lobby ein?
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Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hält das deutsche Mobilfunknetz für „peinlich“. Für die deutsche Wirtschaft kann es zum Problem werden: Bedeutende Player bremsen den Ausbau des 5G-Netzes aus. Dabei gilt es als wichtiger Innovationsmotor für die Zukunft.

Mobilfunk abseits „ultraschneller Übertragungsraten“: 5G spielt eine wichtige Rolle für den Fortbestand des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Das scheinen Politiker wie Bildungsministerin Karliczek oder Kanzleramtschef Helge Braun nicht zu verstehen: Sie halten eine flächendeckende Netzabdeckung für zweitrangig und setzen auf bestehende Mobilfunktechnologien.
Im Frühjahr 2019 steht die Vergabe der Frequenzen für den neuen 5G-Mobilfunk an. Voraussichtlich werden hier die Weichen dafür gestellt, ob Deutschland führender Technologiestandort bleibt, oder gegenüber aufstrebenden Ländern zurückfällt. Denn anders als häufig dargestellt geht es bei 5G um weit mehr als „ultraschnelles mobiles Internet“.
5G ist mehr als schnelles mobiles Internet
5G wird immer wieder als LTE-Nachfolger dargestellt, mit dem Smartphone-Nutzer dank ultraschneller Übertragungsraten megaschnell im Internet surfen können. Diese Argumentation zielt aber völlig an der Intention vorbei, mit der 5G angetreten ist: Breite Netzabdeckung, sehr hohe Teilnehmer- beziehungsweise Gerätezahlen, extrem kurze Latenzzeiten, neuartige Mesh-Topologien. Der neue Mobilfunkstandard soll die Basis bilden für zukunftsträchtige, nicht zuletzt für die deutsche Wirtschaft essenzielle Anwendungsfälle. Dazu zählen autonomes Fahren, vorausschauende Wartung, Telemedizin und vieles mehr. Und diese Basis droht im Treibsand der Politik und Firmeninteressen zu versinken.
In der Kritik steht unter anderem die für die Vergabe in Deutschland zuständige Bundesnetzagentur (BNetzA). Sie sitzt zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite die drei großen Provider Telekom, Telefonica und Vodafone, die vor zu hohen Auflagen und explodierenden Kosten warnen, sollte ein deutschlandweit flächendeckender Ausbau gefordert werden. Auf der anderen Seite deutsche Konzerne und einige Politiker, die genau das wollen und die bisher angedachten Auflagen durch die BNetzA als zu lasch erachten.
Ursprünglich geplante Auflagen für 5G-Ausbau schon wieder kassiert
Ursprünglich hatte die Agentur vorgesehen, die Vergabe der Funkfrequenzen an die Verpflichtung zu koppeln, das 5G-Netz lückenlos aufzubauen – auch in entlegenen Gebieten. Hier konnten sich die Lobbyisten der Provider bereits durchsetzen: Die Forderung ist in der aktuellen Version der Bedingungen für die Versteigerung nicht mehr enthalten.
Die großen Provider warnen ihrerseits, dass der Netzausbau ohnehin schon teuer ist und die Forderung nach Vollversorgung den Kostenrahmen vollends sprengen würde. Daher wollen sie die anstehende Vergabe der Funkfrequenzen nach ihren Vorstellungen beeinflussen und kleinere, lokale Anbieter am liebsten ganz außen vor halten. Gleichzeitig sperren sie sich vor nationalem Roaming, sprich der Nutzung von Mobilfunkausrüstungen durch mehrere Anbieter, vornehmlich in ländlichen Gebieten. Dies ist in anderen Ländern Usus und hilft, die Kosten für entlegene Basisstationen wieder einzuspielen.
Netzabdeckung in Deutschland ähnlich schlecht wie in Albanien oder Russland
„In Deutschland gibt es mit die schlechtesten Mobilfunknetze – und das zu hohen Preisen“, moniert Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer gegenüber der Deutschen Presseagentur dpa. In Punkto Netzabdeckung würde Deutschland auf den hinteren Rängen zwischen Albanien und Russland liegen. Und er warnt davor, dass diese „Misserfolgsgeschichte mit der anstehenden Frequenzversteigerung fortgeschrieben“ werde. Krischer ist nicht der einzige: Auch Politiker anderer Parteien fordern schärfere Auflagen.
Diese müssten auch konsequent durchgedrückt werden. Bisher seien keine wirksamen Sanktionen für den Fall vorgesehen, dass Auflagen nicht eingehalten werden. „Als Netzbetreiber investiere ich nicht 500 Millionen Euro, die ich nicht wieder einspielen kann, wenn ich nur ein Bußgeld von 100 000 Euro zahlen muss“, sagte Krischer laut dpa. Der Mobilfunkausbau beispielsweise entlang von Landstraßen würde dadurch vernachlässigt. Daher müsse bei den Bußgeldern dringend nachgearbeitet werden.
4G soll für Flächenausbau reichen
Ausgerechnet Vertreter der CDU – also aus der Fraktion, der auch Mobilfunknetz-Kritiker Peter Altmaier angehört – springen der BNetzA nun zur Seite: Die Vergaberegeln seien in ihrer jetzigen Form „ein großer Schritt nach vorne, sowohl, was die Quantität als auch was die Qualität betrifft“, sagte der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Beirats der Bundesnetzagentur Joachim Pfeiffer laut dpa. Die vorgeschriebene Latenzzeit von 10 Millisekunden stelle sicher, „dass Deutschland zum 5G-Leitmarkt in Europa wird“.
Im ZDF-Interview sprach sich zudem Kanzleramtschef Helge Braun dafür aus, dass „jeder Haushalt und jeder Straßenabschnitt mit Mobilfunk versorgt“ wird. Doch dafür müsse der bisherige Standard 4G reichen. Schon damit seien schließen Datenraten von 450 MBit/s möglich. „Mit diesem Standard erreichen wir heute schon die Größenordnung von 450 Mbit. Das ist verdammt schnell und reicht für Wirtschaft, für Haushalte und für den Bürger, für Telefonie und klassische Smartphone-Anwendungen allemal“, sagte Braun dem ZDF.
Diese 450 MBit/s sind jedoch bestenfalls an wenigen Standorten in wenigen Ballungsräumen realistisch erreichbar. Und Braun blendet aus, dass es bei 5G um viel mehr geht als schnelles Surfen im Internet – siehe oben. 5G ist für die Industrie und andere Wirtschaftszweige wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn was nützt es, wenn autonome Autos nur in Ballungsräumen fahren können?
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal Elektronikpraxis erschienen.
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