Digitalisierung 5G, IoT, Industrie 4.0: Zerschellt Deutschlands Zukunft am mangelhaften Glasfaserausbau?

Michael Eckstein

Moderne Kommunikationstechnologien wie 5G brauchen schnelle Zugangs- und Kernnetze. Doch der Glasfaserausbau in Deutschland stockt. Das gefährdet unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Im Scheckentempo: Der Breitbandausbau mit Glasfaser in Deutschland verläuft schleppend - ein Problem nicht nur für 5G.
Im Scheckentempo: Der Breitbandausbau mit Glasfaser in Deutschland verläuft schleppend - ein Problem nicht nur für 5G.
(Bild: / CC0)

Keine Frage: Eine leistungsfähige Telekommunikations-Infrastruktur ist Grundvoraussetzung für eben die Innovationen, die sich Deutschland gerne auf die Fahne schreibt: Digitalisierung, Internet of Things (IoT) inklusive Industrie 4.0, Smart Energy oder auch 5G-Mobilfunk.

Doch ein Blick auf den derzeitigen Zustand der landesweiten Telekommunikationsnetze lässt Zweifel aufkeimen, ob Deutschland tatsächlich fit ist für die digitale Zukunft: Nach einer im Februar 2018 veröffentlichten Analyse des FTTH Council (Fiber To The Home) liegt die Bundesrepublik in Punkto Glasfaserausbau in der EU lediglich auf Platz 20, im weltweiten Vergleich sogar nur auf Platz 59 von 63 bewerteten Nationen – weit hinter Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder auch Kasachstan.

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Damit nicht genug: Statt aufzuholen, verharrt Deutschland gegenüber der Untersuchung von 2016 im Schlussfeld. Zwar ist „Fiber to the home“ nicht gleichzusetzen mit dem für 5G wichtigen „Fiber to the basestation“, aber doch ein Gradmesser für den Breitbandausbau.

Glasfaserausbau und Digitalisierung „ist in nationalem Interesse“

Entsprechend deutlich fällt das Urteil von Dr. Horst Lennertz aus: „Deutschland ist dabei, die ‚Digitale Revolution‘ zu verschlafen!“ Dabei könne sich daran die Zukunft unseres Landes entscheiden. Lennertz leitete früher den Mobilfunkanbieter E-Plus und sitzt heute im Deutschen Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM e.V.).

Nach eigenen Worten vertritt der DVTM die Interessen von Unternehmen entlang der „konvergenten Wertschöpfungskette Telekommunikation, Medien, Energie und ‚Bettertainment‘”. Ob nun digitalisiertes Glücksspiel – dafür steht der Ausdruck „Bettertainment“ – von nationalem Interesse ist und Teil der „Digitalen Revolution“ sein sollte, lässt sich diskutieren. Nicht jedoch, dass Deutschland seinen Infrastruktur-Rückstand aufholen muss.

Milliardenschwere Investitionen in die digitale Infrastruktur nötig

Der DVTM fordert daher milliardenschwere Investitionen, um in einem konzertierten Prozess von Politik und möglichst allen Marktteilnehmern die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. „Wir brauchen 5G und Glasfaser, wenn wir den Standort Deutschland entwickeln möchten“, ist Lennertz überzeugt. Für den Ausbau seien in den nächsten sechs Jahren schätzungsweise 70 Mrd. Euro nötig.

Eine „Gemeinschaftsplattform“ sei eine geeignete Form, die nötigen Investitionen zu schultern. „Das könnte eine Netzgesellschaft sein, in die alle Marktplayer Ihre Assets einbringen“, erklärt Lennertz. In diesem Rahmen sollten alle Marktteilnehmer zeitlich befristet für dieses Projekt zusammenarbeiten. Eine Renditegarantie für verlegte Glasfaser könnte das nötige Kapital für den weiteren Ausbau einbringen. Dieser Ausbau sei von nationalem Interesse, daher müsse „auch die Politik ihren Beitrag leisten und eine Führungs- und Vorreiterrolle übernehmen“.

Breiter Konsens, hinkende Vergleiche

Dr. Henseler Unger, Geschäftsführerin des Wissenschaftlichen Instituts für Kommunikationsdienste, kurz WIK, unterstützt diesen Ansatz: Länder wie Südkorea, Japan und Singapur seien gute Beispiele dafür, dass mit hohem staatlichen Engagement der Glasfaserausbau erfolgreich vorangetrieben werden könne und „gleichwohl nun intensiver Dienste Wettbewerb zum Wohl des Kunden herrscht“.

Was sie nicht sagt: Anders als in Deutschland verfügen die genannten Länder nicht über eine flächendeckende Kupferkabel-Infrastruktur bis in jeden Haushalt. Für sie war und ist es daher sinnvoll, von grundauf eine weitreichende Glasfaser- und/oder Mobilfunk-Infrastruktur aufzubauen – und dabei gleich eine Technologiestufe zu überspringen.

Salamitaktik bremst Glasfaserausbau

In Deutschland herrscht eine andere Situation vor. Die Kupferkabel sind zwar alt, aber bezahlt. Und sie liegen bis in den hintersten Winkel der Republik. Die Telekom, Deutschlands ehemaliger Telekommunikations-Monopolist, will die vorhandenen Kabel daher so lange wie möglich ausnutzen, aktuell mit modernen DSL-Vectoring-Verfahren. Nur schrittweise rücken die glasfasergespeisten Verteiler näher zu den Haushalten.

Diese Salamitaktik führt dazu, dass der Breitbandausbau mit Glasfaser eher schleppend voranschreitet. Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA), sieht daher auch seine Behörde in der Pflicht: „Wer will, dass heute investiert wird, damit morgen eine moderne Glasfaser-Infrastruktur verfügbar ist, muss jetzt die Weichen dafür stellen“, schreibt er in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ).

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Eine weitere angekündigte Digitalisierungs-Initiative, diesmal vom DVTM

Renatus Zilles, Vorstandsvorsitzender des DVTM, kündigte zudem an, dass der Verband selbst noch in diesem Jahr eine Digitalisierungs-Initiative gemeinsam mit dem DVTM Think Tank starten will. Er forderte „endlich mehr Glasfaser“, eine Initialzündung und mehr Wettbewerb: „Wir haben in unserem ‚Think Tank‘ zur ‚Digitalen Revolution‘ in Deutschland in den letzten Tagen und Wochen kontrovers diskutiert, uns viele Gedanken gemacht, erste Lösungsansätze konzipiert“, erklärt Zilles. Auf dieser Basis entwickle man jetzt Ideen, wie der Prozess kurzfristig, effizient und nachhaltig angeschoben werden könne.

„Das ist dringend nötig!“, warnt Zilles. Schließlich gehe es bei diesem Thema weniger um Wettbewerb als vielmehr um die Wahrung nationaler Interessen. Dem DVTM „Think Tank“ gehören neben illustren Persönlichkeiten wie Dr. Wolfgang Clement, Ministerpräsident und Bundesminister a.D. und Dr. Detlef Eckert, ehemaliger Direktor der Europäischen Kommission und heute Manager bei Huawei Technologies, auch der Ex-RTL-Chef Helmut Thoma an, jetzt Aufsichtsrat-Chef der freenet AG. Seine ernüchternde Analyse: „Viele haben die Bedeutung des Themas noch nicht erfasst. Dazu gehört auch die Politik, die nicht weitsichtig genug denkt, sondern nur bis zur nächsten Wahl.“ Das müsse sich ändern.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal Elektronikpraxis erschienen.

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