Beispiele aus der Praxis 500 Teile in 2 Tagen: Airbus setzt auf 3D-Druck

Autor / Redakteur: Stefan Holländer / Stefan Guggenberger

Airbus hat die Integrated Manufacturing Group in Sheffield mit einem herausfordernden Projekt beauftragt. Zum einen stand das Team unter Zeitdruck und zum anderen stellte ihr Auftraggeber hohe Qualitätsansprüche. Um wichtige Bohrkappen zeitgerecht einsetzen zu können, nutzte die Forschungsgruppe Additive Fertigung.

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Das AMRC hat in nur zwei Tagen 500 Bohrkappen mit verschiedenen Designs gedruckt.
Das AMRC hat in nur zwei Tagen 500 Bohrkappen mit verschiedenen Designs gedruckt.
(Bild: Formlabs)

Komplexe Strukturen wie Robotik-Teile, digitalgestützte Montage oder Zerspanungsgeräte perfekt zusammenzusetzen sind große Herausforderungen der modernen Fertigung. In Sheffield in Nordengland arbeitet die Integrated Manufacturing Group deswegen als Forschungsgruppe gemeinsam mit Partnern aus der Industrie daran, moderne Technologien zusammenzusetzen und neue, integrierte Systeme zu entwickeln. Die Gruppe nutzt dafür die „Factory 2050“, eine knapp 48 Mio. Euro teure Zukunftsfabrik innerhalb des Advanced Manufacturing Research Centres (AMRC) der University of Sheffield.

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Airbus, Europas größtes Luft- und Raumfahrtunternehmen, hat die AMRC-Forschungsgruppe mit einem herausfordernden Projekt beauftragt – inklusive Bohr- und Zerspanungsarbeiten und mit engen Toleranzen an Bauteilen aus Kohlefaser, Aluminium und Titan. In Anbetracht der strengen Anforderungen der Luft- und Raumfahrtindustrie musste eine Querkontamination zwischen den Bohrungen während dieser Versuche unbedingt vermieden werden. Kurz nach Beginn des Projekts stellte das Team fest, dass ihre Lösung das Problem nicht beheben konnte – es drohte eine Verzögerung von mehreren Wochen, falls man neue Ersatzteile zerspanen oder spritzgießen müsste.

Um das Projekt durch Verzögerungen nicht zu gefährden, setzte das Team der Integrated Manufacturing Group auf 3D-Druck. So konnten 500 hochpräzise Bohrkappen gefertigt werden und die Durchlaufzeit von mehreren Wochen auf drei Tage gesenkt werden.

Methodenvielfalt gegen Querkontamination

Für das Projekt war es von größter Bedeutung, beim Bohrprozess jegliche Kontamination zu verhindern. Nach dem Bohren eines Loches musste dieses also abgedeckt werden, damit die Späne der nächsten Bohrungen es nicht verunreinigen. Auftragsbedingt waren die Anforderungen an die benötigten Bohrkappen sehr spezifisch, gleichzeitig blieb nur noch wenig Zeit, um eine Lösung zu entwickeln.

Die Ingenieure nutzten zunächst ein kleines Aluminiumteil mit einem O-Ring aus Gummi. Doch diese Lösung zeigte sich schnell als unzulänglich: Sie verursachte Verzögerungen im Ablauf und wurde aufgrund des engen Zeitplans fallengelassen.

Also wurde eine zweite Lösung entwickelt: eine kleine Scheibe mit einer umlaufenden Nut für einen O-Ring. Die Toleranzanforderungen waren hoch. Wenn die Nut zu groß würde, rutschte der Ring auf die Seite. Der annehmbare Toleranzbereich betrug etwa einen halben Millimeter – oder die halbe Dicke des O-Rings.

Die Vielfalt der Teile sorgte ebenfalls für Komplikationen: Da die Bohrungen unterschiedlich groß waren, wurden eine Vielzahl unterschiedlicher Bohrkappen benötigt. Im virtuellen Design lässt sich eine Abmessung schnell ändern, aber wenn die Teile alle spritzgegossen werden, muss für jedes Teil erst eine neue Form hergestellt werden.

3D-Druck: 500 Bohrkappen in zwei Tagen

Das Team benötigte rund 500 kleine Bohrkappen innerhalb von zehn Tagen. Damit waren praktisch alle anderen Fertigungsoptionen bis auf den 3D-Druck vom Tisch. Nun musste noch geklärt werden, ob die Teile inhouse oder extern gefertigt werden.

Zunächst wurden drei externe Druckdienstleister angefragt, deren Kosten überstiegen allerdings deutlich den Wert der Teile für das Gesamtprojekt. Daraufhin wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Teile inhouse zu fertigen.

Binnen 24 Stunden hatte die Abteilung für Design- und Prototypen bereits die Hälfte der Kappen fertiggestellt. Innerhalb von zwei Tagen standen alle 500 Teile in der benötigten Qualität bereit. Für das zeitsensitive Projekt bedeutete dieser Durchsatz eine enorme Entlastung und ermöglichte dem Team sich auf andere Herausforderungen zu konzentrieren.

Eigene 3D-Druckstation: Flexibilität und Platz für Iterationen

Mittels 3D-Druck fügten die Ingenieure den Teilen Ansatzstellen für ein Werkzeug hinzu, das sie ebenfalls druckten. So ließen sich die Kappen schnell und einfach einsetzen. Die Rückmeldungen der Tester waren durchweg positiv und der Großteil funktionierte genau wie vorgesehen.

Neben den schnellen Durchlaufzeiten und den geringen Kosten war die Flexibilität ein wichtiger Vorteil beim 3D-Druck vor Ort. Hätte das Design im Praxistest nicht funktioniert, wäre das Feedback schnell an die Designer gegangen und die Teile hätten angepasst werden können. Im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionsprozessen, die oft mehrere Wochen dauern, können Änderungen bei additiv gefertigten Teilen deutlich schneller umgesetzt werden.

Die Ingenieure der AMRC-Forschungsgruppe nutzen Additive Fertigung mittlerweile regelmäßig, um schnell durch verschiedene Designs zu iterieren. So können regelmäßig zwei oder drei Designs an einem Tag kostengünstig umgesetzt und getestet werden.

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