Expertenbeitrag

 Robert Frodl

Robert Frodl

Director DACH Region Customer Development for Engineering Solutions, Plexus Deutschland GmbH

Produktdesign und Fertigung 5 Schlüsselbereiche der Digitalen Transformation

Von Robert Frodl

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IIoT und Industrie 4.0 – so wird die digitale Transformation oft vereinfacht zusammengefasst. Dabei steckt deutlich mehr Potential hinter dem zum Buzzword gewordenen Konzept. Fünf Schlüsselbereiche aus dem Produktdesign und der Fertigung, die für Hersteller echten Mehrwert darstellen.

Mit den richtigen Maßnahmen können produzierende Unternehmen von der digitalen Transformation profitieren – das setzt aber eine konkrete Strategie voraus.
Mit den richtigen Maßnahmen können produzierende Unternehmen von der digitalen Transformation profitieren – das setzt aber eine konkrete Strategie voraus.
(Bild: Plexus)

Den einen „besten“ Ansatz in Sachen digitale Transformation gibt es nicht. Für Hersteller, die hochkomplexe Produkte in stark regulierten Märkten entwickeln und produzieren, besteht die größte Herausforderung darin, den pauschalen Begriff der Digitalisierung zu definieren und zielorientiert umzusetzen. Welche Technologien versprechen einen echten Vorteil bei der Realisierung von Produkten? Wie und wo lassen sich digitale Lösungen implementieren? Wo sind externe Partner gefragt? Und wie sehen die ersten Schritte aus?

Grundsätzlich bietet jeder Bereich einen guten Startpunkt für die digitale Transformation – egal ob in der Forschung und Entwicklung, innerhalb der Fertigungsprozesse, beim Supply Chain Management oder im Aftermarket Service. Im Folgenden betrachten wir vor allem Beispiele für das Produktdesign und die Fertigung genauer.

Mit Machine Learning (ML) Entwicklungszeit reduzieren

Im Rahmen der Produktentwicklung können Machine-Learning-Verfahren die Entwicklungszeit erheblich verkürzen und die Zuverlässigkeit und Präzision von Produktmerkmalen oder -funktionen deutlich verbessern.

Ein Paradebeispiel dafür sind medizinische Produkte aus dem Bereich Life Sciences. High-Tech-Geräte übernehmen hier verstärkt anspruchsvolle Aufgaben aus der bildgebenden Diagnostik sowie beim Abtasten und Erkennen von krankheitsbedingten Veränderungen. Auch die robotergestützte Chirurgie boomt und führt zu komplexeren, mehrteiligen Systemen, die neben mechanischen und optischen Teilen (zum Beispiel Roboterarm) einen hohen Anteil an Software und Elektronik (wie 3D-Visualisierung) beinhalten. All das setzt eine zeitaufwändige Kodierung voraus.

Mit Hilfe von Machine Learning allerdings lassen sich komplexe Modelle, wie ein künstliches neuronales Netz, wesentlich schneller trainieren. Ein Hersteller für Medizingeräte konnte über entsprechende Verfahren die Schlüsselfunktionen eines neuen Geräts in weniger als einer Woche entwickeln und ersparte dem Engineering-Team Monate an aufwändiger Programmierungsarbeit. Ein weiterer Vorteil: ML ermöglichte die Optimierung der Funktionsgenauigkeit des Geräts auf einem Niveau, das für das menschliche Entwicklerteam bislang unerreichbar war.

Supply Chain optimieren

Smarte SCM-Lösungen behalten das gesamte Ökosystem aus Herstellern, Partnern und Zulieferern im Blick und können Risiken in der Lieferkette erkennen, bevor sie zu Unterbrechungen und Verzögerungen führen. Es ist natürlich die Rede von Predictive Analytics.

Vorausschauende Systeme sammeln historische wie aktuelle Daten. Anschließend analysieren und quantifizieren sie mit Hilfe von Algorithmen die Risikofaktoren für jede Komponente – von Marktbedingungen über Beschaffungsstrategien bis hin zu Product Lifecycle Management und Lieferanten-Performance. Der Erfolg lässt sich sehen: Ein Hersteller konnte mit Hilfe prädiktiver Analyse auf einer Stückliste mit 667 Komponenten 67 risikobehaftete Teile identifizieren und die damit verbundenen Risiken gemeinsam mit seinem Partner evaluieren und beseitigen.

Eine digitalisierte Lieferkette ist zudem unerlässlich, um externe Faktoren so frühzeitig wie möglich in die eigene Planung miteinzubeziehen – seien es globale Ereignisse wie Covid-19, lokale Störungen in Zulieferländer oder die wirtschaftliche Lage eines wichtigen Partners (Liquidität). Effizienter wird die Lieferkette auch, wenn zentrale Aufgaben automatisiert werden können (beispielsweise das Aktualisieren von Aufträgen). Unternehmen gehen verstärkt dazu über, bestehende Geschäftssysteme in einer einheitlichen Plattform (meist ERP) zu konsolidieren und mit neuen Technologien zu ergänzen. Ziel ist eine nahtlose Kommunikation und ein hoher Grad an Transparenz, um Prozesse zu rationalisieren. Im Front-End lassen sich auf diesem Wege Zulieferer für jedes neue Produktdesign nach Kosten, Vorlaufzeit und Grad der Partnerschaft auswählen. Im Back-End ergeben sich neue Möglichkeiten für die Optimierung der Supply-Chain-Logistik und Auftragserfüllung.

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Flexible Skalierung durch Automation

Viele Hersteller konzentrieren sich darauf, die Produktion zum Laufen zu bringen, bevor sie sich der Automatisierung zuwenden. Was aber, wenn das Produkt nicht mit den bestehenden Automatisierungssystemen kompatibel ist? Wenn ein Hersteller zuerst einen manuellen Montageprozess und dann einen automatisierten Montageprozess verifizieren und validieren muss, können sich seine Qualifizierungskosten verdoppeln.

Design-for-Automation hilft, solche Herausforderung frühzeitig zu überwinden. Dabei wird die Automatisierung schon beim ersten Entwurf mitgedacht. Das Design wird mit Hilfe von 3D-Druck in Prototypen überführt und anschließend innerhalb der Fertigungsanlage getestet. Lassen sich die Teile vom System erkennen, greifen und bewegen? Sind für die Roboter visuelle Marker an den Transporttrays nötig? Diskrepanzen zwischen dem Design eines Produkts und den zur automatisierten Fertigung eingesetzten Produktionssystemen müssen beseitig werden. Bei der Vorserie lassen sich die Systeme dann erneut evaluieren und für die Vollproduktion optimieren. Schlussendlich kann durch einen solchen Design-Ansatz das Volumen bei steigender Nachfrage schneller hochgefahren werden – mit deutlich weniger Personalbedarf und Aufwand bei der Implementierung von Redundanzen.

Effizienz steigern durch Prozessautomatisierung

Das Automatisieren von Prozessen macht die Fertigung zudem weniger anfällig für Fehler – zumindest auf der menschlichen Seite. Das Ergebnis ist eine effiziente Produktion, niedrigere Gesamtbetriebskosten und wiederholbare Ergebnisse. Wie sieht das in der Praxis aus?

Für die Leiterplattenfertigung beispielweise entwickelte ein Hersteller ein System zum automatischen Auftragen von Lötstopplack. Die Reihenfolge und Art der Leiterplatte spielte dabei keine Rolle, denn das neue System erkannte von selbst, mit welchem Auftragsverfahren die Fläche der Leiterplatte überzogen werden sollte. Ein ähnliches Beispiel ist der kollaborative Roboter, der für das Auftragen einer Schutzschicht auf Metalldetektoren genutzt wird. In beiden Fällen können Hersteller mit automatisierten Prozessen, den manuellen Aufwand und damit Kosten reduzieren sowie die Produktqualität verbessern.

Selbstkalibrierung für höhere Produktqualität

Qualität ist überhaupt ein wichtiges Stichwort. Je weiter die Automatisierung in der Fertigung voranschreitet, desto näher kommen Hersteller einer Null-Fehler-Produktion. Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch die Selbstkalibrierung der Systeme. Die moderne Bildverarbeitung ermöglicht es Robotern bereits, Teile mit hoher Genauigkeit zu greifen, zu platzieren oder sogar auf Fehler zu überprüfen. Die Systeme sind jedoch anfällig. Schon ein leichter Stoß kann eine bildverarbeitende Kamera verschieben, Sensoren durch Schmutzpartikel behindern.

Funktionalitäten zur Selbstkalibrierung sind daher für automatisierte Systeme in der Fertigung grundlegend. Dazu werden vom System eigenständig routinemäßige Selbstkontrollen durchgeführt und die Ergebnisse mit vorab definierten Parametern verglichen. Jegliche Abweichungen, zum Beispiel der Position oder eine Beeinträchtigung des Sichtfelds, werden automatisch korrigiert und an den Maschinenbediener gemeldet, um die ordnungsgemäße Rekalibrierung zu überprüfen und eine zusätzliche Qualitätsprüfung sicherzustellen.

Fazit

Das Potential von digitalen Lösungen in der Entwicklung und Fertigung ist damit jedoch längst nicht ausgeschöpft. Die Innovationsgeschwindigkeit bleibt hoch. Umso wichtiger wird es für Hersteller, agile und schlanke Prozesse zu etablieren, um auf dem Weg zur digitalen Transformation nicht überholt oder sogar überrannt zu werden.

Wer hier auf das Know-how von externen Partnern aufspringt und deren IIoT-Kapazitäten nutzen kann, sollte das auch tun. Gemeinsam lassen sich neue Technologien auf ihren Nutzen prüfen und Best Practices von der Theorie in die Praxis überführen. Damit gewinnt das Projekt „Digitalisierung“ viel an Klarheit und Zielgenauigkeit.

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