Additive MID 3D-Druck von IoT-Bauteilen in Losgröße 1

Von Florian Pape* Lesedauer: 5 min

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Im Forschungsprojekt Merlin von It’s OWL entwickeln Wissenschaft und Industrie gemeinsam Verfahren, die eine kostenminimierende und flexible Fertigung der Losgröße 1 im 3D-Druck ermöglichen.

Im MID-Lab des Fraunhofer IEM werden die 3D-gedruckten MID-Grundkörper metallisiert.
Im MID-Lab des Fraunhofer IEM werden die 3D-gedruckten MID-Grundkörper metallisiert.
(Bild: copyright by wolfram schroll)

Hersteller von Elektronikbauteilen stehen vor großen Herausforderungen. Geräte müssen immer höheren Anforderungen gerecht werden, gleichzeitig soll die Produktion schneller, flexibler und individueller sein. Als besonders zukunftsträchtig gelten Mechatronic Integrated Devices – sogenannte MIDs – die flexibel additiv gefertigt und eingesetzt werden können. Bisher war die Herstellung im Spritzgussverfahren sehr aufwendig.

Beispiel aus der Praxis: Die Umgebung im OP-Saal ist der Feind für jedes Elektronikbauteil. Bei Operationen muss alles aufeinander abgestimmt sein: Die Ärzt:innen müssen sich und dem Equipment vertrauen. Gleichzeitig ist der Umgang mit den einzelnen Geräten komplex: Um die Hände bei der OP frei zu haben, bedienen sie die benötigten Geräte über Fußschalter. Unter anderem zur Spülung der Wunden kommt Kochsalzlösung zum Einsatz. Die Beteiligten stehen stellenweise bis zu zwei Zentimeter in der Flüssigkeit.

Für die in den Fußschaltern verbaute Elektronik ist es deshalb von enormer Wichtigkeit, dass kein Wasser eindringt. Um die Dichtigkeit im laufenden Betrieb sicherzustellen, soll eine kontinuierliche Überwachung realisiert werden, damit nicht gar lebensgefährliche Ausfälle an den Schaltern auftreten. Die Sicherheit der Bauteile könnte künftig über Mechatronic Integrated Devices (MIDs) realisiert werden, die einen hohen Grad an Zuverlässigkeit bieten.

Die Idee hinter MIDs ist bereits gut erforscht. Dabei handelt es sich um spritzgegossene Schaltungsträger, bei denen die elektrische Leitung direkt auf dem Bauteil angebracht wird. Aufgrund ihres Herstellungsprozesses können MIDs beliebige Formen annehmen, was sie für den Einsatz in Bauteilen relevant macht, in denen sonst nur wenig Platz für Elektronik und Sensorik bleibt. Es existieren verschiedene Herstellungsverfahren für MIDs, wobei die Laserdirektstrukturierung bisher am weitesten etabliert ist.

In diesem Verfahren wird zuerst mittels Spritzgussverfahren ein Kunststoffteil hergestellt. Anschließend schreibt ein Laser das elektrische Layout auf den Körper, wodurch die im Kunststoff enthaltenen Additive aktiviert werden. In mehreren chemischen Bädern wird zuerst Kupfer angelagert. Dann wird der Körper mit einer Nickel- und Goldschicht überzogen, um eine Oxidation zu vermeiden. Das Problem dabei: Spritzgießen ist sehr teuer und aufwendig, MIDs werden deshalb vor allem in Serienproduktion hergestellt.

Es ist also kein Wunder, dass sie aktuell primär als Antennen in Smartphones und Laptops verbaut werden. Um die Herstellung flexibler und kostengünstiger zu gestalten, kommt der 3D-Druck ins Spiel.

3D-Druck sorgt für breite Anwendbarkeit

Das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM in Paderborn und die TH Ostwestfalen-Lippe entwickeln zusammen mit den Industriepartnern Lenze, Steute Technologies, Berg Spanntechnik und CP Contech Elektronic 3D-gedruckte, smarte und drahtlose MID-Sensorsysteme, die in Anwendungen des Internet of Things zum Einsatz kommen. Merlin heißt das im Spitzencluster It’s OWL geförderte Forschungsprojekt in Kurzform.

Dazu verwenden die Forscher ein eigens entwickeltes Harz, mit dem die MIDs in allen gewünschten Formen gedruckt werden können – und dann mit der üblichen Laserdirektstrukturierung aktiviert werden. Das macht die lange und kostenintensive Spritzgussherstellung obsolet. Durch den 3D-Druck werden Prototypen innerhalb von kürzester Zeit nicht nur entworfen und getestet, sondern auch Endprodukte realisiert. Von Vorteil war für die Beteiligten vor allem der ganzheitliche und interdisziplinäre Ansatz des Fraunhofer IEM rund um die MID-Technologie.

Laserdirektstrukturierung auf metallischen Grundkörpern

Gerät ein Wassertropfen in den Fußschalter, lässt dieser sich direkt mit einer kapazitiven Struktur detektieren.
Gerät ein Wassertropfen in den Fußschalter, lässt dieser sich direkt mit einer kapazitiven Struktur detektieren.
(Bild: Steute Technologies)

Denn die Laserdirektstrukturierung kann die Additive nicht nur bei 3D-gedruckten oder spritzgegossenen Kunststoffkörpern aktivieren. Im Projekt Merlin wurde ein Pulverlack verwendet, der auf metallischen Grundkörpern aufgetragen werden kann. Notwendig ist das vor allem in der Leistungselektronik, wenn höhere Stromtragefähigkeiten gefordert werden und die entstehende Wärme abgeführt werden muss. Das Verfahren nennt sich dann Coated Metal Interconnect Device (CMID) und steht im Fokus der Arbeiten des Labors für Lasertechnik und Additive Fertigung (LLAF) der TH OWL.

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Die CMID-Technologie hat das Projektteam unter anderem mit der Firma Lenze erprobt, die die Schaltungsträger zur Überwachung von Kugellagern in Elektromotoren einsetzen möch-te. Solche Kugellager sind sehr verschleißanfällig, Lenze setzt deshalb ein CMID-basiertes Condition Monitoring ein: Die benötigte Schaltung wird mittels Pulverlack direkt auf das metallische Gehäuse des Motors aufgebracht. Ein Sensor detektiert über die Vibrationen im Gehäuse die rau laufenden Lager und meldet den Zustand.

Der Vorteil sowohl des Pulverlack- als auch des 3D-Druck-Verfahrens besteht in der leichten Integration in den bewährten Prozess der Laserdirektstrukturierung. Die notwendigen Additive sind in beiden Werkstoffen vorhanden und werden per Laser aktiviert.

Die Einsetzbarkeit von MIDs steigt durch die Verfahren deutlich. Die hohe Flexibilität macht die Technologie für mittelständische Unternehmen und Auftragsfertiger interessant. Das Fraunhofer IEM arbeitet im Projekt Richtlinien aus, die die Technologie von der Forschung in die Industrie bringen sollen. Denn der Einsatz von MIDs krankt neben der hohen Komplexität im Spritzgussverfahren vor allem noch an seiner Bekanntheit. Um das Verfahren in unterschiedlichen Branchen zu testen, hat das Projektteam mit Industriepartnern zusammengearbeitet.

Vom Operationssaal ins Logistikzentrum

Wenn der Chirurg bei seiner Operation den Fußschalter betätigt, tut er das in vielen Fällen mit einem Gerät von Steute Technologies aus Löhne. Der Hersteller ist Spezialist für sichere Schaltgeräte unter anderem im Medizinsektor. Im Pilotprojekt wurde die Grundplatte mit einem Lack überzogen, um eine Schaltung aufzubauen. Ändert sich die Kapazität in der Elektronik durch das Eindringen eines Wassertropfens, setzt ein C/V-Wandler die Änderung in eine Ausgangsspannung um, die von einem Mikrocontroller ausgewertet wird. Dadurch wird die kleinste Spannungsänderung erfasst.

MIDs eignen sich nicht nur für den Operationssaal. Die Forscher haben die Technologie zudem auf die Sensorik für die Intralogistik von Steute angewandt. Dazu wird eine Wippe verwendet. Ist das Regal leer, schlägt die Wippe aus. Der Sensor erfasst die Neigung und sendet ein Signal an die Basisstation. Beim Einsatz in der Industrie ist das Problem die zu geringe Reichweite des Signals. Mit MIDs auf den 3D-gedruckten Grundplatten soll die Antennencharakteristik optimiert und so unter anderem die Reichweite erhöht werden.

CMIDs machen CNC-Fräsen zuverlässiger

Ganz anders nutzen die ostwestfälischen Firmen CP Contech Electronic und Berg Spanntechnik CMIDs in CNC-Fräsen: Dort sollen künftig Drehdurchführungen überwacht werden, die Schmier- oder Kühlmittel zwischen dem feststehenden und dem rotierenden Teil der Maschine bewegen. Um den hohen Flüssigkeitsdruck bei gleichwohl hohen Umdrehungsgeschwindigkeiten abzusichern, werden spezielle Dichtscheiben verwendet.

Sie sind elementar für die Funktionsweise der Fräse: Tritt Flüssigkeit aus, kommt es meist zum Totalausfall. Die Industrie möchte deshalb auf eine Feuchtigkeitsmessung setzen, die jedoch auf extrem kleinem Raum realisiert werden muss: Über ein sechs Millimeter großes Loch werden die CMIDs verbaut. Ein Mikrocontroller soll dann die dauerhafte Überwachung sicherstellen und Ausfälle verhindern.

MIDs bieten großes Potenzial für die Elektronik der Zukunft: Sensoren werden einfach und flexibel angeschlossen, durch die Aufbringung eines Pulverlacks und die Verwendung von 3D-gedruckten Kunststoffen wird der Materialeinsatz verringert, gleichzeitig können die verwendeten Bauteile in Losgröße 1 entworfen und produziert werden. Aktuell steht die Entwicklung noch am Anfang, die ersten Anwendungen – sei es in Medizin, Logistik oder Industrie – zeigen jedoch, wohin der Weg für die Bauteile geht.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf unserem Partnerportal Elektronikpraxis erschienen.

* Florian Pape ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Fraunhofer IEM.

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